Jörg Müller

Manni, kannst Du uns das mal erklären?


Скачать книгу

      Also machte sich Kurt, der Bodenständige, auf den Weg nach Berlin, der Bodenlosen. Dort stellte er schnell fest, dass ein kleiner netter Salamander aus Steinfeld keine Chance gegen die riesigen und hinterhältigen Schlangen im Politterrarium von Berlin hatte. So sehr der kleine Salamander sich auch mühte, den großen Schlangen aufs Maul zu schauen und zu verstehen, was eigentlich um ihn herum vorging, umso weniger hatte er Erfolg. Er musste zu jedem Zeitpunkt aufpassen, dass er nicht von seinen (Schlangen-) Freunden gefressen wurde. Kurt wurde erst wütend und resignierte dann doch sehr schnell. Er sehnte sich zurück nach seiner Heimat, wo ein Salamander noch respektiert wurde, auch von Schlangen. Denn davon gab es auch in Rheinland-Pfalz genug.

      Aber Kurt wollte nicht mit leeren Händen von Berlin nach Steinfeld zurückkehren. Da kam ihm sein Parteifreund „Das-ist-auch-gut-so-Wowi“, eine bekannte Berliner Schlange, unerwartet zu Hilfe. Wowi nahm Kurt kurz vor dessen Abreise aus Berlin zur Seite:

      „Mein lieber Freund Kurt (Kurt lief bei diesen Worten ein Schauer über den Rücken), ich möchte dir zu deinem plötzlichen Abschied, den ich von ganzem Herzen bedaure, einen Geheimtipp mit auf deinen weiteren politischen Weg geben:

       Tust du Gutes, freuen sich die Wählerinnen und Wähler und vergessen dich ganz schnell. Wenn du aber zum Beispiel Schulden in deinem Land auftürmst, die alles bisher da gewesene übertreffen, bleibst du auf ewig in den Köpfen der Menschen. Und was will man mehr als Politiker, als auf Dauer unvergessen zu sein.

      Kurt sah Wowi mit seinen Steinfelder Augen fragend an. Wowi legte jetzt freundschaftlich seinen Arm um ihn. Bei Kurt schrillten alle Alarmglocken. Wenn bloß seine Rosi nichts davon mitbekam.

      „Mein lieber Freund Kurt, deshalb heißen die fünf Zauberworte für die politische Unsterblichkeit: Wohltaten verteilen und Schulden machen. Und je beliebter du beim Wahlvolk wirst, umso mehr Schulden kannst du unbemerkt und ungestraft machen. Man wird dich immer mehr lieben und schon bald wirst du unsterblich sein. So wird das in Berlin schon seit 1948 gehandhabt. Nimm dein großes Vorbild Willy Brand. Er wird heute noch von uns Berlinern geliebt.“

      Kurt bedankte sich und stieg nachdenklich in sein Auto und schlief erschöpft von den Strapazen der letzten Wochen und Monate ein. Die Worte von Wowi verfehlten selbst im Schlaf nicht ihre Wirkung.

      Als Kurt kurz vor Mainz wieder aufwachte, hatte er die Lösung: Das Projekt Nürburgring! Hier konnte er bei der Realisierung Schulden ohne Ende machen und sich dann bestimmt sicher sein, dass ihn die Rheinland-Pfälzer nach Fertigstellung dieses Projektes nie mehr vergessen würden.

      Kurt ging voller Energie ans Werk.

      Je unfähiger seine Berater waren, umso mehr waren sie für die Umsetzung seines Projektes geeignet. Und Kurt bewies ein glückliches Händchen bei der Auswahl seiner Berater.

      Sein Meisterstück lieferte er allerdings nach der letzten Landtagswahl (2011) in Rheinland-Pfalz ab. Er band die einzigen hartnäckigen Gegner seines Projektes, die Partei der Gutmenschen und Besserverdiener, mit in die Regierungsverantwortung ein.

      Der Erfolg gab ihm Recht. Mit dem Projekt setzte unser Kurt nicht nur mehrere 100 Millionen Euro in den Sand, er war sich auch sicher, dass der Wowi in Berlin vor Neid erblassen würde.

      Aber Wowi war für Kurt in jeder Hinsicht eine Nummer zu groß. Als die Kunde von den Verlusten des Nürburgringprojekts von Mainz nach Berlin drang, nahm Wowi seinen alten Kumpel Matthias P. an die Seite:

      „Matthias, wir dürfen uns von dem Salamander aus Mainz mit seinem Schwachsinnsprojekt auf keinen Fall die Schau stehlen lassen. Hast du eine Idee, wie wir die Verluste vom Kurt noch toppen können?“

      Matthias hatte.

      „Ich sage nur ein Wort: Flughafen.“

      Wowi nickte anerkennend. Da würde der Kurt aber Augen machen.

      Und die Moral von (in) der Geschicht‘?

      Es gibt keine!

      Uli, mach mal zehn Pils auf meinen Deckel.

      Prost!

      2 Krankenhaus

       Unser Thema des heutigen Abends:

       Warum gibt es eigentlich Krankenhäuser?

      Unterstellen wir, dass keiner von uns gerne krank ist.

      Unterstellen wir weiterhin, dass uns unsere Gesundheit lieb und teuer ist.

      Gestehen wir den Krankenhausbetreibern zu, dass sie schwarze Zahlen schreiben wollen (und müssen).

      Mit diesen Unterstellungen und dem Zugeständnis ausgestattet, nähern wir uns dem heutigen Thema.

      Fangen wir mit dem Begriff Krankenhaus an. Ein Krankenhaus ist ein Haus für Kranke. Das hört sich gut und logisch an.

      Da ich voraussetze, dass ihr alle wisst, was ein Haus ist, wenden wir uns der schwierigeren Frage zu: Was ist ein Kranker?

      Ein erster Definitionsversuch: Ein Kranker ist ein ehemals Gesunder, der jetzt nicht mehr gesund ist. Das klingt wieder logisch, reicht uns aber noch nicht. Wenden wir uns deshalb den Gesunden zu. Das Besondere an den Gesunden ist, dass sie über eine gute Gesundheit verfügen.

      Gesundheit beschreibt den idealen Zustand optimalen Wohlbefindens. Dies bedeutet, dass gesunde Menschen jederzeit in der Lage sind, einen 100%igen Beitrag zum reibungslosen Funktionieren unseres Gemeinwesens zu leisten.

      Im Gegensatz dazu beschreibt Krankheit den Zustand einer körperlichen, geistigen oder psychischen Störung bei einem ehemals gesunden Menschen.

      Körperliche und geistige Störungen sind selbst für Laien relativ leicht zu erkennen. Bei den psychischen Störungen wird dies schon schwieriger. Aber unsere Ärzte haben ja im Gegensatz zu uns studiert.

      Kranke Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass sie während des Zeitraums, in dem sie krank sind, ihre Aufgaben als Teil unserer Gesellschaft nicht oder nur eingeschränkt erfüllen (können). Es liegt deshalb in unser aller Interesse, dass diese kranken Menschen schnell wieder gesund werden und zu 100% ihren Beitrag für unsere Gesellschaft leisten können. Deshalb kommen diese kranken Menschen zur Pflege in ein Krankenhaus.

      Aber es gibt kein Licht ohne Schatten. In den Krankenhäusern kommt es (unerwartet?) zu einem Interessenskonflikt. Auf der einen Seite stehen wir, die Patienten. Wir wollen gerne so gepflegt werden, dass wir schnellstmöglich gesunden und das Krankenhaus verlassen können, um einen 100%igen Beitrag zum reibungslosen Funktionieren unseres Gemeinwesens zu leisten. Dem gegenüber stehen die Betreiber der Krankenhäuser, die den größten Wert darauf legen, dass die Betten der Krankenhäuser möglichst zu 100%, besser noch zu 200% belegt werden.

      200%? Wie geht das denn?

      Ganz einfach. Der gesund gepflegte Exkranke wird nicht am Mittag oder Abend geheilt entlassen, sondern erst am nächsten Morgen gegen 7.30 Uhr, weil sich der Chefarzt persönlich während einer 15 Sekunden dauernden Visite noch einmal davon überzeugen will, dass der Exkranke sich nicht über Nacht eine neue körperliche, geistige oder psychische Störung zugezogen hat und somit zum Neukranken wird, was bekanntermaßen in den Krankenhäusern keine Seltenheit ist, vor allen Dingen, wenn das Krankenbett nicht sofort neu belegt werden kann. Während der Chefarzt nun scheinheilig dem Gesunden einen guten und sicheren Heimweg wünscht, berechnet die Verwaltung des Krankenhauses der Krankenkasse des Gesunden einen vollen Tag. Nachdem die Putzkolonne eines Subunternehmers die Spuren des Neu-Gesunden innerhalb von 3,5 Minuten beseitigt hat, wird das gerade freigewordene Bett um 8.00 Uhr von einem neuen Kranken belegt. Hierfür berechnet die Verwaltung des Krankenhauses der Krankenkasse des neuen Kranken ebenfalls einen vollen Tag.

      Und das Beste daran ist: alle sind zufrieden.

       Der Gesunde, weil er schon so früh nach Hause darf, für diesen Tag noch krankgeschrieben ist und somit