M.E. Lee Jonas

Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02: Die schwarze Prinzessin


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vor den Spiegel und rückt seinen Frack zurecht. Er kämmt sich einen akkuraten Mittelscheitel und lächelt gekünstelt. Hoffnungsvoll starrt er noch einmal auf das Telefon, bevor er hinunter in die Küche geht.

      Dort sitzt J.J. angespannt auf der Eckbank und wartet. Als der Diener hereinkommt, lächelt sie ihn schüchtern an. Inzwischen hat Lincoln sich zu ihr gesellt und sitzt nun ebenfalls mit großen, erwartungsvollen Augen auf ihrem Schoß.

      Broaf räuspert sich kurz und geht festen Schrittes zur Kochinsel.

      »Guten Morgen, Lincoln! Ich habe gerade mit Vettel gesprochen und sie gebeten, ein paar Tage hierherzukommen! Leider habe ich noch keine direkte Antwort von ihr bekommen. Deshalb können wir jetzt erst einmal nur abwarten!«, sagt er knapp.

      Als der kleine Halbtagshund Oma Vettels Namen hört, hechelt er ganz aufgeregt und rennt zu Broaf.

      J.J. sieht den Diener mit großen Augen an.

      »Was hast du ihr gesagt?«, fragt sie verlegen.

      Broaf antwortet, ohne sie dabei anzusehen:

      »Eigentlich habe ich ihr gar nichts gesagt! Ich denke, das ist genau das, was sie letztendlich zwingen wird, zügig hierherzukommen!«

      Das Mädchen stutzt und sieht ihn eindringlich an. Obwohl Broaf lächelt, bemerkt sie seine Unsicherheit. Das Mädchen fasst sich an den Bauch und versucht den unangenehmen Druck im Magen zu unterdrücken. Hastig schlürft sie ihren Tee und schnappt sich die Zeitung, die neuerdings jeden Morgen auf dem Tisch liegt.

      Es ist nicht so, dass J.J. das Geschehen in der Welt nicht interessiert, aber für gewöhnlich liest sie eher selten die Zeitungen, da heutzutage die wichtigsten Neuigkeiten durch das Internet oder den Fernseher verbreitet werden.

      Das Mädchen überspringt gelangweilt die erste Seite und liest sich dann einen interessanten Sportartikel durch. Am regionalen Teil bleibt sie schließlich hängen. Das Lesen der Geschichten anderer Menschen entspannt sie und nimmt ihr für einen Moment die Angst. Jetzt versteht sie, warum Broaf neuerdings jeden Morgen die Zeitung liest. Es lenkt ihn ab.

      J.J. ist gerade in einen Artikel über das bevorstehende Dorffest vertieft, als ein schriller Ton sie hochschrecken lässt. Verängstigt lässt sie die Zeitung fallen und hält sich beide Ohren zu. Ihr Körper verkrampft und beginnt unkontrolliert zu zittern, während sich ihr Atem in schweren Zügen aus ihrem Körper pumpt. Sie kneift die Augen zusammen und beißt sich auf die Lippen.

      »Skulks! Sie holen mich«, presst sie panisch hervor.

      Broaf eilt zu ihr und fasst sie beruhigend an der Hand.

      »Keine Angst, Jezabel! Es ist alles in Ordnung. Du bist in Sicherheit! Das sind nicht die Skulks. Das ist der Signalton meines Monitors! Ich habe ihn eingebaut, da ich nicht die ganze Zeit vor dem Bildschirm sitzen und auf Nachrichten von Vettel warten wollte. Deshalb habe ich etwas gebastelt, das mir sofort Bescheid gibt, wenn ich eine Nachricht bekomme. Dieses Signal ertönt übrigens auch, wenn ein neuer Bewohner eintrifft!«, sagt er stolz.

      Als er bemerkt, dass J.J. eine regelrechte Panikattacke hat, küsst er sie sanft auf die Stirn und nimmt vorsichtig ihre Hände von den Ohren.

      »Es ist alles gut, kleine Prinzessin! Niemand wird dich holen. Ich denke, dass vielen Wesen überhaupt nicht bewusst ist, welche Auswirkungen die Ereignisse der letzten Monate auf dich haben«, flüstert er betroffen und drückt das Mädchen fest an sich.

      Nur langsam kann J.J. sich aus ihrer Starre lösen. Trotz der beruhigenden Worte des Dieners sieht sie noch einmal panisch in den Garten. Erst als sie sicher ist, dass dort keine riesigen Spinnen auf sie lauern, kann sie sich wieder entspannen.

      Broaf legt ihr ein kühles Tuch auf den Nacken und eilt aus der Küche. Aufgeregt rennt er in sein Zimmer und setzt sich vor den Monitor. Bevor er die Nachricht öffnet, holt er noch einmal tief Luft.

      Tatsächlich! Oma Vettel hat ihm zurückgeschrieben!

      Es ist sehr unhöflich, einfach aufzulegen, mein lieber Broaf! Da ich dich jedoch fast mein ganzes Leben lang kenne, deute ich dies als dringenden Notruf!

      Ich habe deshalb bereits mit Marla gesprochen und die Erlaubnis bekommen, für drei Tage nach Havelock zu reisen. Sie war nicht sehr erfreut darüber, dass ich einfach in die Sitzung des Rats der Weisesten gestürmt bin. Na ja, mehr als eine weitere Verwarnung kann das aber nicht geben.

      Mit Konrad habe ich ebenfalls gesprochen und ihm erklärt, dass Iris ein dringendes Problem hat. Er war nicht böse, dass er nicht mitkommen kann, da er im Moment in Rosaryon selbst sehr viel zu tun hat. Humptypuff hat bereits alle nötigen Papiere und Kleider zusammengepackt. Ich reise umgehend ab und werde noch heute Nacht bei euch eintreffen!

      Vettel

      PS: Willkommensparty nicht nötig. Für ein saftiges Steak wäre ich dir allerdings sehr, sehr dankbar!

      Broaf starrt auf die Nachricht und atmet erleichtert aus. Nach einem tonlosen Freudensprung geht er wieder hinab in die Küche und erzählt den beiden, was er gerade erfahren hat. J.J. lächelt unsicher und beginnt wieder zu weinen. Lincoln dagegen macht einen Luftsprung und lächelt breit über das Gesicht. Der Halbtagshund vermisst seine Oma Vettel wirklich sehr!

      »Wir sollten ein paar Vorkehrungen treffen«, sagt Broaf ganz aufgeregt.

      Er reicht J.J. ein Taschentuch und drückt sie noch einmal schnell an sich. Dem Mädchen entgeht nicht, dass der Diener plötzlich sehr nervös ist. Nicht im negativen Sinn, sondern eher freudig aufgeregt. Sie wischt sich die Tränen vom Gesicht und hört ihm aufmerksam zu.

      »Ich möchte nicht, dass Vettel den Eindruck gewinnt, dass wir uns nicht gut um das Haus kümmern. Wir sollten also etwas aufräumen und das Essen im Esssalon servieren. Gott sei Dank hat das Haus die Tür wieder angebracht! Wir werden also alle gemeinsam im Esssalon speisen. So wie wir es immer getan haben, als Vettel noch hier lebte.

      Lincoln, du überbringst den restlichen Bewohnern die freudige Neuigkeit. Sie sollen sich hübsch machen und eine Kleinigkeit vorbereiten. Vielleicht kannst du ja mit Henry McMuffel sprechen. Auf mich hört dieser aufgeblasene Geisterfrosch jedenfalls nicht.

      J.J., du kannst mir gern in der Küche helfen!«

      Das Mädchen sieht belustigt hinter dem nervös gestikulierenden Diener her, der sich umgehend an die Arbeit macht.

      Innerhalb einer Stunde ist das Haus von fröhlichen, aufgeregten Stimmen erfüllt. Jeder Bewohner hantiert beschäftigt herum. Lincoln sitzt im Flur und delegiert die Gemeinschaft, was bei Henry McMuffel auf puren Argwohn trifft. Seit Vettels Abreise hat sich der Geisterfrosch in sein Baumhaus verkrochen und höchst beschäftigt an seinen Memoiren geschrieben.

      Afrolino schwebt derweil schnarchend durch’s Haus und Rosinante rennt wütend hinter den losen Blättern her, die sich wie kleine Kinder jagen.

      Die Meerjungfrau Myrrda kann vor lauter Vorfreude gar nicht mehr aufhören zu weinen und Yeta schnitzt mithilfe von Xynthalius’ Klinge eine wirklich außergewöhnliche Eisskulptur.

      Auch wenn die Situation nicht unbedingt angenehmer Natur ist, so ist es in diesem Moment doch ein kleines bisschen wie früher.

      Broaf hängt die Bilder und Fotos der Galerie wieder gerade auf, während J.J. ihr Zimmer aufräumt. Nachdem alle fertig sind, setzen sie sich an den großen Tisch im Esssalon, verspeisen leckere Sandwichs und trinken Orangenlimonade. Erst gegen Abend löst sich die Gesellschaft auf. Alle Bewohner gehen auf ihre Zimmer, um sich für den nächsten Morgen auszuruhen.

      J.J. steht noch mit Broaf in der Küche und räumt das letzte Geschirr weg.

      »Kann ich aufbleiben, bis Großmutter kommt?«, fragt sie den Diener vorsichtig.

      Sie hat sich vorgenommen, nicht mehr frech oder vorlaut zu sein, und sieht ihn schüchtern an. Broaf stutzt, schüttelt aber energisch den Kopf.

      »Nein. Kommt gar nicht infrage! Wir wissen nicht, wann sie eintrifft. Es könnte nach Mitternacht werden! Ich denke, du solltest dich ausruhen und sie morgen früh