Horst Udo Barsuhn

Conn: Happy Years


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im Park ihr nächtliches Unwesen treiben, dann habe ich etwas dagegen. Genau zu dieser Sorte gehören die 5 jungen Heranwachsenden die soeben die Mauerumgrenzung überwunden haben und nun respektlos durch eine Parkanlage laufen, die rechtschaffene Menschen bezahlt, gestaltet und gepflegt haben. Was für einen Sinn soll es haben Weidenzweige abzureißen, Parkbänke mit den Spraydosen zu besprühen und die kleine Konzertmuschel mit Permanentmarkern zu verunstalten? Wieder kreisen die Alkoholflaschen durch die Reihe der fünf. Eine Flasche scheint bereits leer zu sein und wird jetzt heftig auf den Gehweg geworfen, bis die Glasscherben herumspritzen. Gegenseitig stachelt sich die Gruppe zu immer „größeren Heldentaten“ an. Dort werden Blumen herausgerissen, hier eine Sitzbank umgeworfen, dann die nächste Schnapsflasche, durch heftiges Hinwerfen, zum Zerbersten gebracht. Ich folge der Gruppe auf ihrem Weg der Verwüstung, bis mir eine Idee kommt. Ich schlage einen Bogen und bin schon nach kurzer Zeit auf dem Weg, den die „fünf Knallerbsen“ jetzt voraussichtlich gehen werden. Ich springe auf die Mauer, bleibe aber zunächst noch auf einer, nicht von einer Leuchte angestrahlten Stelle und warte den günstigsten Zeitpunkt ab. Als die Gruppe gerade an meinem Versteck vorüberwankt, schlüpfe ich auf der Mauer, vor die Lampe. Auf der gegenüber liegenden Mauer ist jetzt ein großer, sich bewegender, dunkler Schatten einer riesigen Raubkatze zu sehen. Der Nebel fördert noch die Gänsehaut die sich bei den fünf Pantoffelhelden bildet. Als dann noch oberhalb und direkt hinter ihnen das tiefe, knurrende Drohen einer Großkatze zu hören ist, gibt es für sie keine Möglichkeit mehr den Fluchttrieb auszublenden. Alle Flaschen und Spraydosen werden jetzt fallen gelassen, oder auch fortgeworfen, als auch noch einer panisch brüllt: „Das ist der Panther, der schwarze Panther ist direkt hinter uns, rennt, rennt“! Zuvor hatten einige der Jugendlichen ganz schön geschwankt, aber wie die alle jetzt losdüsen können und ohne Rücksicht auf den Nebenmann oder die Nebenfrau sich einen Vorsprung verschaffen wollen, ist einfach bemerkenswert. Immer nach dem Motto: Ich muss vielleicht nicht der schnellste aus der Gruppe sein, es genügt schon wenn ich schneller bin als einige andere, die dann zuerst von der Wildkatze angefallen werden und mir dadurch kostbare Zeit für meine Flucht verschaffen.

      Jetzt fehlt ein Zeitmesser der Sportvereine oder ein Talentcoach, denn so eine Verbissenheit, beim vergleichenden Wettrennen, sieht man sonst nirgendwo. Hier hasten die Teilnehmer so rasant, weil sie glauben sie wären in Lebensgefahr. Ein Hindernislauf in der Kalaharisteppe (südliches Afrika) würde bei einem Vergleich zu diesem vermeintlichen Rennen ums eigene Leben, wie eine Sonntagsschule wirken. Mit wie viel Raffinesse, mit welcher Brutalität, um jeden Zentimeter Vorsprung gerungen wird, Action pur! Arnold und Silvester, wenn ihr das hier sehen könntet, ein begeisternder, neuer Film wäre garantiert. Als Titel würde ich vorschlagen: „Ohne ein Fünkchen Mitleid“.

      Wie man mit zerrissenen Kleidungsteilen, offenen Schnürsenkeln an den Schuhen und Schlapperhosen, so rekordverdächtige Olympioniken zustande bringt ist unbeschreiblich. Ich habe dann die Gruppe weiter verfolgt und mit einigen Tatzenhieben auf die Beine die Fluchtgeschwindigkeit der Gruppe eindrucksvoll belebt. Ans Umdrehen denkt keiner, denn es zählt nur: Rasch weg, Überleben, zum Umgrenzungszaun, und schnell darüber hinweg und weiter rennen, bis die Lungen pfeifen und die Beine vor Erschöpfung zu zittern beginnen. Blaue Flecken sind garantiert als einer der Jugendlichen sich einen Arm in dem Metallzaun einklemmt und dann heftig herauszerrt. Hosen werden zerrissen und einige löchrige Jacken kommen durch die Spitzen der Zaunstäbe zustande. Einer hat sich sogar durch die Zaunspitzen, eine gute Schnittwunde zugezogen, die eine tiefe Narbe hinterlassen wird. Die ist aber immer noch hübscher als die meisten Billigtätowierungen die sich Leute, freiwillig stechen lassen.

      Ich habe dann noch einige Fauch- und Knurrgeräusche nachgeschickt, was zur Freigabe der letzten Kraftreserven der Fliehenden beigetragen hat. Dann habe ich mich in ein Gebüsch zurückgezogen, denn sollte sich jetzt – wider Erwarten – doch einer der flüchtenden Gruppe umdrehen, würde der nur noch geheimnisvolle Nebelbilder erkennen und so schnell als irgend möglich das Gebiet verlassen. Als ich den Rennenden nachsehe, denke ich nur: Was für „Hosseschisser, Angsthasen und Schlappschwänze“ hier davonrennen. Wieder einmal haben sich Weisheiten bewahrheitet: „Nichts ist so schlimm wie die Angst vor der Angst“ und: „Nicht jeder der einen großen Schatten wirft, ist auch ein Gigant“. Und nicht jeder der einen „ungeheuren Schatten“ wirft, oder uns zunächst Angst einjagt, ist auch ein Ungeheuer oder zum Fürchten!

      Am nächsten Tag hat dann die Parkverwaltung die Polizei verständigt, die dann bei der Schadens- und Täteraufnahme leichtes Spiel hatte, denn das Handy eines Gruppenmitglieds konnte zwischen den zerborstenen Schnapsflaschen gefunden werden. Mit Hilfe der Handydaten wurden dann alle, „heimlichen Tunichtgute“ ermittelt. Die Eltern und teilweise die Jugendlichen selbst dürfen sich freuen für die Schäden herangezogen zu werden. Vielleicht ergibt sich dadurch künftig ein pfleglicherer Umgang mit dem Allgemeineigentum.

      Tage später tauchten dann auch einige Spezialisten auf, die auf der Suche nach dem schwarzen Panther sind. Leider hat es in der Zwischenzeit geregnet und so konnten keine Spuren der wilden Großkatze mehr ermittelt werden. Schade drum, denn so wird natürlich diese Geschichte „warm gehalten“ und noch weniger ungebetene Besucher werden sich zu nächtlicher Stunde im Park einfinden. Das Ausbleiben von Chaoten, die nur das Eigentum der Allgemeinheit zerstören, ist dabei mit Sicherheit kein Verlust. Dies ist auch für das Ruhebedürfnis der vorhandenen Vögel und anderer Tiere mehr als vorteilhaft.

      Lieber Freund, bitte sorge dafür, dass die Geschichte mit dem wilden, schwarzen Panther im Park, im Bewusstsein der Öffentlichkeit bleibt und ich dadurch nachts, im See, weiterhin ungestört schwimmen kann. Vielen Dank, auch im Namen der anderen nachtaktiven Tiere, Dein Coon.

      20: Weihnachtsüberraschung auf der Straße:

      Zwischen meinem Städtchen und dem Nachbarort ist ein breiter, befestigter Feldweg, der bei Tag, für die Belange der Rebstöcke und Weinberge Verwendung findet. Bei Nacht und besonders am Wochenende dient diese Verbindung als Schleichweg zum Nachbarort, damit man den Alkoholkontrollen der Polizei entgehen kann. Nur wenige Aussiedlerhöfe für Winzer befinden sich entlang dieses Weges. Einige Wochen vor Weihnachten hat einer dieser Winzer, an der Spitze einer Korkeiche, einen kletternden Weihnachtsmann, aus Kunststoff angebracht. Die Korkeiche steht zusammen mit einigen Olivenbäumen, direkt am Rande der Geheimstraße und der maschinell hergestellte Weihnachtsmann schaut in den Innenhof des Gebäudes.

      Die Pfalz hat normalerweise ein mildes Wetter und so ist die Korkeiche, auch im Winter, mit ihrem grünen Blattwerk gesegnet. Von der Straße aus ist der Fabrikweihnachtsmann nicht zu sehen. Nachdem es dunkel geworden war, bin ich mit meinem Freund Tiger, einem kastrierten Kater, auf dieser Straße unterwegs, weil ich einige Mäuse für den alten Veteranen fangen will und sie ihm ganz frisch überlassen möchte. Tiger war in seiner Jugend von dem Tierhasser Jürgen (siehe Coon: Bände 1 – 4), mit einem Gewehrschuss verletzt worden und hinkt seither auf seiner linken Seite. Die normale Jagd auf Nagetiere fällt ihm deshalb denkbar schwer. Als wir so auf Lauer nach den Geräuschen der Mäuse sind, kommt es, bei auffrischendem Wind, immer wieder dazu, dass der, im Baum befestigte Kletter-Weihnachtsmann pfeifende Geräusche von sich gibt und so unsere Beute in die Flucht treibt, bevor ich überhaupt einen Fangversuch unternehmen kann.

      Ich bin dann, trotz des Windes, konzentriert die Eiche hochgeklettert und habe mich um den weihnachtlichen Kunststoffkorpus gekümmert: Zerren hier, wegdrücken dort, mit den Zähnen das Seil beiziehen, mit den Pfoten die Füße der Plastikgestalt beidrücken. Dann kommt mir der Zufall zur Hilfe, denn plötzlich kippt der Weihnachtsmann über die Baumspitze, auf die Seite der Straße. Durch das Nachziehen des Seiles, hängt der kletternde Weihnachtsmann nun kopfüber. Ich drücke mit den Pfoten jetzt noch die Stiefel in einige Astgabeln und Verzweigungen. Nachdem ich wieder auf dem Boden bin, kann ich den Weihnachtsmann, mit dem Kopf nach unten, jetzt in seiner vollen Pracht sehen: Wenn der Wind etwas auffrischt, drückt er die Spitze des Baumes zur „Betrunkenenstraße“ hin. Der Weihnachtsmann ist jetzt mit dem Gesicht zur Straße, die Arme hängen herab und auch der Sack sieht aus, als wolle er sich augenblicklich vom Rücken lösen. Der weiße Bart, in Verbindung mit der roten Kutte mit dem weißen Fellbesatz, wirken irgendwie gespenstisch. Fast wie lebendig, den herabhängenden Körper zu sehen wenn er in Bewegung ist.

      Tiger