Benedict Dana

Mo Morris und der Supervirus


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die ich eben mit Hilfe Dr. Watsons vermutete, ruft bei Ihnen offenbar keinen Widerspruch hervor, und die Tatsache, dass ich selber im Außendienst aktiv werden soll, weist als weiteres Indiz auf einen besonderen Fall hin.

      Wenn ich so in Ihre Gesichter sehe, liegt für mich etwas in der Luft, was den Staat, das Volk, das Land in seiner Gesamtheit betrifft, irgendetwas, was zwar keine direkte Bedrohung für unser Leben, wohl aber eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt. Gewöhnlicher Terrorismus ist es eher nicht und ich glaube nicht, dass beispielsweise jemand mit der Vergiftung unseres Trinkwassers droht. Aber irgendeine Verwandtschaft dazu gibt es doch, auch wenn ich noch nicht weiß, was es denn nun ist…“

      Er paffte mit stark gerunzelter Stirn angestrengt an seinem Zigarillo herum und löste mit seinen intuitiven Vermutungen – im Gegensatz zu dem völlig lächerlichen Vorfall mit der Waffe – ein anerkennendes Staunen bei den beiden Agenten aus.

      „Ich habe das Gefühl, es kann sich höchstens nur noch um wenige Minuten handeln, bis Sie es uns sagen werden. Man möchte Sie ja wegen ihrer erstaunlichen Hellsichtigkeit schon fast für ein Medium halten“, lobte ihn der jüngere Agent.

      „Nicht übertreiben, Mr. Miller. Nach all meinen Erfahrungen liegt vieles einfach auf der Hand und ist manchmal auch den beteiligten Personen unmittelbar anzusehen. Leider haben viele bloß nie gelernt, exakt genug zu beobachten und die richtigen Fragen zu stellen. Alles ist da, man muss nur die verschiedenen Teile des Puzzles richtig zusammenlegen, um das ganze Bild zu sehen.

      Mich würde interessieren, worin im Allgemeinen Ihre Aufgabe liegt. Sie wirken irgendwie recht klug und fähig auf mich, so als wären Sie in irgendeinem Feld besonders kompetent.“

      „Ihr besonderes Interesse an Mr. Miller beweist, dass Sie auch damit einer Ihrer Intuitionen folgen“, nahm Baker die Antwort seines Kollegen vorweg. „Es ist nämlich so: Wenn Sie sich bereit erklären, uns zu helfen, wird Jayden Miller Ihr Partner sein und Sie in allen praktischen Belangen unterstützen. Er ist ein sehr gut ausgebildeter Kerl, der sowohl praktische als auch theoretische Fähigkeiten besitzt, wenn ihm auch mit seinen 28 Jahren die Erfahrung als Agent in manchem noch fehlt. Jayden hat nicht nur die übliche Ausbildung durchlaufen, sondern kann auch sehr fundierte Kenntnisse in der Informatik vorweisen. Außerdem sei noch erwähnt, dass sein Vater ein sehr hohes Tier in Washington ist.“

      „Informatik, so so, das wird dann ja wohl der entscheidende Hinweis sein, wie? Sie stupsen mich ja direkt mit der Nase darauf zu! Der Fall, um den es geht, könnte also mit der Welt der Computer und des Internets zu tun haben, einer Welt, in der ich leider nur durchschnittlich bewandert bin.“

      „Sie haben die Sache jetzt schon sehr eng eingekreist, Dr. Morris, und ich bin wirklich gespannt, wie Sie jetzt noch auf den letzten und entscheidenden Punkt kommen werden. Ihr Hund wird es Ihnen dieses Mal wohl nicht ins Ohr flüstern können oder wie?“

      Baker wies mit einem spöttischem Grinsen auf Dr. Watson, der sich inzwischen schläfrig zusammengerollt hatte und als einzige Reaktion nur ein wenig sein linkes Auge öffnete und leicht ein Ohr anhob.

      „Wie Sie unschwer erkennen können, handelt es sich bei Dr. Watson um ein noch sehr junges Tier, weshalb man ihn nicht mit übertrieben großen Erwartungen belasten darf.

      Ich muss mich wie so oft allein auf meine Intuition verlassen. Es ist mein Glück, dass mir viele Dinge einfach zufliegen, aber wirklich zuverlässig ist diese Gabe nicht, denn manchmal verlässt sie mich. Heute habe ich zufällig einen guten Tag erwischt, weswegen ich Ihnen hiermit sagen kann, dass der Fall, wegen dem Sie mich aufgesucht haben, mit irgendeiner drohenden Störung im Internet zu tun haben muss. Die meisten Probleme in diesem Bereich werden durch Viren hervorgerufen und so könnte die Sache etwa mit irgendeiner unbekannten, dunklen Macht zu tun haben, welche uns alle, das Land, die Regierung mit einem außergewöhnlich zerstörerischen Virus bedroht.“

      Die beiden FBI-Männer schauten ihn mit unverhohlener Anerkennung an, und nachdem Baker ein paar Mal langsam und leise in seine Hände geklatscht hatte, lobte er ihn:

      „Bravo, Dr. Morris, wirklich nicht schlecht! Vor kaum fünfzehn Minuten standen wir noch als völlig Fremde mit unbekanntem Anliegen vor Ihrer Tür und nun sagen Sie uns direkt auf den Kopf zu, worum es in einem Fall geht, der – nebenbei gesagt – streng geheim ist. Im Großen und Ganzen haben Sie Recht, zumal auch wir die unbekannte, dunkle Macht, von der Sie reden, noch nicht näher identifizieren konnten. Möchten Sie Dr. Morris vielleicht die Einzelheiten erläutern, Jayden, nachdem Sie so lange zum Schweigen verurteilt worden sind?“

      „Gerne, Sir. Der Fall hat bereits die verschiedenen Dringlichkeitsstufen durchlaufen und ist momentan dabei, zu einer der wichtigsten Angelegenheiten im Land zu werden. Die Intelligence Community hat inzwischen alle Geheimdienste in höchste Alarmbereitschaft versetzt und zu engster Zusammenarbeit aufgefordert. Die Stufe, die nun erreicht ist, sieht vor, verschiedene zivile Kräfte, die der Polizei oder verschiedenen Sonderermittlungsbehören nahe stehen, in den Fall mit einzubeziehen. Personen wie Sie, Dr. Morris, werden in unseren Kreisen unter die Kategorie zivile Ermittlungskräfte gefasst, und es kommt nur in sehr seltenen Notlagen vor, dass diese Personenklasse in geheimdienstliche Untersuchungen mit eingeschaltet wird.“

      „Nun, Jayden, wenn ich Sie so nennen darf, es schmeichelt mir natürlich, wenn mich das FBI, das man ja auch als ein wichtiges Bindeglied zwischen Polizei- und Geheimdienstarbeit verstehen kann…“

      Mo unterbrach sich an dieser Stelle, weil er die Haustür laut ins Schloss fallen hörte. Wenige Sekunden später betrat Mrs. Higgins den Salon, musterte die beiden Fremden überrascht und rief mit einer theatralischen Geste lauthals aus:

      „Ach du liebe Güte, schon wieder Polizei! Das letzte Mal als ein paar von Ihrer Sorte da waren, ist Dr. Morris einige Tage später verschwunden und erst nach mehreren Wochen zurückgekehrt. Ich hoffe, das wiederholt sich nicht und Sie machen mich nicht schon wieder arbeitslos!“

      Miller lachte wie immer nur, doch Baker sah den lautstarken Auftritt der ältlichen, stark ergrauten Haushälterin, deren stämmige und rundliche Figur in einem altmodischen, geblümten Kleid steckte, mit solch großem Erstaunen an, dass sich Mo zu der Erklärung gezwungen sah:

      „Sie müssen entschuldigen, aber Mrs. Higgins ist sozusagen die gute Seele des Hauses und für mich inzwischen sehr viel mehr als nur eine Haushälterin…“

      „Wie bitte? Was heißt hier mehr als nur eine Haushälterin? Ist das etwa kein ehrenwerter Beruf für die hohen Herren?“

      Ruths wütender Ton führte für einen Moment zu einem betretenen Schweigen. Obwohl sie meistens freundlich war, ging in fremder Gesellschaft manchmal irgendetwas mit ihr durch und sie versuchte sich in übertriebener Weise Respekt zu verschaffen.

      „Der Grund, warum Mrs. Higgins für mich mehr als nur die höchst ehrenwerte und unersetzliche Funktion einer Haushälterin erfüllt, liegt darin, dass sie in manchen meiner Fälle die Rolle einer hilfreichen Assistentin eingenommen hat. Mrs. Higgins Scharfsinnigkeit und ihr unverstellter, gesunder Menschenverstand, der nicht – wie bei mir – durch ein Übermaß an trockener Wissenschaft verbogen worden ist, hat mir schon oft sehr nützliche Hinweise eingebracht“, schaffte Mo es geschickt, zugleich die empfindliche Ruth zu beruhigen, wie auch den Besuchern eine Erklärung zu geben. Angesichts dieser Lobeshymne beruhigte sie sich sofort wieder und fragte wie ausgewechselt mit aller Freundlichkeit:

      „Darf ich Ihnen vielleicht irgendetwas bringen? Wünschen Sie etwas?“

      „Ja, bringen Sie uns Kaffee und Kuchen, falls von Ihrem fabelhaften Apfelkuchen noch etwas übrig geblieben ist. Übrigens sind diese Herren mehr als nur gewöhnliche Polizisten, denn sie sind vom FBI!“

      Der naive Stolz, der in den letzten Worten durchklang, konnte Ruth nicht wirklich beeindrucken und sie zog mit skeptischer Miene in die Küche ab. Derweil ergriff Baker wieder das Wort:

      „Ich möchte noch einmal betonen, dass die Angelegenheit, wegen der wir Sie aufgesucht haben, von oben bis unten mit dem Stempel Top Secret versehen worden ist. Ich muss Sie daher dringend bitten, nicht etwa Ihre Haushälterin – wie scharfsichtig die gute