AeNNiE Rupp

Schade, tot


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gerate auch heute noch ins Schwärmen…

      Und dann wendete sich das Blatt – natürlich, wie sollte man es auch anders erwarten. Während ich mich völlig unbeherrscht darauf einstellte, mich ihm willenlos hinzugeben, nutzte er die Gunst der Stunde um sich meinen Schlüsselbund zu greifen und so schnell er konnte Reißaus zu nehmen. So lag ich da. Halbnackt. Noch nicht wirklich ganz bei der Sache, als er im Flur auch schon wieder geschnappt wurde. Gedemütigt wie es keiner jemals zuvor geschafft hatte. Benutzt. Ich ekelte mich so entsetzlich vor mir selbst und das Lachen meiner Kollegen machte es keinesfalls besser. Eiligst griff ich nach meinen Habseligkeiten, zog mich so schnell ich konnte wieder an und beendete ordnungsgemäß die Schicht, als sei nichts gewesen. Natürlich wurde ich tags drauf zum Chef gerufen, der mich prompt beurlaubte, bis man eine neue Stelle für mich gefunden hatte, denn immerhin stellte man trotz diesen Mallörs außer Frage, dass ich eine gute Polizistin war.

      So hieß es dann bei meiner Versetzung, der Inhaftierte habe mich unter noch ungeklärten Umständen in seine Zelle bekommen und versucht zu vergewaltigen, weshalb es mir nicht möglich sei, weiterhin dort zu arbeiten. Man suchte mir eine Dienststelle, die weniger gefährlich war. Und so musste ich mich schon mal mit dem Gedanken anfreunden, wohl nicht in Zukunft auf den Straßen New Yorks auf Verbrecherjagd zu gehen, sondern mich wieder zornigen Gartenzwergbesitzern zu widmen.

      Wo mich das Schicksal dann allerdings hinführte konnte nur ein schlechter Scherz sein. Sackeifel! Was auch immer genau oder welche Orte präzise damit gemeint sein soll, ist mir bis heute ein Rätsel, aber scheinbar bin ich mittendrin oder so weit davon entfernt, dass es für all die Wissenden um mich herum einfach amüsant ist zu sehen, wie ich mich in meiner sicheren Unwissenheit wiege.

       Kapitel 3

      Mittlerweile sind bereits 14 Jahre vergangen seit ich hierher versetzt wurde in das beschaulich kleine Polizeipräsidium des Rentnerparadieses Bad Neuenahr. Zugegeben, es ist eine wirklich hübsche Stadt, wenn man viel Wert auf angelegte Natur, einen kleinen Fluss, zahlreiche Krankenhäuser und Luxusunterkünfte legt. Hätte man mich hierher geschickt, um meinen wohlverdienten Ruhestand inmitten idyllischer Weinberge zu genießen, ich hätte es mit Handkuss entgegen genommen. Aber ich war jung und wollte Action. Die gab es hier nicht. Nicht mal ansatzweise. Da wurde es auch schon mal schnell zum Highlight des Tages, wenn die Kaffeemaschine gereinigt werden musste.

      Bevor ich dorthin zog, hielt ich Bad Neuenahr für eine große und überfüllte Stadt, gerade auch wegen der zentralen Lage in der geringen Entfernung zu Bonn, Köln oder Koblenz war ich überzeugt davon, in Neuenahr zu wohnen sei eine denkbar schlechte Idee, wenn man nach einem anstrengenden Arbeitstag zur Ruhe kommen wollte. Deshalb fackelte ich nicht lange, als ich in einer Annonce ein kleines Häuschen entdeckte, das sich nur wenige Autominuten von der Polizeidienststelle befand. Und das Beste an der ganzen Sache war, das Haus war nicht nur günstig und zentral gelegen, es war top modernisiert und das zu einem Spottpreis. Als ich am Telefon fragte, wo denn da der Haken sei, sagte man mir, es gäbe keinen, außer, dass es eben direkt an der Verkehrsstraße läge. Aber wie viel Verkehr kann man in einem Ort, der sich Lohrsdorf nennt, schon erwarten. Anwohner dürfen jetzt einmal lachen!

      Ohne das Haus zuvor besichtigt zu haben, schlug ich sofort zu, ließ mir den Mietvertrag zuschicken und sendete ihn postwendend unterschrieben zurück, damit mir keiner die Immobilie vor der Nase wegschnappen konnte. Wie sich im Laufe der Zeit herausstellte, hätte sich wohl so schnell auch kein anderer Mieter gefunden als ich. Schon nach einer Woche des dort Wohnens habe ich meinen Entschluss bereut. Man versicherte mir, an der Verkehrslage würde sich bald etwas ändern und auch die Politiker sprachen sich dafür aus, schnellstmöglich eine Umgehungsstraße zu bauen, damit die Anwohner endlich Ruhe genießen konnten, weshalb ich meinen Wegzug immer wieder nach hinten verzögerte und mir einredete, bald sei der Lärm ja vorbei und dann wäre ich froh, noch in dem Haus zu wohnen, aber in all den Jahren passierte nichts. Mittlerweile ist es nicht mehr so schlimm, ich habe mich an die dröhnende Geräuschkulisse gewöhnt, mich sogar damit arrangiert. Der Trubel auf der Straße vor meiner Haustür ist jetzt das passende Pendant zu der Ruhe auf der Arbeit. So trete ich eben jeden Dienst mit der Gewissheit an, entspannen zu können, während ich weiß, dass zu Hause der große Bär steppen wird. Ich lebe ganz getreu nach dem Motto „Du kommst nach Lohrsdorf – du bleibst in Lohrsdorf“. Für immer.

      Eines ist mir in all den Jahren, die ich nun hier bin allerdings noch immer nicht gelungen – ein neues Image. Ich bin wohl einfach nicht dazu geschaffen, viele Freunde zu haben, überhaupt reale Freunde zu haben, geschweige denn, einen Partner zu finden. Einen richtigen Partner, keinen Knasti, der mich nur zu seinem Vorteil ausnutzen will.

      So bleibt mir eben doch nur der Chat, die ewige Internetkonversation, über den hinaus nichts läuft. Man lernt sich kennen, schreibt sich ein wenig hin und her, das war es. Noch nie ist es mir passiert, dass einer nach einem Date fragte, nachdem ich ihm Bilder von mir schickte. Und so frustrierend diese Tatsache auch am Anfang für mich war, ich habe mich damit abgefunden. Ich bin kein Mensch, den man zum Freund haben will und wohl auch keiner, den man neben sich im Bett liegen haben möchte. Naja, so brauche ich mich wenigstens nie davor zu fürchten, schwanger werden zu können, denn wenn ich eines nie im Leben haben will, dann Kinder! Ich will nicht, dass irgendjemand nach mir das gleiche Leben wie ich führen muss und dann auch noch mit meinen Genen.

      So bleibe ich dem einzigen treu, das ich habe, meiner Arbeit und dem großen Traum, eines Tages durch meinen scharfen Verstand in die Geschichte der besten Ermittler einzugehen! Bis dahin bleibt mir nichts anderes übrig, als weiterhin gespannt meine Krimisendungen zu verfolgen und zu hoffen, dass auch ich eines Tages so viel Ruhm erlangen würde, dass meine gelösten Kriminalfälle ebenfalls genügend Stoff hergeben, damit eine Sendung ganz allein meiner Glanzleistung gewidmet wird. „Die Fälle der Amanda Meier, zur besten Sendezeit“!

      Kapitel 4

      Ava war wirklich eine Bereicherung für mein Leben. Sie war eine so herrlich unkomplizierte Frau, genoss einfach jeden Augenblick stets so, wie er kam und hatte für jedes Problem eine Lösung parat oder zumindest den passenden Spruch auf den Lippen. Aus einem anfänglich netten Chatgespräch über die Schönheit von Regenwetter wurden ganze Tage, in denen wir uns die Nachrichten hin und her schickten und aus den Tagen wurden schließlich bald Wochen. Es machte ganz den Anschein, als würde mich diese Frau tatsächlich so mögen wie ich war und all meine angeblichen Schwächen und Fehler, die mir jeder vorhielt, sehr liebenswert und nett an mir finden. Durch die Unterhaltungen mit ihr fühlte ich mich in meiner eigenen Art schließlich so bestärkt, dass ich Maria eines Tages anrief um ihr zu sagen, dass ich sie zum nächsten Speed - Dating begleiten würde. Sie war sichtlich überrascht und fragte immer wieder, ob ich mir sicher sei diesen Schritt gehen zu wollen und dass ich es nicht bloß ihr zuliebe tun müsse. Aber ich wollte, ich war fest entschlossen an meiner Lage endlich etwas zu ändern. Auch Ava hieß mein Vorhaben gut, sie fand es durchaus positiv, wenn man im Stande war, alte Gewohnheiten ablegen und neue Ziele verfolgen zu können. Dass ich neben ihr auch andere Frauen kennen lernen wollte war für sie glücklicherweise gar kein Problem. Mit so viel Rückendeckung konnte gar nichts schief gehen!

      Ich berichtete Ava einen Abend vor dem Dating – Marathon, dass ich wirklich und wahrhaftig daran teilnehmen würde und schon ganz aufgeregt war, was mich dort erwartete. Sie gab mir Tipps, welche Gesprächsthemen ich ansprechen könnte, welche Komplimente Frauen hören wollten und was ich zu Anfang besser für mich behalten solle. Themen wie meine tote Mutter oder mein herum hurender Vater waren also tabu. Sollte das Gespräch darauf hinaus laufen, wer meine Eltern sind, würde ich also Ava zufolge einfach antworten, dass ich aus einem gut behüteten Elternhaus stamme und meine Eltern mich stets sehr liebten. Und dann wäre es am besten, einfach wieder die Frauen reden zu lassen, das täten sie ohnehin am liebsten.

      Der große Abend war gekommen und ich lief umher wie ein aufgescheuchtes Huhn. Mit Ava schrieb ich an diesem Tag nicht, sie war mit einer Freundin unterwegs, das war für mich völlig in Ordnung, sie hatte mich mit ihren Worten vom Vortag bereits genug ermuntert. An ihrer Stelle beriet mich Maria. Sie kam wie immer auf den letzten Drücker, gerade