J. U. Gowski

Whisky Blues


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      »Hör zu, Tom«, unterbrach Koslowski Meyerbrincks Redefluss ungeduldig. »Es gab hier einen Toten. Ich brauch die Spurensicherung und unser Team hier.« Er konnte hören, wie Tom Meyerbrinck tief Luft holte.

      »Ach du Scheiße. Ich weiß aber nicht, wen ich von unseren Leuten heute Abend um diese Zeit noch erreiche.«

      »Komm einfach. Ich werd ja merken, wen du erwischt hast. Und schick uns einen Streifenwagen vorbei. Ich will, dass die vor dem Pub den Bürgersteig sichern. Also, volles Programm.«

      Koslowski beendete das Gespräch und aktivierte die Fotofunktion seines Handys. Dann begann er, Fotos zu schießen. Sowohl von den Tischen, den Leuten, wie und wo sie gesessen hatten und von der Leiche. Die anderen Gäste beobachteten ihn stumm dabei.

      Erst da bemerkte er das Fehlen von R.R.. Er runzelte die Stirn. Verdammter Mist, dachte er verärgert. Was hatte sich Roger dabei gedacht. Egal, jetzt musste er erstmal seinen Chef Van Bergen anrufen und berichten. Er hatte es ganz vergessen. Der wird nicht begeistert sein.

      7.

      Van Bergen legte nachdenklich sein Smartphone auf den Tisch. Die hohe Stirn in Falten gezogen, starrte er auf das Regal, in dem die Whiskyflaschen mit den von Ben Gash entworfenen Labeln standen. Eine hatten sie heute geöffnet. Sie stand auf dem Tisch.

      Die anderen Mitglieder des ›Inner Circle‹, wie sie ihre monatliche Runde getauft hatten, sahen ihn neugierig an. Sie hatten kaum etwas von dem Telefonat mitbekommen. Van Bergens Beitrag zu dem Telefongespräch hatte sich auf ein ›hmm‹ und ›aha‹ beschränkt. Trotzdem hatten sie jetzt das sichere Gefühl, der angenehme Teil des Abends wäre vorbei.

      Van Bergen sah sie an. »Ihr kennt euch doch gut aus in der Whiskyszene. Kennt ihr einen gewissen Egbert Pabst?«

      Keiner antwortete.

      »Er ist tot. Gerade in einem Pub zusammengebrochen. Im Union Jack.«

      In Markus Rosanowskis Gesicht zeigte sich Fassungslosigkeit. Nervös strich er sich über das glatte, grauweiße Haar. Simone, seine Verlobte, riss erschrocken die Augen auf. Jens Peter sah Van Bergen misstrauisch an, er vermutete einen schlechten Scherz.

      »Am Bier kann es nicht gelegen haben. Die haben dort ordentliches Bier«, versuchte Jonas Schönfelder die Stimmung aufzulockern. Er war der jüngste in der Runde. Van Bergen zog nur die Augenbraue hoch. Er fand es nicht komisch.

      »Ein Herzanfall?«, mutmaßte Markus vorsichtig.

      »Ist noch nicht klar.« Van Bergen sah in die Runde und wiederholte seine Frage: »Und, kanntet ihr ihn?«

      »Ist das jetzt eine offizielle Befragung?« Werner Hertwig sah Van Bergen verstimmt an. Wie es seine unverwechselbare Art war, schob er sich dabei, beide Hände an die Brillenbügel legend, die dunkelgerahmte Brille zurecht.

      »Nein, inoffiziell.«

      »Hmm«, machte Werner. Überlegte kurz, wie er anfangen sollte, dann sagte er: »Eigentlich kennen ihn alle hier, außer Simone und Jonas vielleicht. Egbert war, um es vorsichtig auszudrücken, ein seltsamer Typ. In der Whiskyszene bekannt wie ein bunter Hund. Wenn man ihn kennenlernte, erstmal durchaus sympathisch. Hatte großes Fachwissen.«

      »Und dann?«

      »Na ja, er fing irgendwann an, über Leute herzuziehen, wenn sie nicht anwesend waren. Klagte auch ständig, wie schlecht es ihm ginge und wie gut den anderen.«

      »Den nicht Anwesenden?«

      »Nicht nur. Er gab einem auch selbst immer das Gefühl, er käme zu kurz im Leben, wäre benachteiligt. Man hatte das Gefühl, man müsse sich dafür entschuldigen, dass man als Händler die dicke Kohle scheffelt.«

      Van Bergen verzog bei Werner Hertwigs Sarkasmus leicht die Mundwinkel. Man konnte es als ein verunglücktes Lächeln deuten.

      »Irgendwann konnte man das ständige Jammern nicht mehr hören. Es war Jammern auf sehr hohem Niveau. Er war nie zufrieden mit dem, was er hatte. Schon traurig, wenn man sich so die Freude am Leben vermiest.«

      »Aber das war nicht das einzige, oder?« Van Bergen musterte ihn abwartend.

      »Nein, über mich hat er auch kein gutes Wort verloren. Lag vermutlich an der Geschichte, die in Schottland passiert ist.«

      Van Bergen wurde neugierig. »Was war mit Schottland?«

      »Mit dem Land? Alles wie immer. Schöne Landschaft, Destillen, Burgen, etwas Regen...«

      Van Bergen verdrehte die Augen. »Ist ja gut«, unterbrach er die Aufzählung. »Ich meine natürlich die Geschichte.«

      Werner und sein merkwürdiger Humor, dachte Van Bergen. War ja klar, dass der es wieder sehr genau nahm. Werner lächelte zufrieden. Dann sagte er: »Ich war vor Jahren zusammen mit ihm und noch drei anderen, dem Maltquartett, in Schottland. Mit meinem alten VW Bus. Egbert hatte bei der Reise zwölf Liter Apfelschorle dabei, die er sorgfältig für sich einteilte. Wenn wir essen gingen, war er selten dabei und wenn doch, dann aß er nichts und trank maximal ein Bier oder Cider. Er hatte alles von zu Hause mitgebracht, wollte in Schottland nicht viel Geld für Nebensächlichkeiten, wie Essen gehen oder Bier im Pub ausgeben.«

      »Ja und?«

      »Na ja, als wir zurückwollten, hatte er noch drei Flaschen von den Apfelschorlen übrig. Alle hatten wir Whisky eingekauft. Der Bus war randvoll mit Flaschen. Seine Apfelschorlen wollte er unbedingt wieder mit in die Heimat nehmen, nebst seiner Beute, die mehr als umfangreich war. Also musste ich ihn nötigen, die Plörre in Schottland zu lassen, was er dann auch unter Protest tat. Er goss sie aus. Vermutlich hat er die leeren PET-Flaschen zusammengedrückt in seinem Koffer verstaut.«

      »Nicht wahr!«

      »Ich würde jedenfalls nicht dagegen wetten. War ja Pfand drauf.«

      Über Van Bergens Gesicht huschte wieder ein Anflug von einem Lächeln.

      »Auf die Idee, uns von seiner Apfelschorle anzubieten, ist er jedenfalls in der ganzen Zeit nicht gekommen. Egbert sah die Reise als kostengünstige Transportmöglichkeit an, da nur die Dieselkosten für meinen VW Bus umgelegt wurden. Die Unterkunft hatte ich besorgt. Hat ihn keinen Heller gekostet.«

      Van Bergens Mundwinkel deuteten immer noch die stille Belustigung an. Ihm war klar, dass Egbert Pabsts Flaschen wohl zur Not schon noch irgendwo untergekommen wären. Aber die Reaktion von Werner und den anderen Mitreisenden war nur zu verständlich.

      »Seitdem seid ihr also nicht mehr die dicken Freunde?«

      Werner Hertwig antwortete nicht gleich darauf. Nach einem kurzen Moment des Überlegens sagte er stattdessen: »Im Nachhinein betrachtet waren wir es wohl nie. Es hat ihn aber nicht daran gehindert, mich vor drei Wochen anzurufen und zu fragen, ob die eine Flasche aus meiner Liste noch zu haben sei. Ich war wohl zu preiswert, sonst hätte er nicht angerufen.«

      »Und war sie noch zu haben?«

      »Ja. Er wollte sie reservieren lassen. So etwas mache ich aber grundsätzlich nicht.«

      »Und?«

      »Zwei Tage später war er da und hat die 550,- € für die Flasche auf den Tisch gelegt. Er sagte, er bräuchte die für ein Tasting, was er veranstalten würde. Noch kurz etwas Smalltalk und weg war er.«

      »Ein merkwürdiger Zeitgenosse«, stellte Van Bergen fest. Simone nickte bestätigend heftig mit dem Kopf.

      »Ja, wie seine Hemden«, entgegnete Ursula Kierzek, die andere Frau in der Runde. »Und ein kleiner mieser Schieber war er auch.«

      Van Bergen sah sie überrascht an. »Was hat er verhökert?«

      »Er war in einem Laden angestellt, der Wein und auch Whisky verkaufte, in Berlin Köpenick. Nur hat er da nicht nur die Flaschen aus dem Laden, sondern auch seine privaten Flaschen unter der Hand verkauft. Der Besitzer hat es irgendwann mitbekommen und ihn gefeuert. Keine Ahnung, wie hoch