Benedict Dana

Mo Morris und der Supervirus


Скачать книгу

Informationen Diamond verfügen könnte und ob er ganz allein an dem Fall arbeitet. Hast du darüber etwas herausfinden können?“

      „Nein. Baker glaubt, dass Diamond sich vor allem für die Belohnung interessiert und er deshalb bereits an dem Fall gearbeitet hat, bevor ihn das FBI kontaktiert hat. Die unabhängige Arbeitsweise, die das FBI ihm zugestanden hat, wirkt sich jetzt als Nachteil aus. Diamond hat nämlich bisher niemandem irgendwelche Arbeitsergebnisse vorgelegt und seitdem er plötzlich verschwunden ist, lässt er tausend unbeantwortete Fragen zurück.“

      „Diamonds ganzes Handeln wird sicherlich nur durch die Aussicht auf die Belohnung bestimmt. Und falls er inzwischen wirklich eine heiße Spur entdeckt haben sollte, hat er wegen der Gier nach dem Geld entweder niemandem etwas davon gesagt, oder er versucht seine Informationen teuer an Dritte zu verkaufen“, wusste Mo sich mühelos in die Motive seines alten Bekannten und Rivalen hineinzudenken. Dessen Charakter ließ für ihn keine andere Vermutung zu, als dass seine Beweggründe ausschließlich rein egoistischer und finanzieller Natur sein konnten. Dies schien sich durch eine weitere wichtige Information zu bestätigen, mit der Jayden plötzlich herausrückte.

      „Diamonds besonderes Interesse an dem Fall ist kein Wunder. Der Präsident hat nämlich die Belohnung der Regierung einfach um eine hübsche Summe aus seinem Privatvermögen aufgestockt. Dadurch wird selbst die Aufklärung eines Verbrechens, das die Stabilität und Sicherheit des gesamten Landes bedroht, zu einem freien Wettbewerb. Wenn man die Belohnung des Präsidenten, der Regierung und die einiger Versicherungen zusammen nimmt, dürfte sie derzeit bei mindestens 10 Millionen liegen und könnte noch weiter steigen!“

      Sie hatten mittlerweile die 7th Avenue in Brooklyn erreicht, wodurch sie ihrem Ziel bereits sehr nahe waren. Bald darauf kamen sie auf dem Hof eines großen, vierstöckigen Backsteingebäudes zum Stehen, das wie eine kleine Manufaktur oder ein ehemaliges Lagerhaus aussah. Um Dr. Watson nicht allein zurückzulassen, nahmen sie ihn an die Leine und stiegen unter seiner Führung eine rostige Eisentreppe hinauf, die Ähnlichkeit mit einer Feuertreppe besaß. Nirgendwo war ein Namens- oder Firmenschild zu entdecken und so verriet sich der Eingang in die Detektei lediglich durch eine Kamera, die im dritten Stock neben einer gepanzerten Eisentür an der Wand befestigt war. Noch bevor sie sich irgendwie bemerkbar machten, öffnete sich die Tür automatisch mit leisem Surren und ließ sie in einen großen, hellen Raum mit nackten Backsteinwänden und länglichen Eisenfenstern gelangen. Es handelte sich um einen Empfangsraum, dessen spärliche Einrichtung lediglich aus ein paar edlen, schwarzen Lederfauteuils bestand, die um einen futuristisch anmutenden Glastisch herumgruppiert waren. Ein paar moderne, teuer aussehende Grafiken, die an Nylonfäden von der Decke hingen und einen interessanten Kontrast zu den nackten Steinen der Wände eingingen, verhalfen dem Inneren von Diamonds neuer Repräsentanz zu einem Niveau, das das Äußere nicht vermuten ließ.

      Als Betty Cadena durch eine Glastür aus einem Büro heraustrat und sie mit ernster Miene willkommen hieß, sah sie fast noch immer genauso aus, wie Mo sie in Erinnerung behalten hatte. Durch ihre schlanke und zierliche Gestalt, ihren hellen Teint und die reine Farbe ihrer langen, naturblonden Haare, wirkte sie wie eine makellose Schönheit und Ausnahmegestalt. Dieser Eindruck wurde nur durch eine gewisse Ernsthaftigkeit und Härte leicht eingetrübt, die sich über die Jahre in ihre zarten Gesichtszüge eingeschlichen hatte. Die kleine süße Betty, die irgendwann einmal als Sekretärin bei Diamond angefangen hatte, hatte sich inzwischen zu einer cleveren Managerin gemausert, die sich von niemandem mehr etwas vormachen ließ.

      Sie war bereits über alles informiert und führte sie nach ein paar kurzen Begrüßungsfloskeln gleich in das Büro.

      „Ich war sehr froh, als gestern unerwartet Ihr Anruf kam, Morton. Ich möchte sogar fast von Fügung sprechen, da Sie genau der Mann sind, denn ich jetzt brauche!“, bedachte sie Mo mit betont freundlichen Willkommensworten, während sie Jayden zunächst wenig Beachtung schenkte. Nach dem Schließen der Tür fuhr sie in vertraulich-freundlichem Ton fort:

      „Tim hat mir untersagt, mich an die Polizei oder das FBI zu wenden, falls er in irgendwelche Schwierigkeiten gerät. Für ihn als Detektiv ist es Ehrensache, alle Probleme aus eigener Kraft zu lösen. Aus diesem Grund war es bisher mein Plan, unsere eigenen Leute mit der Suche nach ihm zu beauftragen. Aber wenn der berühmte Inspector Mo sich aus freien Stücken an mich wendet, sage ich natürlich nicht nein! Vor allem nicht, weil Sie ihn ja persönlich sehr gut kennen!“

      „Natürlich, eine persönliche Verbindung ist in solchen Fällen bestimmt vorteilhaft“, versicherte Mo, während er beim Betreten des Raumes mit einem Blick erfasste, wie sich der allgemeine Einrichtungsstil der Detektei systematisch in ihm fortsetzte: Ein gläserner Schreibtisch, eine Sitzgruppe aus modernen Ledersesseln und ein paar Grafiken vor den nackten Backsteinwänden ergaben ein klares, aber auch sehr nüchternes Bild, das lediglich durch ein großes, antik wirkendes Sideboard aus Teakholz an der rechten Wand aufgelockert wurde. Auf ihm lagen allerlei technische Geräte und verschiedenes Computerzubehör herum, und über einem Monitor hing ein ungewöhnlich großes, von einem üppigen Goldrahmen eingefasstes Foto, das Betty zusammen mit Tim Diamond bei strahlendem Sonnenschein auf dem Deck einer Segeljacht zeigte. Mo musste nur eine Sekunde lang Bettys knackige, in einem sehr knappen und verführerischen Bikini steckende Figur auf dem Foto betrachten, um sich sofort daran zu erinnern, dass er sich bei ihren früheren Begegnungen oft ein scherzhaft-ironisches Flirten mit ihr geleistet hatte. Nachdem sie auf den komfortablen Sesseln Platz genommen hatten, wurde er plötzlich vom Teufel geritten und fand Spaß daran, den unübersehbaren Ernst in ihrem Wesen herauszufordern und es dafür in Kauf zu nehmen, für einen Moment aus der Rolle zu fallen.

      „Warum möchten Sie Tim überhaupt wieder finden, Betty? Er ist doch sowieso viel zu alt für Sie! Am liebsten würde ich für ihn überhaupt keinen Finger rühren, einfach hier sitzen bleiben und nichts weiter tun, als Ihnen stundenlang in Ihre entzückenden Augen zu schauen!“

      Sie starrte ihn irritiert an und rang sich schließlich zu einem schwachen Lächeln durch, weil auch sie sich an ihre früheren Begegnungen erinnert hatte. Im Gegensatz zu Mo, der plötzlich nur noch Augen für die schöne Detektivin hatte, hielt Jayden seinen Blick fest auf die männliche Gestalt auf dem Foto gerichtet, die ihn sofort stark abgestoßen hatte. Der bald 65jährige Diamond besaß einen ergrauten, sich bereits deutlich lichtenden Haarkranz, und seine breite, stark behaarte Brust schmückte eine geschmacklose Goldkette mit einem hässlichen Amulett, wodurch er wie ein typischer, alternder Gigolo aussah. Sein unsensibles, grobschlächtiges Gesicht, das zur Hälfte hinter einer teuren, angeberischen Sonnenbrille verborgen war, sowie die Tatsache, dass er neben seiner superschlanken Freundin unverkennbar seinen unförmigen Bauch einzog, konnten diesen Eindruck natürlich nur verschlimmern.

      „Wie Sie sich sicher vorstellen können, spielen in dieser Lage nicht nur Gefühle eine Rolle. Wenn Tim nicht innerhalb eines gewissen Zeitrahmens wieder aufgetaucht ist, kann ich hier bald alles zuschließen. Dann ist Diamond Investigations Vergangenheit und ich kann mir einen neuen Job suchen“, erklärte Betty beinahe entschuldigend, so als hätte sie Jaydens stille Abneigung gegen Diamond genau erfasst. Dieser zwang sich daraufhin, den Blick von dem Foto abzuwenden, und ging dazu über, die erste relevante Frage zu stellen.

      „Ist das Mr. Diamonds Jacht auf dem Foto, Miss Cadena?“

      „Ja, sie gehört ihm. Früher sind wir im Frühling und Sommer an den Wochenenden oft zusammen raus gefahren.“

      „Haben Sie schon gecheckt, ob sie noch im Hafen liegt? Könnte ja gut sein, dass Ihr Boss einfach ein bisschen zu weit raus geschippert ist.“

      „Ich habe schon vor 10 Tagen telefonisch bei der Hafenverwaltung angefragt. Die Jacht liegt wie immer unten in der Bannister Bay, etwa 18 Meilen von hier. Wenn Sie es für nötig halten, Mr. Miller, können Sie es ja noch einmal selber überprüfen. Ich schreibe Ihnen gern den Namen sowie die Adresse und Nummer des Liegeplatzes auf.“

      „Würden Sie Tim eigentlich als einen Seebären bezeichnen? Ich meine, hatte er schon immer irgendeine besondere Beziehung zum Meer und zur Seefahrt gehabt?“, mischte sich daraufhin Mo mit einem ahnungsvollen Unterton ein.

      „Was tut das zur Sache?“

      „Ach nichts direkt,