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Schade, tot


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ich weiß es selbst nicht. Ich kann jedenfalls versichern, dass ich da nicht meine Finger im Spiel hatte, ich bin kein Mörder. Und ich bin auch nicht so hässlich, dass man lieber sofort tot umfällt, als mich noch einmal ansehen zu müssen. Auch die Treffen mit mir waren niemals sterbenslangweilig. Zumindest machte es bei den vielen anregenden Gesprächen nie den Eindruck, als würde ich die Frauen zu Tode langweilen.

      Woher ich weiß, dass das Sterben der Frauen nicht durch mich oder meine Art verschuldet ist? Ich bin einfach nicht der Typ dafür. Mir macht Gewalt keinen Spaß, auch nicht die bloße Vorstellung davon oder all die Ballerspiele, die als Grund für die Amokläufe herhalten müssen. Ich lehne jede Form von Gewalt ab, ja selbst Fliegen haue ich nicht an den Scheiben platt und kratze ihre blutigen Überreste vom Fenster. Dann fange ich sie lieber in einem Glas ein und lasse sie draußen wieder frei. Oder ich überlasse sie ihrem Schicksal und gewähre ihnen, in meiner Behausung umher zu schwirren, bis sie die Freiheit von selbst finden oder dahin scheiden. So einer bin ich. Ein friedfertiger Mensch, der auch noch nie Gewalt zu spüren bekommen hat, weil ich einfach zu unscheinbar bin für die meisten Menschen. Nicht einmal wichtig genug, um gedemütigt und gepeinigt zu werden. Stattdessen werde ich einfach kurz angelächelt und dann ignoriert. Als sei ich gar nicht existent. Aber das macht mir nichts aus. Solange man mir nichts tut, habe ich meine Ruhe und ich liebe Ruhe. Braucht man aber einmal meine Hilfe, bin ich sofort da. Eben der nette Kerl von nebenan, wenn man so will. Einer, der gern die Pakete der Nachbarn annimmt, wenn sie nicht da sind, der die Blumen gießt, wenn jemand in den Urlaub gefahren ist. Dabei kann man sich sicher sein, dass ich nicht einfach irgendwelche Schubladen öffne, in privaten Dingen herum schnüffle oder sonst in irgendeiner Weise die Situation ausnutzen würde.

      Jetzt wissen Sie, wie ich bin und können mir glauben, ich bin bestimmt kein brutaler Killer. Wer ich bin? Habe ich mich noch nicht vorgestellt? Mein Name ist Rolf. Rolf Mein. Mein wie Dein. M – E - I – N.

      Wenn Sie es ganz genau wissen wollen, ich heiße mit vollem Namen Rolf Rodrigez Gerd Mein und bin 32 Jahre jung. Kein wirklich origineller Name, ich weiß, aber ich hatte damals leider nicht so viel Mitspracherecht. Den Zweitnamen habe ich übrigens meiner Mutter zu verdanken, die ein großer Spanien - Fan war, Land und Leute liebte und ich vermute, sie hatte eine Affäre mit einem Kerl, der diesen Namen trug - Rodrigez. Genau gewusst habe ich es allerdings nie. Sie hat das Geheimnis um meinen Zweitnamen mit ins Grab genommen und mich im Glauben lassen wollen, aus mir solle eines Tages ein heißer Latino werden, ein Frauenheld, was sich mit meinen beiden übrigen Vornamen aber dann doch eher schwierig gestaltet.

      Gerd heiße ich, weil dieser Name in der Familie meines Vaters Tradition hat. Auch er heißt so, ebenso sein Vater und dessen Vater. Wie weit dieser scheußliche Name nun im Stammbaum zurück reicht, weiß ich nicht. Und Rolf? Naja, ein Allerweltsname und er passt zu mir. Nicht sonderlich spektakulär, nicht außergewöhnlich attraktiv und ebenso schnell wieder aus dem Gedächtnis zu löschen wie sich ihn einzuprägen. Aber wie gesagt, es sind nur Namen.

      Meine Hobbys sind Spaziergänge im Park, Kino – ich mag Liebeskomödien -, ab und an gehe ich auch mal angeln und regelmäßig ins Fitnessstudio. Ich habe eine große Schwäche für Pralinen, weshalb man mir nicht ansieht, dass ich viel trainiere, und liebe gutes Essen. Meine Lieblingsfarbe ist braun. Ein helles unauffälliges braun oder beige. Ich bin nicht kleinkariert mit Seitenscheitel und Bundfaltenhose. Nein, ich bin der Jeanstyp und trage seit Jahr und Tag meine alte braune Lederjacke. Mein Markenzeichen -könnte man sagen- ist mein Hut. Ohne Kopfbedeckung gehe ich nicht aus dem Haus – niemals!

      Sie wollen mehr wissen? Was könnte ich Ihnen noch erzählen, ohne Sie gleich zu langweilen? Ich bin nicht sonderlich groß, auch nicht übermäßig gebildet mit Doktortitel oder Professur, aber habe das Herz am rechten Fleck, wie man so schön sagt, stehe mit beiden Beinen fest im Leben und pflege einen geordneten Tagesablauf. So. Jetzt kennen Sie meinen Standardtext, den ich in Chatportalen und beim Speed - Dating benutze. Die einzige Möglichkeit für mich, überhaupt mit Frauen ins Gespräch zu kommen ohne gleich auf die Ignorierliste gesetzt zu werden.

      Wenn ich mich beschreiben müsste, würde ich wohl sagen, ich bin der klassische Bürotyp, nicht der Hengst, eher der Maulesel. Groß, kräftig und belastbar, aber weder äußerlich noch charakterlich erwähnenswert attraktiv. Eben kein Charmeur, der Frauen mit einem umwerfenden Erscheinungsbild und Gesäusel in die Federn bekommt. Eher der, den sich alle Frauen sehnlichst wünschen und mich dann doch lieber gegen den Chauvi eintauschen, nur um dann jammern zu können, dass sie lieber einen Mann mit Herz statt mit Muskeln hätten. Ja, Frauen wollen keine netten Kerle, zumindest nicht als festen Freund, nur als besten. Dabei bin ich mit Sicherheit einer der Männer, der zwar nicht der Traum aller Schwiegermütter ist, aber – und jetzt folgt ein großes ABER – mit mir macht man auch nichts falsch, würde wohl jede Mutter über mich sagen. Wenn dieser Missstand mit dem Sterben wäre...

      Kapitel 1

      Es war mein achtundzwanzigster Geburtstag, als die ganze Misere ihren Lauf nahm. Ich hatte ein paar Freunde und meinen Vater in ein hübsches Café zu Kuchen eingeladen, um ein bisschen den Tag meiner Geburt in kleiner Runde zu feiern. Da mein Geburtstag auf den 29. Februar fällt, können Sie sich sicherlich denken, dass Grillabende und Gartenpartys unvorstellbar für meine Feier sind. Was ich angesichts der Tatsache, wie solche Abende meistens verlaufen, auch nicht weiter tragisch fand. Ich kann mir Besseres vorstellen, als irgendwann umgeben von Besoffenen zu sein, die den besonderen Tag, meinen Geburtstag, nur noch mit lautem Gegröle und Herumgemache zu würdigen wissen. So habe ich mich eben für ein hübsches kleines Café entschieden.

      Mein Vater erschien an jenem Tag mit seiner neuen Lebensgefährtin, der fünften, seitdem meine Mutter vor zwei Jahren verstorben war. Und auch mein bester Freund und Arbeitskollege Eddy – der eigentlich Edgar hieß – kam in Begleitung einer hübschen, vollbusigen Brünetten. Frauen wie sie waren allem Anschein nach der Lohn für stahlharte Muskeln und makellose, weiße Zähne, denn Eddy war nie mit einer weiblichen Begleitung erschienen, die nicht die perfekten Maße hatte.

      Zu guter Letzt kam noch Maria zur großen Sause. Sie kam allein, was niemanden verwunderte, denn ihr Äußeres gepaart mit ihrer ehrlichen, groben und direkten Art machte vielen Männern (und Frauen) mächtig Angst. Aber genau deshalb mochte ich sie. Sie war der Kerl, der ich immer sein wollte. Sie war so etwas wie mein eigenes Ich in einem Paralleluniversum, wenn es denn eins gab.

      Der Nachmittag im engen Kreis war ... nett. Die Frauen verschlangen ein Tortenstück nach dem anderen und schwärmten mit sahneverschmierten Mündern davon, wie traumhaft doch das Gebäck schmecke und wie viel Sport sie die nächsten Tage machen müssten, um die Kalorien wieder loszuwerden. Dann kicherten sie und schoben sich die nächste volle Gabel in den Mund. Maria hingegen blieb bei Kaffee und Kalorien zählte sie auch nicht, was sie in meinen Augen noch sympathischer machte, obwohl das eine oder andere Gramm mehr an ihrem Körper sicherlich nicht schlecht ausgesehen hätte.

      Die Geschenke in jenem Jahr waren die Gleichen wie immer, allesamt bezogen auf mein Singledasein. Es mutierte mit der Zeit zum Running Gag, dass ich noch nie eine wirkliche Freundin hatte, noch nie zum “Schuss” gekommen war. Aber um ganz ehrlich zu sein, mir stand auch nie der Sinn danach. Ich mochte Frauen und ich hätte gern eine Freundin gehabt, aber ich war dem weiblichen Geschlecht einfach nicht attraktiv genug und ich konnte es ihnen auch wahrlich nicht verübeln, dass keine von ihnen mehr wollte als bloße Freundschaft. Darum habe ich mich nicht nur mit der Rolle des Kumpels abgefunden, ich habe mich mit ihr angefreundet und muss sagen, dass es Vieles leichter macht zwischen Männern und Frauen, wenn keine Gefühle mit im Spiel sind, zumindest trifft diese Erkenntnis auf mich zu.

      Ich war immer überzeugt davon, eines Tages würde ich der Richtigen schon begegnen und sie wäre dankbar dafür, dass ich vor ihr nicht schon mit 30 anderen im Bett war. Meine Gäste allerdings sahen das ganz anders. Sie, vor allem Eddy und mein Vater, zogen mich vor allen Leuten damit auf, dass ich mit meiner Ideologie klingen würde wie ein kleines Mädchen. Man müsse endlich mal einen richtigen Kerl aus mir machen, Maria wäre dafür doch die perfekte Braut! Immerhin hatte sie allem Anschein nach die dicken Eier in der Hose, die mir ohne Zweifel fehlten. Haha.

      Ich