M.E. Lee Jonas

Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02: Die schwarze Prinzessin


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Ich bin davon überzeugt, dass dies eine Falle des Hexenrats war! Darania wusste, dass eine von uns beiden diesen Vergessenszauber aussprechen würde, um Linus zu retten. Als ich dem Hexenrat anordnete, mich aus dem Hexenregister zu löschen, hatten sie die Gewissheit, dass du es tun wirst, da Rosinante ja nun zu dir gehört. Jezabel, ich weiß, dass du noch haderst, weil du von ganzem Herzen hoffst, einen Gegenzauber zu finden. Vielleicht findest du ihn sogar, das weiß ich nicht. Es war pures Glück, als wir damals herausfanden, dass die Lythargien den Bann wieder aufheben können. Aber soweit ich weiß, hat Linus keinen Gedankenstein.

      Deshalb möchte ich, dass du die Zeit, die dir das Leben schenkt, weise nutzt. Wenn dein Herz dir also sagt, dass du in der realen Welt leben möchtest, dann musst du dich umgehend aus dem Register des dunklen Phads löschen lassen!

      Ich bin ehrlich. Ich habe keine Ahnung, ob das jetzt noch möglich ist. Auch wenn es dir gegen den Strich geht, du bleibst die schwarze Prinzessin. Diese Sache ist noch lange nicht ausgestanden. Deshalb sollten wir dringend handeln! Wenn der Hexenrat sich querstellt, müssen wir uns etwas anderes überlegen.

      Es tut mir leid, aber du kannst dich nicht ewig hier verstecken! Wie du siehst, ist deine Bestimmung stärker. Du hast jetzt schwarzes Blut. Würdest du auf diesem Anwesen bleiben, wären somit auch die anderen Bewohner, einschließlich Broaf, in ständiger Gefahr!

      Glaube mir, die reale Welt ist kein Ort für eine dunkle Junghexe, die verzweifelt ist«, spricht Oma Vettel weise.

      J.J. presst die Lippen zusammen und senkt den Kopf.

      »Das sind keine neuen Informationen. Wo bleiben die Lösungen?«, denkt sie genervt.

      Plötzlich muss sie wieder an den Traum mit Linus denken, in dem der Junge ihr gesagt hat, dass sie nach Xestha zurückkehren müsse.

      »Wenn ich mich für den dunklen Phad entscheide, kann ich dann jederzeit hierher zurückkommen? Kann ich dann auch hier leben, so wie du?«, fragt sie leise.

      Oma Vettel sieht betrübt zu Broaf und drückt die Hand ihrer Enkelin ganz fest.

      »Nein. Ich habe dir doch erzählt, dass ich nur hier leben durfte, weil ich als Spionin für den Hexenrat agierte. Du kennst meine Geschichte.

      Du müsstest in Xestha leben, so wie alle anderen dunklen Hexen auch. Nur besondere Funktionäre leben in der realen Welt. Das ist auch gut so. Es würde in einer Katastrophe enden, wenn diese dunklen Seelen sich in der realen Welt austoben würden. Sicherlich kannst du Broaf besuchen. Es wird jedoch nicht mehr so sein wie bisher. Du bist die schwarze Prinzessin!«

      J.J. seufzt und vergräbt ihr Gesicht in den Händen.

      Oma Vettel streicht ihr sanft über den Rücken.

      »Ich denke, du solltest zum Spiegel der Tore gehen und um eine Audienz bei Darania bitten. Sag ihr, wie du über die Sache denkst. Dann siehst du, wie sie reagiert. Ich kann gern mitkommen, aber der Spiegel wird nicht mehr auf mich reagieren!«

      Die alte Dame steht auf und sieht Broaf eindringlich in die Augen. Der Diener eilt zu J.J. und nimmt sie an der Hand.

      »Wir gehen alle gemeinsam!«, sagt er entschlossen und öffnet Oma Vettel die Tür.

      Als das Mädchen im Keller vor den großen Spiegel tritt, wird ihr ganz mulmig zumute. Verunsichert dreht sie sich zu ihrer Großmutter.

      »Du musst zuerst die Kerzen anzünden. Im Uhrzeigersinn. Das ist sehr wichtig! Beginne mit der Kerze, die auf zwölf Uhr steht«, weiht ihre Großmutter sie ein.

      J.J. nimmt ein langes Zündholz und geht zu der großen Kerze, die hinter dem Spiegel der Tore steht. Mit zittrigen Händen hält sie die kleine Flamme gegen den großen Docht, der daraufhin in einer blauen Stichflamme auflodert. Erst als sich diese wieder zurückzieht und gelblich vor ihrem hastigen Atem herumtänzelt, geht sie langsam weiter. Als die letzte Kerze brennt, stellt sie sich nervös vor den großen Spiegel und wartet.

      Oma Vettel und Broaf verstecken sich und nicken ihr aufmunternd zu.

      Als die Fratzen in dem breiten, goldenen Rahmen sich mit schmerzverzerrter Miene zu drehen beginnen, holt das Mädchen tief Luft. Dieses gruselige Spektakel hat sie erst ein Mal gesehen. Damals, als sie mit ihrem Gedankenstein gereist ist und erfahren hat, dass sie die schwarze Prinzessin ist. Nun, wo sie direkt davorsteht, ist sie von dieser machtvollen Erscheinung geschockt. Die Gesichter und Körper dieser Gestalten sind miteinander verschmolzen und winden sich, mit offenen Mündern, in dem goldenen Rahmen, der sich dabei zu verflüssigen scheint.

      J.J. beginnt bei diesem Anblick zu zittern. Das Glas des zwei Meter hohen Spiegels verändert sich. Die Dunkelheit verschwindet und verwandelt sich in dichten grauen Nebel. Nun bläht sich das Glas bedrohlich nach außen. J.J. tritt erschrocken einen Schritt zurück und sieht verängstigt zu ihrer Großmutter, die ihr aufmunternd zuzwinkert. Der Nebel löst sich langsam auf und gibt zarte Umrisse frei. Es dauert nur wenige Sekunden, bis sie in das glasklare Gesicht von Hexe Cybill starrt.

      Die Kammerwächterin steht mit verschränkten Armen auf der anderen Seite des Spiegels und starrt sie provozierend an. Dabei schüttelt sie verächtlich den Kopf und beginnt höhnisch zu lachen.

      Das beunruhigt J.J. im ersten Moment. Sie schielt zu ihrer Großmutter, die genervt die Augen verdreht. Broaf hat große Mühe, die alte Dame zurückzuhalten.

      »Jezabel! Welche Überraschung! Ist es eigentlich unser Karma, das du jedes Mal zuerst auf mich triffst? Na ja, ich halte ja nicht viel von diesen Dingen. Trotzdem bin ich gespannt, was du uns dieses Mal zu sagen hast!«

      Die dunkle Hexe starrt das Mädchen mit einem kühlen Lächeln an.

      J.J. ist plötzlich wie versteinert und schluckt. Die makellose Erscheinung dieser Hexe verunsichert sie noch mehr.

      Erst als Oma Vettel sich deutlich räuspert, beginnt das Mädchen zu sprechen.

      »Ich wollte eigentlich mit Darania sprechen. Ich habe ihr etwas Wichtiges mitzuteilen. Wann kann ich mit ihr rechnen?«, fragt sie mit fester Stimme, während sie die Kammerwächterin provozierend ansieht, ohne eine Miene zu verziehen.

      Hexe Cybill schüttelt verächtlich den Kopf und kommt ganz nah an den Spiegel heran.

      »Soweit ich weiß, solltest du dich bereits vor einem Monat bei ihr melden. Aber du hast es ja wieder einmal nicht für nötig gehalten, dich an unsere Gesetze zu halten. Du hast dich wieder versteckt. Und jetzt sollen alle springen, wenn du pfeifst?

      Was willst du eigentlich damit erreichen? Ist das so ein Familiending der Winterhardts? Die Parallelen zum Leben deiner Großmutter sind äußerst erschreckend. Mit dem Unterschied, dass es dieses Mal keinen Gedankenstein gibt, den ihr Linus bringen könnt, nicht wahr? Wie fühlt es sich an, ein Wesen unwiderruflich verflucht zu haben?«, fragt Cybill mit zorniger Stimme.

      J.J. ist geschockt. Sicher, diese Hexen nehmen sie nicht ernst. Aber was war das denn? Ist Cybill etwa auch so eine frustrierte Hexe, die den Jungen heimlich angehimmelt hat?

      Erzürnt rennt das Mädchen zum Spiegel.

      »Hör mir gut zu, Cybill. Ich bin die schwarze Prinzessin! Ich weiß, was ihr getan habt, und ich weiß auch, was ihr vorhabt. Aber dieses Mal werdet ihr nicht gewinnen! Ich habe vielleicht denselben Fehler gemacht wie meine Großmutter, weil ich auch jemanden schützen musste, den ihr für eure Belange missbraucht habt. Im Gegensatz zu ihr werde ich mich von euch aber nicht schikanieren lassen! Sag Darania, dass ich sie in einer Stunde am Spiegel erwarte!«, blafft sie die überraschte Kammerwächterin an, die sie nun mit offenem Mund anstarrt und nach Worten ringt.

      »Sie ist nicht hier! Darania befindet sich auf einem wichtigen Termin und kommt erst morgen früh ins Zentrum zurück. Ich sage ihr, dass sie sich gegen neun Uhr eurer neuseeländischen Zeit am Spiegel der Tore einfinden soll! Und übrigens:

      Du weißt gar nichts! Niemand hat irgendjemanden manipuliert. Auf jeden Fall nicht Linus!«, zischt sie das Mädchen böse an.

      Der Spiegel verdunkelt sich augenblicklich, sodass J.J. keine Chance hat, darauf zu reagieren. Das Glas zieht