John Etter

JOHN ETTER - Virus


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      „Ich weiß, nicht jeder von euch ist gut auf ihn zu sprechen. Aber wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen. Er hat für uns schon einige Male die Kohlen aus dem Feuer geholt und es nie gegen uns verwendet. Für die Pressekommentare kann er nichts. Mehr gibt es zu ihm nicht zu sagen.“

      Bär stoppte den aufkeimenden Redefluss seiner Leute noch einmal.

      „Ein noch unbekannter Fahrradkurier hat heute Morgen ein Couvert mit diesem Inhalt bei ihm abgegeben.“

      Bär legte ein Foto auf den Tisch.

      Die umstehenden Polizisten erkannten ihren verstorbenen Kollegen sofort.

      „Einige Fotos lagen einzeln in jenem Couvert. John hat sie fotografiert und mir übermittelt.“

      Es war mucksmäuschenstill im Raum.

      „Das Schlimmste kommt noch.“

      Bär holte ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus dem Veston.

      „Dieser Brief lag den Fotos bei. John ist zurzeit mit den Originalen unterwegs zu uns, damit wir die Unterlagen untersuchen lassen können. Hier sind das zweite und das dritte Foto, welche John mir übermittelt hat.“

      Bär nahm sein Handy und zeigte das zweite und das dritte Foto herum, weil er davon noch keinen Ausdruck gemacht hatte.

      Es handelte sich um die beiden Kollegen, die im Kantonsspital um ihr Leben rangen.

      Der Keller

      Karl Grob saß um 9.00 Uhr vor dem Fernseher und sah sich die Wiederholung der Berichterstattung des Regionalsenders an.

      Er war zufrieden. Sehr zufrieden.

      „Geschätzte Zuschauer, ich verabschiede mich jetzt auch von ihnen und sobald es etwas Neues gibt, schalten wir live ins laufende Programm und lassen sie es wissen. Wir fahren mit dem täglichen Programm weiter. Als Nächstes sehen Sie Perspektiven …“

      Karl drückte den Aus-Knopf der Fernbedienung, lächelte zufrieden und ging nach unten in die kleine Küche.

      „Läuft“, sagte er zu sich selbst, holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank, setzte sich nach draußen und schaute über den ruhig und kalt wirkenden See.

      Sein Blick schweifte seeabwärts in Richtung Kantonshauptstadt. Aus dem See drückten einige Nebelschwaden durch die Kälte nach oben. Es würde ein sonnig schöner, kalter Tag werden.

      „Na, habt ihr schon richtig Angst“, flüstere er mit einem triumphierenden Lächeln vor sich hin.

      Karl Grob ging es gut, wie selten in den letzten Jahren. Sein Plan war punktgenau gestartet und er würde in den nächsten Wochen alles daran setzen, dass es so weiterging. Diesen Winter würde in der Schweiz niemand so schnell vergessen.

      Nachdem er das Bier getrunken hatte, ging er zurück ins Haus, sah sich im Vorbeigehen das Foto auf dem Kamin an und strich zärtlich mit seinen Fingern über den Rahmen. Dies tat er jeden Tag.

      Seine Frau und seine Tochter strahlten ihm entgegen. Zuversichtlich, kraftvoll und voller Liebe schauten Sie ins Objektiv seiner Kamera. Es war seit langer Zeit sein Lieblingsbild und es war für ihn ein Ritual, jedes Mal beim Vorbeigehen, über den Rahmen oder das Foto zu streicheln.

      „Es war nicht vergebens. Es war nicht vergebens.“

      Diesmal sprach er wieder lauter. Er sprach häufig mit dem Bild und es gab Tage, an denen diese Gespräche mit dem Foto die einzigen waren, die er führte.

      Danach ging er in den Keller, um die folgenden Schritte vorzubereiten. Er hatte noch viel vor und er würde es gut machen. Wie immer. Er würde wieder keine Fehler machen.

      Karl öffnete die Tür und drückte ein paar Knöpfe. Es wurde taghell im sonst dunklen Keller. Eine Maschine nahm ihre Arbeit auf und sorgte mit einem fast lautlosen Brummen dafür, dass im Keller Unterdruck herrschte. Er würde keine Fehler machen, dachte Grob wieder.

      Der Keller sah fast so aus, wie sein ehemaliger Arbeitsplatz bei einem großen Pharmaunternehmen. Im Lauf der Zeit hatte er sich ein vollständig ausgestattetes Labor im Keller aufgebaut.

      In einigen Käfigen tummelten sich weiße Mäuse und schienen sich auf den ersten Blick recht wohl zu fühlen.

      Damals, als er entlassen wurde, war sein Labor schon fast perfekt eingerichtet. Ihn interessierten die verschiedenen Arten von Viren und ihre Wirkungsweisen. In den Vereinigten Staaten hatte er vor vielen Jahren, anlässlich einer wissenschaftlichen Weiterbildung die gefährlichen und häufig tödlichen Hanta und Navajo genannten Viren ausführlich kennengelernt.

      Alles was ihm jetzt noch fehlte, konnte er sich im Internet bestellen. Anfänglich, auf der Suche nach einigen Laborgeräten, fiel seine Aufmerksamkeit auf eine ganz außergewöhnliche Firma.

      Diese nannte sich „The Odin“ und war ganz einfach zu finden. Das erste Mal, als er im Internet auf diese Seite traf, dachte er, dies sei ein Witz, ein Fake. Doch schon bald wurde er davon überzeugt, dass alles real war, was er hier lesen konnte.

      Auf der Seite „ über uns“ war in englischer Sprache zu lesen: Wir bei ODIN glauben, dass die Zukunft von Gentechnik dominiert sein wird und das von Verbrauchern erstellte genetische Design wird ein großer Teil davon sein. Wir machen das möglich, indem wir Kits und Werkzeuge entwickeln, die es jedem ermöglichen, einzigartige und brauchbare Organismen zu Hause oder in einem Labor oder überall herzustellen.

      Beim ersten Lesen dieser Worte, verursachte das bei Karl Grob noch ein wenig Kopfschütteln. Später suchte er sich durch die Produktepalette und wunderte sich immer mehr.

      Vom sogenannten Genetic Engineering Home Lab Kit, welches alles enthält, was es zum Designen von einfach manipulierbaren Genen braucht, bis zum Frog Design Kit, welches alles enthält, was nötig ist, um Frösche genetisch zu verändern, konnte man sich alles nach Hause liefern lassen.

      Er las, was das Home Lab Kit alles beinhaltete und war erstaunt darüber, dass dies scheinbar frei erhältlich war. Und als Draufgabe erhielt er, wenn er ein solches Kit bestellen würde, sogar noch eine vergünstigte Zusatz-Mikrozentrifuge.

      Karl brauchte nicht lange, um sich selbst davon zu überzeugen, dass es zu diesem günstigen Preis kein großes Risiko war, ein solches Kit zu bestellen. Er suchte sich noch ein paar zusätzliche Produkte und Angaben heraus, bestellte schlussendlich ein Kit und ein paar Zubehörteile, die ihm in seinem privaten Labor noch fehlten. Bezahlen konnte er per PayPal, was Karl sehr sympathisch war.

      Um nicht aufzufallen, gab er als Lieferadresse jeweils die Adresse seines besten und in der Zwischenzeit auch einzigen Freundes Cheesy Huber an, der ihm die Pakete ohne groß nachzufragen übergab. Dieser ging davon aus, dass Karl sich irgendwelches Sexspielzeug bestellte und nicht wollte, dass seine jetzige Partnerin, Patrizia Keller, davon erfahren sollte.

      Einige Teile wurden schon nach einer Woche geliefert und er war mit der Qualität der Ware sehr zufrieden. Es schien sich um hochwertige Produkte, ähnlich wie in seinem ehemaligen Labor, zu handeln.

      Zwei Monate nach Bestellung kam das letzte Paket an. Grob hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, aber der Lieferant beantwortete seine Anfragen immer prompt und die Lieferung überzeugte ihn.

      Karl war klar, dass er sich nur mit diesem Kit nicht an allen rächen konnte, die er auf der Liste hatte. Aber mit den anderen Utensilien in seinem Minilabor, seinem Wissen über die Gentechnik und die Veränderung von Genen war dies nun ein Leichtes. Und es schien so, als könnte dies mit Hilfe des Internets auch ein Amateur tun.

      Sein Selbstwertgefühl, welches in den letzten Jahren enorm gelitten hatte, bekam einen Schub.

      Er, Karl Grob würde Geschichte schreiben. Und er würde seinen Schwur einlösen.

      Einerseits war er überzeugt, dass er den perfekten Mord begehen konnte, andererseits würde er dies nicht einmal wollen. Er wollte, dass die Welt erführe, warum genau diese Personen gestorben waren. Er würde sich jetzt rächen.

      Und