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Schade, tot


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rief ich Maria an. „Wenn mir jemand schreibt, mein Name sei toll und ich sei attraktiv und diese Person nennt sich Ava1511, ist das dann auch ein Kerl?”, fragte ich wohl leicht hysterisch, denn ich wollte nicht wieder auf ein Fake hereinfallen.

      Maria kicherte in den Hörer. „Hat sie ein Bild von sich drin?”, erkundigte sie sich. Ich klickte auf Avas Profil.

      „Ja, ein sehr hübsches sogar!”, entgegnete ich.

      „Sieht es aus wie ein Modelbild aus dem Internet gezogen?”

      Ich legte den Kopf schief und betrachtete das Foto. „Nein, eigentlich nicht.”, stellte ich fest.

      „Klingt ihr Profiltext wie der Dialog eines dummen Blondchens in einem Porno?”

      Ich stutzte. Was ging Maria bloß durch den Kopf? „Nein”, sagte ich erneut. „Sie schreibt, dass sie einen echten Kerl sucht, der mit Verstand und Herz punkten kann. Sie sagt, sie hätte lieber ´einen Klugscheißer als einen Dummschwätzer´. Ist das ein Pornodialog?“

      Maria lachte laut los. „Nein, definitiv nicht! Worauf wartest du? Schreib weiter mit ihr, mach ihr Komplimente, lass nicht locker. Die scheint dich wirklich toll zu finden!” Dann legte Maria wieder auf und überließ mich wieder selbst meinem Schicksal.

       Kapitel 2

      Mein Name ist Amanda. Amanda Meier. Meier mit „i“, nicht mit „y“. Eine Tatsache, die viele gern vertauschen. Aber das nur nebenbei bemerkt. Ich bin 39 Jahre alt und von Beruf Polizistin. Ich weiß, was Ihnen jetzt durch den Kopf geht ´nicht wieder eine dieser Ordnungshüterinnen, die auf wichtig macht` und ich kann versichern, so eine bin ich nicht. Nicht mehr.

      Am Anfang meiner Laufbahn war natürlich die große Euphorie an erster Stelle. Den Zettel in der Hand zu halten, der schwarz auf weiß belegte, dass ich wirklich an der Polizeischule angenommen wurde, war MEIN großes Ziel. Ich war damals so motiviert, wie man es frisch mit Abi in der Tasche nur sein konnte, wenn es darum ging, seinen Traumberuf bald endlich erlernen zu können. Ja, ich wollte schon immer zur Polizei, Mordfälle lösen, Verbrecher jagen, Drogenkartelle hochnehmen, Überfälle verhindern. Für mich war das einer der Berufe, die wenig mit mädchenhaftem Getue zu tun hatten, denn wirklich tussig war ich wohl nie. Zumindest gehörte ich nicht zu der Sorte Frauen, die weinten, wenn ihnen einer ihrer Plastiknägel abbrach, stets geschminkt aus dem Haus ging oder für Schuhe sterben würde.

      Ich ging lieber logisch an Probleme heran und versuchte eine Lösung zu finden, anstatt sie wegzuschminken, als sei nichts gewesen. Fortan würde ich also in einer Liga spielen, in der das Aussehen wirklich keine Rolle zugeteilt bekam, sondern es auf taktisches Kalkül und beherrschte Vorangehensweisen ankam. So glaubte ich zumindest. Doch der erste Tag an der Polizeischule belehrte mich eindeutig eines Besseren.

      Alles, was ich bis dahin über den Beruf glaubte zu wissen, war falsch, wie ich schnell feststellen musste. Um mit den anderen mithalten, ja überhaupt wahrgenommen werden zu können, zählten keine Erfolge. Es kam auch nicht darauf an, wie geschickt, klug oder beherrscht man war. Aussehen, es war einzig und allein das Äußere, auf das jeder achtete. Meine Niederlage stand also fest lange bevor ich überhaupt eine Chance hatte zu beweisen, was ich an wirklichen Qualitäten vorweisen konnte, die mehr mit dem Job zu tun hatten als eine tödliche Schusswaffe in besonders gepflegten Händen zu halten. Doch das interessierte hier niemanden. Stattdessen spalteten sich alle angehenden Polizisten meines Jahrgangs in zwei Lager.

      Auf der einen Seite gab es die Jungs, allesamt schlank und mehr oder weniger durchtrainiert, aber dafür fit und auf ihre eigene Weise durchaus attraktiv. Auf der anderen Seite waren die Mädels, ihre perfekten Haare zum lockeren Pferdeschwanz gebunden, Sonnenstudio gebräunt mit glänzend weiß gebleechten Zähnen, dem richtigen Make – up und dem, was sie wohl alle auszeichnete, als sei es eine geheime Frauenuniform – Perlenohrringe. Keine echten natürlich, sondern diese Billigdinger aus dem Billigladen für Accessoires, wo sie sicherlich auch ihre schmucken Halstücher her hatten, die sie sich nach getaner Arbeit umlegten als seien sie das Erkennungszeichen „Ich gehöre zur Polizei“.

      Ich stand irgendwo dazwischen mit meiner damaligen Kurzhaarfrisur, meinem nach Geschlecht nicht definierbaren, einfach nur dünnen Körper und der unsicheren Art, die mir schon immer im Weg stand. Ich glaube, mir war bereits am ersten Tag mehr als bewusst, dass die Polizeischule für mich alles andere als ein Spaziergang werden würde. Und genau diese Befürchtung wurde mir dann auch rasch bestätigt, als es darum ging zu beweisen, was man auf dem Kasten hatte. Ich stöhnte nicht vor Anstrengung, wenn es hieß, die eigene Fitness unter Beweis zu stellen. Nein, ich biss meine Zähne zusammen und powerte mich aus. Ich rannte, als hinge mein Leben davon ab, ich kletterte, als wäre der Teufel persönlich hinter mir her und schwitzte wie ein Schwein.

      Gut, mein Ehrgeiz wurde von den richtigen Leuten belohnt, ich bestand diese Schule mit Bravour und konnte direkt loslegen mit den Kriminalfällen. Aber bis dahin musste ich die Häme der anderen irgendwie überstehen. Es ist nicht schön, wenn man von allen Seiten gedemütigt und schikaniert wird. Wenn man in Duschen gezogen wird, sie einem die Klamotten vom Leib reißen, um zu sehen, ob man wirklich zu den Frauen gehörte und nicht einfach nur ein Spanner war. Ebenso wenig toll fand ich es, von allen Kerlen begrapscht zu werden mit den Worten wie geil es doch sei, eine Frau anzupacken, die wie ein Kerl aussähe und sich auch so anfühle, auf diese Weise kämen sie sich wenigstens nicht schwul vor. Schön, dass immerhin IHR Gewissen damit beruhigt gewesen ist, nicht wahr?

      Ich hasste sie alle, träumte immer wieder davon, sie „versehentlich“ bei einem Einsatz abzuknallen, aber ich verdrängte es so gut ich konnte. Es war mein Ziel vor Augen, das mich davor bewahrte, in Selbstmitleid zu zerfließen und mich für sie und mich gleichermaßen zu schämen oder eine Dummheit zu begehen. Ich wollte die beste Ermittlerin sein, die es gab. Ich wollte zu denen gehören, die über Leipzig hinaus bekannt dafür war, eine wirklich gute Polizistin zu sein, deren Ratschlag überall auf der Welt gefragt war. Davon konnte mich niemand abhalten, auch nicht diese dämlichen Affen, die sich später meine Kollegen schimpften.

      Deutschland war dabei ehrlich gesagt nie das Land meiner Wahl gewesen, denn hier passierte so gut wie nie etwas Spannendes, zumindest nichts, das mein Interesse geweckt hätte. Und falls es mal zu einem wirklich interessanten Fall kam, wurde ich nicht dazu geholt, ich war ja „Die Neue“ und noch zu unerfahren. Der Papierkram sei aber eine gute Vorbereitung auf die bald folgende reale Polizeiarbeit auf der Straße, hieß es. So musste ich mich damit auseinander setzten, wie viele und welche Gartenzwerge in Nachbars Garten stehen durften, welche Brunnen und Häuschen den Rasen zieren konnten, ohne dabei als belästigend oder störend empfunden zu werden.

      Es war lästig, öde, eintönig und langweilig. Kurz gesagt, ich hasste meine Arbeit. All die Jahre, die ich mich in der Schule angestrengt hatte, um Polizistin werden zu können, mir die Nächte um die Ohren schlug, um in der nächsten Mathearbeit eine Eins zu schreiben, all das, damit ich hin und wieder Streife fahren und einschreiten durfte, wenn einer nach 22 Uhr seine Musik einen Tacken zu laut gedreht hatte und sich die Alte aus dem Erdgeschoss wieder beschwerte. Weniger wegen des Lärms, die Dame war ohne ihr Hörgerät nahezu taub, sondern einfach nur, um sich beschweren zu können. Sie hasste den Nachbarn aus der zweiten Etage, diesen jungen Kerl mit den bunten Haaren, diesen Studenten, der sich die Wohnung sicher nur mit dem Verkauf von Drogen leisten konnte. So zumindest lauteten ihre Anschuldigungen. Und ich vermutete, sie war einsam, da ist es natürlich schnell überlegt, die 110 zu wählen, denn da kann man sich sicher sein, dass einer ans Telefon geht, sich ihre Sorgen anhört und im Ernstfall sogar einen Besuch abstattet. Trauriges Leben. Ich habe mir geschworen, niemals so zu enden, aber dann musste ich mir doch eines Tages eingestehen, dass ich längst ein ebenso tristes Leben mein eigen nannte.

      An den Wochenenden übernahm ich immer wieder die Schichten der anderen, denn im Gegensatz zu ihnen hatte ich weder eine Beziehung, geschweige denn eine Familie oder irgendwelche nennenswerten Hobbys, die mich samstags oder sonntags vereinnahmten. Dass ich kein wirkliches Partytier bin, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.

      Trotz alledem hoffte ich, in Leipzig, meiner Heimat, die ersten schweren Verbrechen meiner