Jörg Müller

Manni, kannst Du uns das mal erklären?


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ist als vorher.

      Unterstellen wir weiterhin, dass unser Gemeinwesen ohne ein gerechtes Steuersystem und eine regelmäßige Steuerzahlung seitens der Steuerpflichtigen nicht funktioniert.

      Gestehen wir der organisierten Kriminalität dieser Welt (widerwillig) zu, dass sie ihr Geld in das Land zum Waschen bringt, in dem sie während des Waschvorgangs und danach ungestört ist.

      Mit diesen Unterstellungen und dem Zugeständnis ausgestattet, nähern wir uns dem heutigen Thema.

      Beginnen wir mit einer Klarstellung:

      Wenn wir am Ende unseres Stammtisches unser Stammlokal leicht angeschlagen, mit dem einen oder anderen kleinen Geldschein in der Hosentasche und mit dem einen oder anderen Senf-, Ketchup- oder Bierflecken auf der Hose, Richtung Heimat verlassen, stopft unsere bessere Hälfte die Hose sofort, nachdem wir sie ausgezogen haben, in die Waschmaschine. Am nächsten Morgen ist nicht nur die Hose gewaschen und sieht aus wie neu, sondern auch die Geldscheine in unserer Hose sehen nach dem Besuch in der Waschmaschine aus wie frisch aus der Druckerpresse. Dieses Phänomen ist mit Geldwäsche nicht gemeint.

      Das Wort Geldwäsche setzt sich aus den beiden Worten Geld und Wäsche zusammen.

      Unter Geld verstehen wir ein Tauschmittel, das uns in die Lage versetzt, Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

      Der Begriff Wäsche beschreibt das Reinigen von bestimmten Gegenständen, zum Beispiel von Textilien.

      Geldwäsche beschreibt ein bestimmtes Geschäftsfeld der organisierten Kriminalität, bei dem schmutziges (unversteuertes) Geld in Unternehmen oder Immobilien investiert und nach der Reinigung sauberes (nachweisbar versteuertes) Geld wieder entnommen wird. Quasi ernten ohne zu säen.

      Ein Beispiel:

      Der Pizzabäcker Toni P aus unserer Nachbarschaft fährt zu seinen Verwandten nach Neapel. Dort empfängt ihn sein Onkel Don Calzone.

      „Toni, mein missratener Neffe, wie geht es dir?“

      „Nicht so gut, Don Calzone. Ich habe in der letzten Zeit nur Pech beim Wetten und deshalb Schulden ohne Ende.“

      „Du warst schon immer genauso ein Idiot wie dein verstorbener Vater, der nicht in der Lage war, mit Betonschuhen zu schwimmen. Man beteiligt sich nur an Wetten, wenn man das Ergebnis zu hundert Prozent kennt. Trotzdem fühle ich mich für den Sohn meines Bruders verantwortlich und gebe dir eine Chance, besser gesagt, ich mache dir ein Angebot, dass du nicht abschlagen kannst, es sei denn, du kannst mit Betonschuhen besser schwimmen als dein Vater.“

      Obwohl Toni P nicht der Hellste ist, geht ihm sofort ein Licht auf.

      „Was soll ich tun, Don Calzone?“

      „Bevor du Pizzabäcker warst, hast du viele Jahre lang Teller gewaschen. Die Anzahl der von dir beschädigten Teller ist heute noch legendär. Ich habe daher überlegt, was du waschen kannst, ohne dass etwas kaputt geht und nach langem Überlegen eine Lösung gefunden. Du wäschst in Zukunft Geld.“

      Don Calzone wusste, dass sein Neffe nicht der Hellste war, aber das blöde Gesicht, das ihn jetzt anglotzt, verblüfft ihn doch, und es kommen ihm ersthafte Bedenken. Don Calzone schüttelt sich einmal unmerklich und setzt dann das Gespräch fort.

      „Toni, du bekommst von mir einen Koffer mit sehr viel Geld. Du erwartest jetzt bestimmt, dass die Sache einen Haken hat. Deine Erwartungen werden noch übertroffen. Die Sache hat zwei Haken. Erstens, du darfst das Geld nicht für deine Zwecke ausgeben und zweitens, Zweifinger Bruno wird dich begleiten.“

      Toni P kannte Zweifinger Bruno. Don Calzone hatte Bruno bei jedem Fehler einen Finger abgehackt. Die Zeit von Zweifinger Bruno schien langsam abzulaufen.

      „Lieber Onkel, wie wäscht man Geld? Ich könnte mir vorstellen, dass das leicht in die Hose gehen kann, und ich möchte nicht wie Zweifinger Bruno enden.“

      Die Gesichtszüge von Don Calzone hellen sich langsam wieder auf.

      „Lieber Toni, du fährst jetzt mit Zweifinger Bruno zurück in deinen Heimatort ins Ruhrgebiet nach Deutschland. Dort habe ich gerade für dich ein schönes kleines Haus gekauft. Es hat zehn Stockwerke. Im Parterre wirst du ein italienisches Ristorante eröffnen. Von den restlichen Stockwerken hat sechs Etagen das örtliche Finanzamt und den Rest die Stadtverwaltung angemietet. Die Mietverträge laufen über mindestens zwanzig Jahre. Ich habe lange gesucht, um ein Objekt zu finden, bei dem der Verkäufer nicht wissen wollte, wo das Geld für den Kauf herkommt. In diesem Fall handelt es sich um ein örtliches Geldinstitut. Mit dem Geld, das ich dir mitgebe, kaufst du die komplette Inneneinrichtung und bezahlst die Lieferanten und das Personal. Und denke immer daran: Wir zahlen immer pünktlich, denn wir Italiener haben schließlich einen guten Ruf zu verteidigen.“

      Toni Ps Interesse ist geweckt. Das mit dem guten Ruf der Italiener in finanziellen Dingen ist ihm zwar neu, aber er denkt schon weiter. Es stimmte zwar, dass er nicht der Hellste war, aber er ist der geborene Gastronom.

      Und so macht sich Toni mit Zweifinger Bruno auf den Weg ins Ruhrgebiet und beginnt damit, das mitgebrachte Geld zu waschen. Es macht ihm richtig Spaß.

      Sechs Monate später feiert das Ristorante mit dem in der Gastronomie ungewöhnlichen Namen Lavanderia (zu Deutsch Waschsalon) Eröffnung. Zur Feier des Tages kommt für viele überraschend der italienische Botschafter extra aus Berlin angereist. Nur wenige Eingeweihte wissen, dass der Botschafter und Don Calzone in jungen Jahren in demselben Waschsalon in Italien gearbeitet haben.

      Zur Überraschung von Don Calzone entwickelt sich das Ristorante großartig, denn Toni P hatte noch vor der Eröffnung geniale Weichen gestellt. Zuerst bat er in weiser Voraussicht den Architekten des Vertrauens von Don Calzone, bei den erforderlichen Umbauarbeiten zu berücksichtigten, dass der Eingang des Bürogebäudes zugleich der Eingang des Ristorante war. Dann bot er sich sowohl dem Finanzamt als auch der Stadtverwaltung erfolgreich als Kantine an. Und abschließend überzeugte er die ihm bestens bekannten Personalräte der beiden Behörden davon, sich dafür einzusetzen, dass die Stempeluhren vor dem Eingangsbereich des Gebäudes angebracht wurden, so dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beiden Behörden erst ausstempeln mussten, wenn sie das Ristorante zu Feierabend völlig erschöpft verließen. So zählte der Aufenthalt im Ristorante immer als Arbeitszeit.

      Nach Ablauf des ersten Geschäftsjahres will der Steuerberater von Toni P dem Finanzamt die erste Bilanz des Ristorante vorlegen. Die Bilanz weist allerdings eine Besonderheit auf. Von den sehr guten ordnungsgemäß verbuchten Einnahmen hat Toni P jeden Monat als Entnahme 95% auf ein Konto bei einer Schweizer Bank in Zürich überwiesen und trotzdem jederzeit genügend Geld zur Verfügung, um alle Ausgaben pünktlich zu bedienen. Das lag ganz einfach daran, dass Zweifinger Bruno jeden Monat mit einem leeren Koffer nach Italien fuhr und nach zwei Tagen mit einem vollen (Geld)Koffer zurückkam. Und von diesem Geld bestreitet Toni P alle Ausgaben.

      Und so hat sich Toni P mittlerweile nicht nur zu einem guten Gastronomen entwickelt, sondern er ist auch mit allen Wassern gewaschen, was für einen Geldwäscher von großem Vorteil ist.

      Bevor der ängstliche Steuerberater die erste Bilanz offiziell einreichen will, bittet er Toni P, den zuständigen jungen Sachbearbeiter des Finanzamtes, einmal bei einem Glas Wein „probegucken“ zu lassen. Denn ihm war zu Ohren gekommen, dass dem jungen Beamten aufgrund seiner Bereitschaft, an vier Tagen in der Woche das Büro erst gegen 22 Uhr zu verlassen, ohne dafür eine Vergütung zu verlangen, eine große Karriere vorausgesagt wurde. Bei einem italienischen Abend zeigt Toni P dem jungen Mann nach dem achten Gang und der vierten Flasche Nero d`Avola die Bilanz. Der Finanzbeamte wird trotz seiner drei Promille stutzig.

      „Die Einnahmen werden ja ordnungsgemäß verbucht. Aber da du jeden Monat 95% deiner Einnahmen in die Schweiz überweist, frage ich mich, wo das ganze Kapital herkommt, mit dem du dein Personal, die 10-fach überteuerte Miete und die Lieferanten bezahlst?“

      „Ich habe einen Lieblingsonkel in Neapel, der mir jeden Monat bis auf weiteres mit einem Darlehen unter die Arme greift. Denn wir konnten ja nicht voraussehen, wie sich der Laden entwickelt.“