Horst Udo Barsuhn

Conn: Happy Years


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      14: Die Moral der Geschichte:

      Die Hauptstraße trennt mein Gebiet vom restlichen Städtchen. Als ich dort entlang gehe, sehe ich ein kleines Mädchen, das einen Schulranzen aufhat und versonnen auf das Display eines Handys stiert. Sie ist gerade dabei die Hauptstraße zu überqueren, ohne nach links oder rechts zu schauen. Plötzlich taucht ein Lkw, mit überhöhter Geschwindigkeit auf und braust heran. Der Fahrer scheint das kleine Mädchen nicht wahrzunehmen, als es die ersten Schritte auf die Straße gemacht hat.

      Jetzt hilft nur noch eine rasche Aktion: Losspurten, abspringen, das kleine Mädchen anspringen und durch den Aufpralldruck auf den Bürgersteig zurücktreiben. Das Mädchen stolpert und liegt jetzt am Boden, ich sitze auf ihr und der rücksichtslose LKW-Fahrer braust einfach weiter durch unser Städtchen und schon nach kurzer Zeit ist er außer Sichtweite. Nun nähert sich eine dickliche Dame und beginnt mit mir zu schimpfen: „Der Kater hat meine Miranda angefallen. Er hat bestimmt die Tollwut und muss erschossen werden“! Jetzt nähert sich stampfend ein großer Mann, es ist 2-Meter Ernstl (ein Winzer und Freund des Katers Coon) und dröhnt mit seiner dunklen Stimme: „Jetzt halt awwer mol doi Schlappmaul“ (Coon Übersetzung: Jetzt halten Sie doch bitte, augenblicklich, Ihren zu groß geratenen Mund mit den unsachgemäßen Aussagen). Sind Sie die Mutter der Kleinen“? Und als die dickliche Frau nickt, hämmert Ernstls Stimme geradezu: „Sie sind mir ja eine schöne Mutter. Haben überhaupt nicht bemerkt, dass ihre Tochter nur auf das Handy gestarrt hat und überhaupt nicht mitbekommen hat, wie der rasende Lkw-Fahrer sie fast überfahren hätte. Der Kater hat ihre Tochter gerettet. Ohne den wäre ihre Tochter durch die Luft geschleudert worden. Sie haben allen Grund dankbar zu sein, dass sie noch lebt“! Die Mutter schnauft ein paar Mal ganz schwer ein und aus, und sinniert nochmals über die Gegebenheiten nach.

      Sehr kleinmütig hat sie dann eingestanden, dass sie selbst, über ihr Handy, mit der Tochter in Kontakt getreten war und so die gefährliche Situation mit herauf beschworen hat. Sehr kleinlaut hat sie dann die Tochter an die Hand genommen und ist mit ihr langsam nach Hause gegangen. Bedankt hat sie sich bei mir nicht, aber das Lob von 2-Meter-Ernstl war für mich auch wertvoller!

      Und die Moral der Geschichte? „Nicht jeder der uns aus dem Gleichgewicht bringt und uns vielleicht zu Boden gehen lässt, ist uns schlecht gesonnen und nicht jeder, der sich mit uns freundlich übers Handy unterhält, tut uns gut“!

      15: Schildkröte Helma:

      Gestern hat es zwar noch geregnet, doch heute ist ein sonniger Tag, der unbedingt zu einem Kontrollgang genutzt werden muss. Ich überlege wieder einmal Angelika und Rebecca aufzusuchen. Die Schildkröte Helma lebt mit Angelika und Rebecca zusammen in der 1.Querstraße. Der gepanzerte Schutz von Helma besteht aus einzelnen, zusammengesetzten und verbundenen Knochenpanzerplatten. Die Platten sind, als zusätzlicher Schutz, mit einer glatten und harten Substanz überzogen. Schon ein gutes Stück bevor ich am Haus Nummer 5 bin, höre ich zwei Mädchenstimmen. Eine vernünftige, gemäßigte, die sich nach Rebecca, der Tochter von Angelika anhört und eine burschikosere, laute Ausdrucksweise, die ich Sabine, einer Freundin von Rebecca zuordne. Rebecca mag ich sehr, aber Sabine ist bei mir registriert unter dem Begriff „zu“: Zu laut, zu hektisch, zu herrisch, zu grob, zu ungestüm, zu rücksichtslos, zu dumm und ich meide ihre Gegenwart. So schleiche ich im Garten herum, lege mich heimlich gemütlich unter einen kleinen Busch und hoffe, dass Sabine bald heim muss, denn es ist bald Mittagszeit und somit auch Essenszeit. Rebecca hat die Schildkröte auf ihren Händen und Sabine streicht mit der Hand grob über den Panzer.

      Plötzlich geht ein Lächeln über Sabines Gesicht: „Rebecca, wir spielen Transporter“! Fragend wird sie von Rebecca angesehen, die dann das Spiel erklärt bekommt: „Die Schildkröte ist der Transporter und da vorn liegt ein runder Gummiring. Den legen wir auf Helma und darauf kommt der durchsichtige Plastikeimer. Dann schippen wir Sand in den Eimer. Mal sehen wie viel Sand die Schildkröte transportieren kann“. Rebecca überlegt: „Aber wenn sie sich dabei weh macht“? Sabine ist siegessicher: „Spielverderberin, der Gummiring ist weich und Deine doofe Schildkröte ist doch gepanzert, was soll denn da passieren“? Rebecca überlegt, kann aber keinen triftigen Grund finden, der gegen das Spiel spricht. Helma wird auf den Boden gesetzt, Rebecca hält sie fest, Sabine legt den Gummiring auf den Rückenpanzer und bringt auch schon den Eimer mit, in den sie vorsorglich schon einigen, feuchten Sand, mit einem Schippchen, eingefüllt hat. Der Eimer wird auf den Gummiring gestellt und Helma losgelassen. Die Schildkröte versucht jetzt langsam von der Stelle zu kommen und kommt auch einige Zentimeter weit, bis Sabine weiteren Feuchtsand einfüllt. Wieder versucht die tapfere Helma sich empor zu drücken und fortzubewegen, aber diesmal geht noch ein kurzes Hochstemmen, bevor sie auf die Erde zurücksinkt und offensichtlich die Unmöglichkeit der Aufgabe einsieht. In der Zwischenzeit hat Sabine nochmals Sand herbeigebracht und wieder eingefüllt. Nach kurzer Zeit ist der Eimer vollständig gefüllt und Helma liegt platt am Boden, vor dem Erdrücken nur durch ihren kräftigen Panzer geschützt, aber an Flucht oder Fortbewegung, ist schon lange nicht mehr zu denken. Sabine grinst zufrieden und Rebecca getraut sich nicht das Spiel abzubrechen.

      Soeben höre ich ein Hausfenster zum Garten aufgehen und Angelika herausrufen: „Sabine, Rebecca, das Essen ist fertig, bitte hereinkommen und vor dem Essen das Händewaschen nicht vergessen“. Freudig rennen die beiden Freundinnen ins Haus, während Helma, wie eine fest einzementierte Schildkröte platt am Boden liegt und nur noch den Kopf, über so viel Unvernunft, schütteln kann. Ich haste aus meinem Versteck zu Helma und drücke den Eimer vom Schildkrötenpanzer. Der nasse Sand hat schon ein erhebliches Gewicht und ich bin froh als der Eimer vom Panzer herunterkippt. Dann habe ich noch den Gummiring von Helmas Rücken genommen und ihr mit einem Pfotenschubs klargemacht, dass es Zeit wird aus dem Blickfeld zu kommen. Helma ist zwar noch etwas erschöpft, kapiert aber schnell, dass ein gutes Versteck derzeit die ideale Lösung darstellt, bevor die Kinder gegessen haben und wieder aus dem Haus kommen. Unter einem Dornengestrüpp hat sie sich dann in Sicherheit gebracht, während ich den Spaziergang durch mein Gebiet fortgesetzt habe. Angelika und Rebecca werde ich ein anderes Mal gezielt besuchen – das heißt, wenn die experimentierfreudige Sabine nicht gerade anwesend ist, denn dieses Mädchen ist für mich „zu nichts zu gebrauchen“.

      16: Elfriede und Peter:

      Die beiden sind verwitwete Mutter und deren Sohn und wohnen in einem gemieteten Haus in unserem Städtchen. Elfriede dürfte die fünfzig Jahrgrenze gerade so geknackt haben und arbeitet in der Cafeteria in einem Krankenhaus. Leicht pummelig und um die 1,60 Meter groß, lacht sie gerne und freut sich an kleinen Dingen des Lebens, wie beispielsweise an einer Hummel die im Flug ihre brummenden Geräusche abgibt, oder auch am blühenden Löwenzahn. Zeit ihres Lebens war die Familie im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit gestanden und deshalb hat sie sich auch immer eine Arbeit gesucht, damit das schmale Familiensalär ausgereicht hat. Selbst als der Ehemann noch gelebt hat, den sie damals schon spitzbübisch als „Mit-Elternteil“ tituliert hatte, war das finanzielle Budget mehr als knapp gewesen, weil der Mann, wegen verschiedenen Krankheiten, schon sehr zeitig zum Frührentner wurde. Das starke Rauchen und der Alkoholkonsum des Familienoberhauptes haben sich ebenfalls nicht positiv ausgewirkt und deshalb auch nicht mitgeholfen seine Gesundheit zu stabilisieren.

      Elfriede ist obwohl sie manchmal zwei oder drei schlecht bezahlte Tätigkeiten miteinander in Einklang bringen musste, eine herzensgute und tolle Mutter für den 20jährigen Peter. In unserem Städtchen sprechen alle Leute nur mit Hochachtung von ihr, denn obwohl sie nicht viel Geld hat, kümmert sie sich um Menschen, von denen sie annimmt, dass es ihnen noch schlechter geht als ihr selbst.

      So durchstreift sie nach ihrem täglichen Arbeitsende noch unser Krankenhaus, unterhält sich mit Krankenschwestern und Pflegern und findet heraus, welche Patienten wenig, oder gar keinen Besuch erhalten. Dann besorgt sie, von ihrem wenigen Geld, eine kleine Schachtel Pralinen oder einige Blümchen und besucht die Kranken. Die sind zunächst überrascht, dass ihnen eine völlig fremde, ältere Frau einen Besuch abstattet, aber Elfriede will nur die Kranken etwas aufmuntern und appelliert an deren Willen wieder gesund zu werden. Die selbstlose Hilfsbereitschaft