Jörg Müller

Manni, kannst Du uns das mal erklären?


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etwa so, als wenn der FC Schalke 04 für einen Kredit, den der FC Bayern München in München bei der Deutschen Bank aufnimmt, bürgt.

      Wie bereits erläutert, dürfen die Kreditinstitute nur nach vorgegebenen Spielregeln Kredite vergeben. Dies hat zur Folge, dass die Banken, die gegen diese Vorschriften verstoßen, weil sie interessante und gewinnversprechende Projekte mit nicht zu 100% den Vorschriften konformen Krediten begleiten, bestraft werden. Kreditinstitute, die gar keinen Kredit vergeben und deshalb keine Regelverstöße begehen können, heimsen dagegen mit null Arbeit zum Jahresende das größtmögliche Lob ein, frei nach dem Motto, wer nichts macht, macht auch keinen Fehler.

      Bei unserer Sparkasse passen die in der Regel hoch qualifizierten Kommunalpolitikerinnen und -politiker in den Aufsichtsgremien darauf auf, dass bei unserer Sparkasse keine Fehler gemacht werden. Und wenn ihnen wie in jedem Jahr die Leitung der Sparkasse versichert, dass das nun bald abgelaufene Jahr wieder fehlerfrei verlaufen ist, klopfen sie sich bei wenig Speis und viel Trank gegenseitig auf die Schultern und freuen sich ohne zu hinterfragen, warum dies so ist.

      Und die Folgen, die aus dieser (fehlerfreien) Handlungsweise resultieren?

      Bürger unserer Stadt beziehungsweise ortsansässige Unternehmen, die ein großes und oft überlebenswichtiges Interesse an einem fairen Kredit haben, sind die Opfer dieser Null-(Risiko-)Kreditvergabepolitik. Die Folge ist die Gefährdung von Hunderten von Arbeitsplätzen in der Region, deren Erhalt unmittelbar von positiven oder negativen Kreditentscheidungen zum Beispiel der Sparkasse abhängt. Dass sich eine hohe Arbeitslosigkeit wiederum negativ auf die betroffene Gemeinde und damit auch auf das Geschäft unserer Sparkasse auswirken wird, scheint dort niemanden so richtig zu interessieren, denn die Arbeitsplätze bei der Sparkasse sind im Gegensatz zu anderen Arbeitsplätzen in unserer Stadt sehr sicher, egal ob Kredite vergeben werden oder nicht.

      Zum Abschluss noch ein Beispiel zu den Folgen von Basel XY und Kreditklemme aus der Praxis.

      Paul Mustermann ist 58 Jahre alt, Witwer und kinderlos. Er betreibt seit 33 Jahren erfolgreich ein Dachdeckergeschäft. Die örtliche Kommune und diverse Wohnungsbaugesellschaften gehören zu seinen Stammkunden. Er beschäftigt zehn Gesellen, drei Auszubildende und die Büroarbeit erledigt eine 60 Jahre alte Fachfrau, die schon seit 33 Jahren im Unternehmen tätig ist. Der 35 Jahre alte Geselle Hubert K hat das Potenzial, perspektivisch das kleine, aber feine Unternehmen zu übernehmen. Die Geräteausstattung muss modernisiert und der Bauhof im Hinblick auf die zukünftigen Anforderungen umgebaut werden, denn Paul möchte mit 65 Jahren Hubert K eine kleine Perle übergeben. Paul macht sich gut gelaunt und voller Zuversicht auf den Weg zu der Sparkasse unserer Heimatstadt. Dort hat er um 15.00 Uhr einen Termin, um einen Kredit in Höhe von 200.000€ mit einer Laufzeit von sieben Jahren zu beantragen. Da die Sparkasse seit 33 Jahren seine Hausbank ist, über die er seinen gesamten Zahlungsverkehr abwickelt und die seine Bonität deshalb genauestens beurteilen kann, geht er von einem ebenso kurzen wie erfolgreichen Kreditgespräch aus. Aber da der ihm seit über 30 Jahren bekannte Firmenkundenbetreuer Armin H unerwartet nach dem Genuss der von der Sparkasse subventionierten „Sparsuppe“ in der exklusiven Kantine des Hauses mit gesundheitlichen Problemen ausfällt, übernimmt der ebenso dynamische wie gestylte 25-jährige Jungprofikundenbetreuer Kevin B das Gespräch mit Paul. Ehe Paul seiner Überraschung Ausdruck verleihen kann, legt der Jungprofi los:

      „Wir sind ein kommunal tätiges, auf den kleinen Mittelstand spezialisiertes Kreditinstitut, das über den Tellerrand hinausschaut und sich speziell mit den Wünschen unserer Kunden auseinandersetzt.“

      Paul nutzte die Atempause des Jungprofikundenbetreuers und wirft ein:

      „Das weiß ich und deswegen bin ich hier.“

      Der Jungprofi ist merklich aus dem Konzept gebracht. Die Folien, die ihm während seiner Ausbildung zum Jungprofikundenbetreuer immer wieder vorgelegt worden waren, sahen eine Wortmeldung des Kunden an dieser Stelle nicht vor.

      Aber er war nicht umsonst der Jahrgangsbeste.

      „Wir arbeiten allein kunden- und nicht gewinnorientiert. Das unterscheidet uns von den abzockenden Großbanken.“

      Wieder unterbricht Paul den Jungprofikundenbetreuer strahlend:

      „Auch das weiß ich und deswegen bin ich hier“.

      Der Jungprofikundenbetreuer schüttelt sich einmal kurz und fasst spontan den Entschluss, bei diesem offensichtlich extrem renitenten Kunden mehrere Folien seiner Ausbildung zu überspringen. Er geht in die Offensive.

      „Lassen Sie mich raten, Sie sind hier, um die Dienste unseres hervorragenden Hauses in Anspruch zu nehmen.“

      Ehe er weiterreden kann, überreicht Paul dem Jungprofikundenbetreuer alle Unterlagen, die er bei mehreren Terminen mit dem Firmenkundenbetreuer Armin H besprochen hatte.

      Der Jungprofikundenbetreuer ist überrascht. Die ihm jetzt vorliegenden Unterlagen sind perfekt zusammengestellt und komplett. Das sahen die Ausbildungsfolien ebenfalls nicht vor.

      Der Jungprofikundenbetreuer entscheidet sich zu der Strategie ‚Angriff ist die beste Verteidigung‘.

      „Wollen Sie wissen, was mir unser Vorstand sagt, wenn ich ihm Ihren Kreditwunsch vortrage?“

      Völlig überraschend für den Jungprofikundenbetreuer antwortet Paul:

      „Ja, das würde ich als Unternehmer, der mehr als 30 Jahre Kunde dieses Hauses ist, gerne wissen.“

      Auch diese Antwort sahen die Ausbildungsfolien nicht vor. Der Jungprofikundenberater beschließt, sich von den Ausbildungsfolien zu lösen.

      „Da haben wir ja eins gemeinsam“, meinte er jovial.

      „Das möchte ich nämlich auch gerne wissen. Aber seit einigen Monaten spricht der Vorstand nicht mehr mit mir, weil ich die letzten Kredite, die ich vergeben habe, alle in den Sand gesetzt habe. Deshalb bin ich in die Abteilung ‚kleine Fische‘ strafversetzt worden und sitze Ihnen deshalb jetzt gegenüber. Wenn Sie wissen, was ich meine.“

      Paul ist merklich irritiert.

      „Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was Sie mir gerade mitteilen wollen.“

      „Aber das ist nun wirklich sonnenklar. Es gibt keinen Kredit für Sie, weder bei uns, noch bei einer profitsüchtigen Großbank.“

      Pauls krankhafter Blutdruck steigt in schwindelerregende Höhen.

      „Aber meine Sicherheiten. Ich möchte einen Kredit über 200.000€ und in meinem Aktiendepot, das Ihr Institut, vertreten durch Herrn J, empfohlen hat und verwaltet, liegen Aktien im Wert von über 400.000€.“

      Jetzt ist der Jungprofikundenbetreuer in seinem Element.

      „Der Kollege J, der Ihnen vor über zehn Jahren das Aktiendepot empfohlen hat, hat dabei gegen Basel XY verstoßen, wenn Sie wissen, was ich meine. Der hat auch erst kürzlich meiner 91-jährigen Oma eine zins- und steueroptimierte Anlage über 30 Jahre angedreht.

      Ihr Depot hat aktuell noch einen Wert von 15.000€. Nennen Sie mir deshalb einen Grund, warum ich Ihnen Geld leihen soll.“

      „Meine Bilanzen und meine Kundenstruktur sind in Ordnung. Ich bin seit ewigen Zeiten Kunde dieses lokalen Kreditinstitutes. Ich möchte meinen Betrieb neu aufstellen und neue Arbeitsplätze schaffen.“

      „Das sagen sie alle, sagen Sie doch mal was Neues.“

      Paul ist völlig verwirrt. Die Gedanken kreisen in seinem Kopf. Dann fasst er einen Entschluss.

      „Ich habe gerade beschlossen, dass ich mein florierendes Geschäft verkaufe, mein Aktiendepot auflöse, mein daraus resultierendes Vermögen verschenke und dann Selbstmord begehe.“

      Der Jungprofikundenbetreuer ist begeistert.

      „Ich freue mich, dass ich Ihnen weitergeholfen habe.“

      Die beiden verabschieden sich voneinander.

      Der Jungprofikundenbetreuer fasst noch einmal kurz in Gedanken das Gespräch mit Dachdecker Paul Mustermann