Jörg Müller

Manni, kannst Du uns das mal erklären?


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analysieren wir zuerst die aus dem Englischen übernommene Wortschöpfung win-win:

      Das englische Wort win bedeutet ganz einfach gewinnen.

      Die englische Wortschöpfung win-win beschreibt eine Situation, in der alle an einem Geschäft Beteiligten Gewinner sind. Das bedeutet im Umkehrschluss: Es gibt keinen Verlierer.

      Unsere Lebenserfahrung sagt uns, dass es im realen Leben keine wirkliche Win-win-Situation gibt. Aber es gibt diese Situation tatsächlich.

      Hier zwei Beispiele für eine Win-win-Situation:

      Erstes Beispiel: Die sofort erkennbare Variante.

      Im Doppelzimmer eines Krankenhauses liegen zwei Männer, die auf eine Operation warten. Sie sind beide etwa gleich groß, haben eine ähnliche Figur und in etwa den gleichen Modegeschmack. Kurz hintereinander werden beide aus dem Zimmer abgeholt und zu ihrem jeweiligen Operationssaal gebracht. Dem ersten werden beide Beine abgenommen und dem zweiten die Falten im Gesicht entfernt. Als der zweite zurück in das Krankenzimmer kommt, muss er zu seinem Entsetzten feststellen, dass sein Schrank aufgebrochen wurde und seine Designerschuhe entwendet worden waren. Zwei Stunden später wird der erste Patient zurück in das Zimmer gebracht. Weitere drei Stunden später erscheint der Chefarzt, Herr Dr. Sägeblatt. Der zweite Patient zeigt den Diebstahl an und meldet den Verlust seiner Designerschuhe. Der Chefarzt reagiert ganz gelassen:

      „Da haben Sie aber Glück gehabt“, tröstet er den zweiten Patienten und deutet mit dem Kopf in Richtung des ersten Patienten.

      „Hier liegt eine echte Win-win-Situation vor. Ihr Nachbar weiß nicht, was er ohne Beine mit seinen Designerschuhen machen soll. Sie nehmen seine Schuhe und dadurch eine große Last von seinen Schultern. Sie profitieren beide, es gibt nur Gewinner.“

      Zweites Beispiel: Die „Jeder wahrt sein Gesicht“-Variante:

      In einem Tarifkonflikt stehen sich die beiden Tarifparteien unversöhnlich gegenüber. Es geht um die Beibehaltung der 40-Stundenwoche. Der Arbeitgeberverband weist auf die schlechte Konjunktur und die noch schlechtere Perspektive hin. Er fordert eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 42 Stunden ohne Lohnausgleich.

      Die zuständige Gewerkschaft weist ihrerseits auf den hohen körperlichen und geistigen Stress, dem die Kolleginnen und Kollegen täglich ausgesetzt sind, hin, und fordert aus diesem Grund und zur Sicherung der Arbeitsplätze in schwierigen Zeiten die Einführung der 38-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich. Der Arbeitskampf und die damit verbundenen Streiks ziehen sich über Monate hin. Mehrere Unternehmen müssen Insolvenz anmelden. 10% der Beschäftigten der Branche haben schon aufgrund des Arbeitskampfes ihren Arbeitsplatz verloren und der Druck von politischer Seite auf die unabhängigen Vertragsparteien wächst von Tag zu Tag, denn es stehen Wahlen an.

      Da endlich kommt die Einigung:

      Die neue Wochenarbeitszeit beträgt 38 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Als Gegenleistung arbeiten die Beschäftigten an 15 Samstagen 6,133 Stunden = 92 Stunden (= 46 Wochen á 2 Std.) ohne Entgelt zur Sicherung des Arbeitsplatzes.

      Und jetzt passiert etwas Erstaunliches. Beiden Tarifkommissionen gelingt es, gegenüber ihren Mitgliedsfirmen bzw. Mitgliedern das Gesicht zu wahren und das hart erkämpfte Ergebnis als Erfolg zu verkaufen. Zufrieden treten der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes und der Chef der Gewerkschaft Arm in Arm vor die bereitstehenden Kameras und Mikrofone:

      „Wir haben es hier mit einer echten Win-win-Situation zu tun. Beide Vertragsparteien haben ihre vorab ausgegebenen Ziele zu 100% erreicht.“

      Eine Meinung, die die durch den Arbeitskampf arbeitslos gewordenen Kolleginnen und Kollegen und die Gesellschafter der jetzt insolventen Firmen verständlicherweise nicht teilen.

      Und die Moral von (in) der Geschicht‘?

      Es gibt keine!

      Uli, mach mal zehn Pils auf meinen Deckel.

      Prost!

      7 Steuer-CD

       Unser Thema des heutigen Abends:

       Was bedeutet eigentlich „Steuer-CD“?

      Unterstellen wir, dass alle Männer und Frauen in Deutschland, die ein steuerpflichtiges Einkommen haben, auch ihre Steuern pünktlich und in voller Höhe zahlen (sollten).

      Unterstellen wir weiterhin, dass viele Menschen in unserem Land der Meinung sind, dass vermögende Bürgerinnen und Bürger prozentual einen höheren Steuersatz zu zahlen haben.

      Gestehen wir unseren Steuerbehörden zu, dass sie alle legalen Mittel ausreizen, um für eine 100%-ige Steuergerechtigkeit auf der Grundlage des in Deutschland geltenden Steuerrechts zu sorgen.

      Mit diesen Unterstellungen und dem Zugeständnis ausgestattet, nähern wir uns dem heutigen Thema.

      Steuer-CD setzt sich aus den beiden Begriffen Steuer und CD zusammen.

      Was mit dem Wort Steuer gemeint ist, können wir kurz und knapp beschreiben:

      Steuer ist eine mehr oder minder freiwillige Geldabgabe, die der steuerpflichtige Souverän, also wir alle, an die von uns gewählte Regierung abgeben müssen, damit sie uns (vielleicht) ein schönes und sorgloses Leben garantieren.

      Die Abkürzung CD kommt aus dem Englischen und bedeutet Compact Disc, was auf Deutsch kompakte Scheibe bedeutet. Diese CD wurde Anfang der 80er Jahre als digitaler Speicher für Musik als Alternative zur Langspielplatte auf den Markt gebracht, mit dem Ziel, längere Musikpassagen ohne Unterbrechung hören zu können.

      Was haben nun der Genuss und der Konsum von Musik mit Steuern zu tun?

      Eines können wir vorab mit Sicherheit ausschließen:

      Auf einer Steuer-CD ist Gott sei Dank nicht unser Finanzminister zu hören, der uns Steuerpflichtigen die einzelnen Steuergesetze musikalisch näherbringt.

      Bevor wir uns nun der Wortschöpfung Steuer-CD nähern, müssen wir uns noch kurz mit einem anderen Begriff befassen:

      Steuersünder.

      Was Steuer bedeutet, wissen wir bereits. Was aber ist ein Sünder? Ein Sünder ist ein Mensch (m/w), der eine Sünde oder mehrere oder fortlaufend Sünden begeht. Sünde beschreibt nach unserem christlichen Selbstverständnis den Zustand, dass wir Menschen uns bewusst durch eine Lebensweise, die Gott nicht gefällt, immer mehr von ihm entfernen. Darauf aufsetzend ist ein Steuersünder ein Sünder, der bewusst vergisst, Steuern zu zahlen (Fachdeutsch: er hinterzieht Steuern), sich so immer mehr von den in Deutschland geltenden Steuergesetzten entfernt, und somit der Zuneigung des Finanzministers verlustig geht.

      Nun zur Steuer-CD. Stellen wir uns einen sehr, sehr vermögenden Mann, also niemanden so wie ihr und ich, vor. Dieser Mann lehnt es empört ab, einen beträchtlichen Teil seines wie auch immer verdienten Geldes für diesen ganzen sozialen Schnickschnack, der nach seiner Überzeugung in Deutschland immer groteskere Formen annimmt, abzugeben. Wir können froh sein, dass er sein Vermögen nicht im Schweiße seines Angesichtes erworben hat, denn dann wäre seine Empörung noch größer. Im ersten Schritt schöpft er mit seinen Beratern alle legalen Mittel aus, um seine gesetzlich geschuldete Steuerzahlung zu minimieren. Das Ergebnis befriedigt ihn aber bei weitem nicht. Wenn er sieht, wie wenig ein normaler Facharbeiter im Vergleich zu ihm an Steuern zahlt, packt ihn die Wut. Er vergisst seine christliche Erziehung und seine Pflichten als Mitglied unseres Gemeinwesens und sucht jetzt ganz intensiv nach einer Lösung, wie er dem deutschen Fiskus mit all seinen geldsaugenden Vampiren ein Schnippchen schlagen kann. Und schnell wird er in unserem südlichen Nachbarland fündig. Dort haben sich vor vielen Jahren ein paar Genossen zusammengeschlossen und gemeinsam einen feierlichen Eid gesprochen:

      „Wenn wir unseren ungeliebten und großkotzigen Nachbarn im Norden schon nicht militärisch oder im Fußball schlagen