Jörg Müller

Manni, kannst Du uns das mal erklären?


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normaler Mensch würde auf der Grundlage der alten Hausfrauenweisheit einem Großteil der Länder unseres Planeten Geld leihen, egal zu welchem Zinssatz.

      Aber da es ihre Aufgabe war, anderer Leute Geld Gewinn bringend anzulegen, mussten sie sich eine neue Strategie überlegen. Nach kurzem Überlegen fanden die amerikanischen Rateprofis ein ebenso einfaches wie geniales Modell. Als erstes gaben sie sich einen neuen Namen. Sie nannten sich fortan Ratingagenturen.

      War früher das einzige Kriterium für eine sichere Geldanlage die Befolgung der alten Hausfrauenweisheit (s.o.), so waren die neuen Kriterien, die die neuen Agenturen ihrem „Rating“ zugrunde legten, nur den Ratingagenturen selbst bekannt. Aufgrund dieses „Ratings“ vergaben sie nun Schulnoten für die wirtschaftliche Potenz eines Landes.

      AAA+ bedeutet zum Beispiel sehr gut, dann kommt AAA, dann AA+ und so weiter. Für die Note D sieht das deutsche Schulbenotungssystem keine Zensur vor.

      Wenn also die Ratingagenturen ein Land mit AAA+ bewerten, bekommt die Regierung dieses Landes zu sehr günstigen Zinsen frisches Geld in großen Mengen am Kapitalmarkt, weil alle Geldgeber auf dieser schönen Welt aufgrund des Ratings AAA+ überzeugt sind, dass dieses Land in der Lage ist, den Kredit nebst Zinsen zu 100% zurückzuzahlen. Der Haken für die Geldanleger besteht allerdings darin, dass sie zwar einem potenten Kreditnehmer Geld geben, wie wir in unserem anfänglichen Beispiel dem Lehrer Hermann, aber sie bekommen wegen des geringen Kreditausfallrisikos dafür auch nur wenig Zinsen für ihr hart arbeitendes Geld.

      Und nun zum Clou des neuen Modells der ehemaligen amerikanischen Rateprofis und heutigen Ratingagenturen:

      Ab sofort bewerten die Ratingagenturen ein Land mit sehr guten wirtschaftlichen Kennziffern bewusst mit einer deutlich abgeschwächten Ratingnote. Dies bedeutet, dass dieses Land am Kapitalmarkt höhere Zinsen für neue Kredite ausgeben muss. Die Gesellschafter der Ratingagenturen aber wissen, dass sie ihr sauer verdientes Geld in diesem Land trotzdem unbesorgt arbeiten lassen können und kassieren aufgrund der schlechteren Bewertung durch die hochseriösen Agenturen, die ihnen gehören, deutlich höhere Zinsen, ohne ein größeres Risiko eingehen zu müssen.

      Raten war gestern, Rating ist heute.

      Und die Moral von (in) der Geschicht‘?

      Es gibt keine!

      Uli, mach mal zehn Pils auf meinen Deckel.

      Prost!

      5 Sommerloch

       Unser Thema des heutigen Abends:

       Was genau ist eigentlich ein Sommerloch?

      (Ein Manni aus 2012)

      Unterstellen wir, dass sich die Sommerferien besonders gut für unseren Haupturlaub eignen.

      Unterstellen wir weiterhin, dass die Zeitungsredakteure ein großes Interesse daran haben, zu jeder Jahreszeit ihre Zeitungen täglich vollschreiben und verkaufen zu können.

      Gestehen wir vielen deutschen Sonnenhungrigen zu, dass sie ihren Sommerurlaub außerhalb Deutschlands in Ländern mit Sonnengarantie verbringen und auch vor Ort täglich ihre deutsche Lieblingszeitung lesen wollen.

      Mit diesen Unterstellungen und dem Zugeständnis ausgestattet, nähern wir uns dem heutigen Thema.

      Das Wort Sommerloch besteht aus den beiden Worten Sommer und Loch.

      Fangen wir mit der Definition für Sommer an.

      Unter Sommer verstehe ich Folgendes: In der Zeit von Anfang Mai bis Ende September zeigt das Thermometer tagsüber 24-26°C an, nachts sinken die Temperaturen selten unter 15°C. Um 0.30 Uhr regnet es circa 30 Minuten lang ziemlich heftig. Dieser Schauer geht dann gegen 01.00 Uhr in einen sanften Landregen über, der um 05.00 Uhr aufhört.

      Wenden wir uns nun dem Begriff Loch zu:

      Ein Loch ist zum Beispiel ein Stück Land, wo früher einmal Erde vorhanden war, die jetzt aus den unterschiedlichsten Gründen weg ist und man nun Gefahr läuft, dort reinzufallen.

      Eine Kombination der beiden Definitionen ergibt keinen Sinn. Trotzdem ist uns das Wortgebilde Sommerloch geläufig. Im gängigen Sprachgebrauch beschreibt es einen ereignisarmen Zeitraum in den Sommerferien.

      Wen stört das Sommerloch?

      In erster Linie sind von diesem Phänomen die Zeitungsleute betroffen. Sie haben Probleme, ihre Seiten mit nicht vorhandenen Nachrichten vollzuschreiben. Also lassen sie sich etwas einfallen, damit wir, die Leser, gar nicht merken, dass es im Sommer kaum Nachrichten gibt.

      Als Musterzeitung nehmen wir die uns allen bekannte Tageszeitung mit den acht Buchstaben. Ich spreche von der Zeitung des Turmverlages mit dem Titel Wahrheit und dem Untertitel Wir überlassen das Lügen den anderen.

      Diese Zeitung ist erst seit wenigen Jahren auf dem Markt. Sie startete mit einer Auflage von 100 Exemplaren und versuchte, auf anfänglich zwei Seiten nur Wahres zu berichten. Ein sehr hoher Anspruch, der mittlerweile jeden Tag von Millionen Lesern mit dem Kauf dieser Zeitung honoriert wird.

      Die Redaktion dieser Zeitung beherrscht die Überbrückung des Sommerloches besonders perfekt, was uns alle erstaunt, erhebt sie doch den Anspruch, nur die Wahrheit zu schreiben.

      Dabei wendet sie zwei verschiedene journalistische Kniffe

      an:

      Erstens den „Aus-einem-überzeugend-verbreiteten-Gerücht-wird-auch-immer-eine-überzeugende-Wahrheit-Kniff“ und zweitens „Den Fehlerteufel-Kniff“.

      Ich möchte diese beiden Techniken anhand von zwei Beispielen aus dem Fußballsport verdeutlichen.

      Fangen wir mit dem ersten Kniff an:

      Die Zeitung Wahrheit schreibt als „wahres Gerücht“, dass der ruhmreiche FC Schalke 04 beabsichtigt, in der Sommerpause eine brasilianische Granate zu verpflichten, um endlich wieder die Meisterschale nach Gelsenkirchen zu holen. Auf dem linken Bild ist ein strahlender Manager zu sehen, der die Meisterschale hochhält (eine der üblichen Fotomontagen), und auf dem rechten Bild erkennt man undeutlich das Brustbild eines muskulösen Mannes, der an einem schönen Sandstrand steht und aufs Wasser sieht. Weitere Details verspricht der Reporter der Wahrheit für die nächsten Ausgaben.

      Dem Schalker Manager verschlägt es beim Aufschlagen der Zeitung die Sprache. Er will gerade zum Hörer greifen, um den ihm bestens bekannten Reporter zur Sau zu machen, als der ihm zuvorkommt und seinerseits den Manager anruft. Der Reporter schlägt vor, sich noch am selben Abend mit dem Manager zu treffen, um die weitere Vorgehensweise der Wahrheit zu besprechen.

      Am Treffpunkt ergreift der Manager sofort das Wort:

      „Was soll der Blödsinn mit der brasilianischen Granate? Du weißt ganz genau, dass wir finanziell nicht auf Rosen gebettet sind. Und ich habe nie behauptet, dass wir schon in der kommenden Saison Meister werden. Wir warten jetzt schon über 50 Jahre auf die Schale, da kommt es auf ein Jahr mehr oder weniger auch nicht an. Was ist das überhaupt für ein Spieler? Ich habe von diesem Typen noch nie etwas gehört.“

      Der Reporter lehnt sich entspannt zurück und entwickelt dem staunenden Manger sein Konzept:

      „Wie du weißt, schreibt unsere Zeitung nur die Wahrheit. (Der Manager wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte.) Bei dem Spieler handelt es sich um ein uneheliches Kind, das ein gewisser Franz aus Bayern anlässlich eines Besuches in NRW vor 20 Jahren mit einer brasilianischen Sambatänzerin gezeugt hat. Der Franz weiß aber nichts davon. Die Mutter hat ihren Sohn auf den für einen Brasilianer ungewöhnlichen Namen Franz Xaver getauft. Er kostet 1.000€ Ablöse und verlangt kein Gehalt. Und das Gute an Franz Xaver ist, dass er aus bestimmten Gründen gar nicht Fußball spielen kann.“

      Der Manger sah den Reporter an wie einen Irren.

      „Was