AeNNiE Rupp

Schade, tot


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meinem Profil! Schön, dich hier begrüßen zu dürfen. Ich finde es immer sehr schwer, sich selbst zu beschreiben, aber ich will es gern einmal versuchen. Ich bin neu hier und auf der Suche nach netten Kontakten. Alles kann, nichts muss, sage ich immer. Wenn du also auf der Suche nach einem netten und bodenständigen Mann bist, der tiefgehende Gespräche pflegt und lange Spaziergänge in der Natur liebt, würde ich mich über eine Nachricht von dir sehr freuen!”

      Natürlich prüfte ich noch einmal alles auf Grammatik und Rechtschreibung, bevor ich den Text zur Überprüfung einreichte, denn nichts ist peinlicher als ein Profil, das mit nichts als Fehlern glänzt. Und es sollte doch niemand denken, ich als Bürotyp sei zu dämlich, ein paar einfache Worte korrekt einzutippen.

      Geschafft. Zu guter Letzt fehlte noch das passende Profilfoto, aber das war ein Leichtes, denn die Bilder von Maria waren allesamt super! Professionell und dennoch wirkten sie privat genug um nicht auszusehen, als habe ich extra einen Fotografen anheuern müssen, um mich in ein halbwegs annehmbares Licht rücken zu lassen.

      Nun wurde mein Profil im letzten Schritt geprüft und endlich freigegeben. Ich konnte sofort loslegen und schreiben! Aber ich traute mich nicht. Lieber wartete ich erst einmal ab, ob sich von selbst etwas tun würde. Abgesehen davon hatte ich keine Ahnung, was ich hätte schreiben können. Ich war ja schon immer überfordert damit gewesen, die richtigen Worte zu finden, um jemanden anzusprechen. Beim Schreiben schien ich die gleichen Probleme zu haben.

      Ich hoffte insgeheim, jemand würde sich auf mein Profil verirren, aber ich blieb skeptisch. Doch dann … Tatsächlich! Die erste Besucherin! Aber leider hinterließ sie keine Nachricht. Also beschloss ich, die Initiative zu ergreifen und schrieb nervös: „Hallo, wie geht es dir?” Nachdem ich auf „senden“ gedrückt hatte, atmete ich einmal kräftig aus. Mein Mut hatte mich gerade selbst überrascht. Aber dieses aufgeregte Gefühl, das sich in mir ausbreitete, war überwältigend. So konnte das Ganze hier gern weiter gehen!

      Dann wartete ich ab. Nichts. Ich schrieb jede Frau an, die sich mein Profil ansah, aber keine von ihnen machte sich die Mühe, mir zu antworten. Dementsprechend schnell sank natürlich auch meine anfängliche Euphorie. Ich war wohl im Netz wie im realen Leben – nicht weiter der Rede wert. Schade, aber hatte ich ernsthaft etwas anderes erwartet?

      Auch nach meinem zehnten Versuch einer Konversation ergab sich rein gar nichts und so saß ich am Schreibtisch, den Kopf auf die linke Hand gestützt und betrachtete ein wenig frustriert den Bildschirm. Hin und wieder klickte ich auf einige Frauenprofile, schrieb aber nichts. Dann plötzlich riss mich ein ´Pling´ aus dem Loch, in das ich allmählich sank. Sofort schreckte ich hoch und sah nach, was das Geräusch zu bedeuten hatte. Haha, man mag es nicht glauben, aber ich hatte soeben meine erste Nachricht erhalten. Von ´Dreamgirl´.

      Sie schrieb: „Hallo einsamer Wolf, schönes Foto :)” Ich klickte sofort auf „Antwort schreiben“ und legte los: „Vielen Dank, Dreamgirl, du scheinst auch eine sehr hübsche Frau zu sein. Wie geht es dir?”

      Der Anfang war damit getan und es lief. Zumindest mit ihr. Zugegeben, sie war nicht wirklich hübsch und aus eigener Erfahrung wusste ich ja, wenn das Bild schon nicht viel her gab, würde einen die Realität nur noch weniger vom Hocker hauen. Aber wir schrieben uns und dass ich das eine oder andere Mal etwas flunkerte, brauchte sie ja nicht zu wissen.

      Wir texteten noch bis spät in die Nacht, dann verabschiedete sie sich mit den Worten, wir sollten in den nächsten Tagen unbedingt noch einmal miteinander schreiben. Gehört habe ich von ihr seitdem nichts mehr.

      Am nächsten Morgen rief ich gleich Maria an. Ich entschuldigte mich bei ihr, sie so unsanft hinaus geworfen zu haben und bedankte mich für die tollen Geschenke. Ganz aufgeregt erzählte ich ihr von ´Dreamgirl´ und welche intimen Details sie im Chat mit mir teilte.

      „War bestimmt ein Kerl”, entgegnete Maria schroff. „Spinner gibts da Haufenweise! Also pass gerade bei so Namen wie ´Dreamgirl´ auf, dahinter verbergen sich meist irgendwelche fetten Perversen, die nur darauf warten, dass du dich nackt vor der Kamera zeigst.” Ich stutzte. „Aber ich bin doch ein Mann!”, sagte ich und hörte Maria lauthals lachen. „Homos und Transen gibt es in deiner Welt wohl nicht!“ Sie bekam sich überhaupt nicht mehr ein vor Lachen, was mich gleichermaßen verärgerte und zur Scham trieb. Gut, dann bin ich wohl auf einen Mann herein gefallen. Na und? Das Gespräch war trotzdem aufschlussreich – sehr sogar.

      Maria bot mir an, im Laufe des Tages vorbei zu kommen, damit wir noch ein wenig an meinem Profil herum feilen konnten. Sie wollte unbedingt, dass sich mehr Frauen auf meine Seite verirren. Ich willigte leider ein, denn kaum war sie bei mir und ich präsentierte stolz meinen Account, hagelte es Kritik. Der Name sei langweilig, der Profiltext gleiche denen aller anderen. Überhaupt nichts gefiel ihr. Außer das Bild natürlich, aber auch nur, weil sie es gemacht hatte. Sie kam mit tausenden Verbesserungsvorschlägen daher, ich lehnte sie allesamt ab. Dann war mein Profil eben langweilig. Aber unter diesen Umständen passte es wenigstens zu mir. Es blieb also alles so wie es war.

      „Ändere wenigstens deine Mailtexte. Kein ödes ´Hallo, wie geht’s? ` Das schreiben sie alle und es ist so ätzend. Ich meine WIRKLICH langweilig! Mach jeder Frau lieber ein Kompliment zu ihrem Profil, zu ihrem Bild oder zeig Interesse an ihrem Beruf oder zu was auch immer sie eingegeben hat. Schreib was Originelleres, irgendwas, bei dem sie neugierig wird.” Das war endlich mal ein vernünftiger Vorschlag, mit dem ich arbeiten konnte. Doch so sehr ich auf Marias Unterstützung gebaut hatte und glaubte, sie könne mir bei den ersten Flirtversuchen mit Rat und Tat zur Seite stehen, sie musste schon wieder weg und ließ mich im virtuellen Single – Dschungel allein.

      Es war Sonntag. Ein trüber und grauer obendrein. Dementsprechend viele Frauen waren online und sie alle beschwerten sich über das Wetter. Jede von ihnen schrieb, wie gern sie jetzt am Strand läge bei angenehmen Temperaturen. Und ich dachte immer, nur ich sei einfältig.

      Ehrlich gesagt mochte ich dieses Wetter. Ich fand es schön, wenn kaum jemand draußen unterwegs war, wenn die bunten Regenschirme in den Straßen leuchteten. Das war schön, wenn auch nur für mich und scheinbar stand ich mit dieser Auffassung ganz allein – im Regen. So klickte ich allmählich etwas genervt auf den Profilen herum, las mit Desinteresse die immer gleichen Nachrichten, wo sich nur die Bilder voneinander unterschieden. Klar, ich hätte auch einfach den Laptop ausmachen können. Und dann? An solchen Tagen gab es kaum Alternativen zum öden Chat, wenn man allein war. Doch dann wurde mein dunkles Gemüt endlich erhellt!

      ´Pling´

      „Ist das nicht ein herrlicher Tag heute? :)”

      Ich war gerade in der Küche, als ich die Nachricht erhielt und kaum hatte ich die Zeilen gelesen, war ich hin und weg. Ja, endlich jemand, der einen tristen Tag zu schätzen wusste!

      „Ja, ich finde ihn ganz wunderbar! Das perfekte Wetter, um einfach mal die Füße hoch zu legen, einen Tee zu trinken und wieder ein gutes Buch zu lesen.”, schrieb ich zurück.

      ´Pling´

      „Das mache ich gleich auch. War auch schon draußen spazieren. Es ist schön, wenn man die Stadt einmal ganz für sich allein hat. Wie heißt du? Ist Rolf dein richtiger Name?”

      Ich zögerte. Wenn sie meinen Namen nicht mögen würde, würde sie sicher auch nicht mehr weiter mit mir schreiben wollen. So dachte ich zumindest, aber andererseits, warum ihr etwas vormachen? Früher oder später würde sie es vielleicht ohnehin heraus bekommen und dann stünde ich reichlich dämlich da mit meiner Lüge. Also tippte ich:

      „Ja, ich heiße wirklich Rolf. Kein toller Name, dafür aber ein toller Kerl.”

      Noch ehe ich handeln konnte, drückte mein Unterbewusstsein auf absenden. NEIN! Das konnte ich so doch nicht abschicken! Jetzt war es auch zu spät. Entgegen meiner Vorstellung ertönte das Nachrichtensignal kurze Zeit später wieder.

      ´Pling´

      „Ich finde deinen Namen schön. Endlich mal etwas anderes als immer diese typischen Namen. Deine Eltern haben wohl geahnt, dass aus dir später mal kein gewöhnlicher Mann werden würde! Dein