Dr. Hanspeter Hemgesberg

Erkrankungen im Bewegungsapparat


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solche erkannt und behandelt werden!“

      Schmerz …

      Ein veralteter Begriff ist Pein.

      Medizinische Fachausdrücke sind Dolor (lat.) und Algesie (Gegenteil: Analgesie), in Wortverbindungen wie ‚-algie‘ bzw. ‚-algesie‘ (alles von griechisch algos „Schmerz“) oder ‚-odynie‘ (von griechisch „Schmerz“).

      Die Sinneswahrnehmung des Schmerzes wird auch als Nozizeption () bezeichnet.

      Was ist „Schmerz“?

      Heute wird nach der International Association for the Study of Pain (IASP) Schmerz definiert als „ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühls-Erlebnis, das mit tatsächlicher oder potentieller Gewebeschädigung einhergeht oder von betroffenen Personen so beschrieben und empfunden wird, als wäre die Gewebeschädigung die Ursache für den Schmerz“.

      Die Empfindung Schmerz wird als komplexe Wechselwirkungen zwischen biologischen, psychischen und sozialen Faktoren angenommen (bio-psychosoziales Schmerz-Konzept).

       Schmerz ist eine subjektive Wahrnehmung, die nicht alleine von den neuronalen Signalen aus den Schmerznervenfasern an das Gehirn bestimmt wird.

      Vielmehr sorgen Filterprozesse unseres ZNS (Zentralnervensystem) () dafür, dass eine körperliche Schädigung nicht zwangsläufig zu Schmerz führt (Stress-Analgesie; z.B. werden Verletzungen während eines Verkehrsunfalls, Wettkampfes, im Gefecht oder beim Geschlechtsverkehr oft nicht bemerkt) und umgekehrt Schmerzen auch ohne körperliche Schädigung bestehen können (z.B. Phantom-Schmerz).

      Schmerz ist demnach das, was der Patient als solchen empfindet und ‚erlebt’ (Schmerzerleben) und in welchem Ausmaß er vom Schmerz in seinen Aktionen tangiert ist/wird (Schmerzbeeinträchtigung/Schmerz-Leidensdruck).

      Dabei kann es zu Verständigungsschwierigkeit zwischen ihm und dem Behandelnden über das Leiden kommen, weil es sich um eine stark subjektiv gefärbte Wahrnehmung handelt. Unabhängig von der persönlichen Fähigkeit, sie verständlich und eindeutig dem Behandelnden mitzuteilen.

      Zusammengefasst:

      Nach einer weitverbreiteten Definition spricht man von chronischem Schmerz, wenn er länger als sechs Monate andauert.

      Mit zunehmender Dauer wirken sich Schmerzen beeinträchtigend auf die Psyche, aber auch auf Familie, Freundeskreis und die berufliche Situation aus.

      Chronischer Schmerz kann sich also zu einem eigenständigen psycho-sozialen Krankheitsbild, der Schmerz-Krankheit, entwickeln.

      Schmerzgedächtnis, Schmerzerleben, Schmerzbeeinträchtigung und Schmerzkontroll-System

       Im Zentrum der Schmerz-C hronifizierung steht das Schmerz-Gedächtnis.

      [engl. pain memory – damit werden in der Medizin die bio-chemischen, funktionellen und morphologischen Veränderungen im Zentralen Nervensystem / ZNS, die durch wiederholte Schmerz-Erfahrungen entstehen]

      Die sensiblen Nervenzellen sind genauso lernfähig wie das Großhirn. Wenn sie immer wieder Schmerz-Impulsen ausgesetzt sind, verändern sie ihre Aktivität. Jetzt reicht schon ein leichter, sensibler Reiz, wie eine Berührung, Wärme oder Dehnung aus, um als Schmerz-Impuls registriert und als unangenehm empfunden zu werden.

      Aus dem akuten Schmerz ist ein chronischer Schmerz geworden. Das bedeutet:

      Der eigentliche Auslöser fehlt und es bleibt der Schmerz.

      Unter „Schmerz-Dauerbeschuss“ verändern sich die Nervenzellen. Diese Veränderungen sind einerseits bio-chemisch nachweisbar und andererseits hinterlassen sie Spuren im Aufbau der Zellen; dabei kommt der Aktivierung von „IE-Genen“ () (IE = Immunitäts-Einheit - IE-Gen codierte Eiweißmoleküle - sie werden in den Nervenzellen des Gehirns gebildet und freigesetzt) eine Schlüsselrolle zu. Die sensiblen Nerven-Zellen sind ebenso ‚lernfähig’ wie die Großhirnrinde (cortex cerebri).

      Wenn die Nerven-Zellen immer wieder ‚Schmerzreizen/Schmerz-Impulsen’ ausgesetzt werden/sind, verändern sie ihre Aktivität und Funktionsweise.

      Bei solch verändertem Schmerz-Empfinden reicht dann bereits ein Minimalreiz, um als Schmerz-Impuls wahrgenommen und empfunden zu werden und diesen Impuls von einer Nervenzelle auf andere zu übertragen und weiterzuleiten. Diese Übertragung erfolgt auf die Nervenzellen-Synapsen durch „Botenstoffe“ (Neurotransmitter); gesteuert werden diese Botenstoffe durch die Menge an aktivierten IE-Genen (wenig IE-Gene Bremsung der Schmerzweiterleitung – viel Steigerung).

      In Kurzform zur Entstehung und dem Mechanismus des Schmerz-Gedächtnisses:

      1. Bei einem lokalen Schmerz (z.B. Knie) nehmen Nozizeptoren die Reize wahr und leiten sie über Nervenbahnen an das Rückenmark weiter;

      2. In den Nervenzellen des RM entscheidet es sich, ob es evtl. zu einer

      Chronifizierung kommt;

      3. Entscheidend sich dazu Rezeptoren mit einem offenen oder

      geschlossenen Ionenkanal (= porenbildende Transmembran-Proteine, die elektrisch geladene Teilchen, Ionen, das Durchqueren der Bio-Membranen ermöglichen; werden auch als Kanal-Proteine bezeichnet - der Transport erfolgt entsprechend dem Potenzialgefälle - Ionenkanäle sind, im Zusammenspiel mit anderen Transport-proteinen, von universeller Bedeutung für Transportprozesse über die Membransysteme der Zelle. Dazu gehören die Regulation der osmotischen Aktivität, des Säure-Basen-Haushalts, die Aufnahme und Ausscheidung von Stoffen sowie die Erregungsleitung in Nerven und Muskelzellen);

      4. Unter bestimmten Rezeptoren und Ionenkanälen an den Nervenzellen werden akute Schmerzreize an das Gehirn weitergeleitet.

       Schmerz ist ein WARNSIGNAL!

      5. Lang anhaltende oder besonders starke Schmerzreize verändern die Nervenzelle; es bilden sich vermehrt Ionenkanäle und Rezeptoren aus, die schon bei schwachem Reiz und sogar ohne jeden Reiz Schmerzsignale an das Gehirn leiten; aus der physiologischen Nervenzelle ist eine Schmerz-Zelle geworden; das Schmerzgedächtnis hat sich etabliert;

      6. Opioide (körpereigene) hemmen die Weiterleitung von Schmerzreizen

      und unterstützen so die körpereigene