John Etter

JOHN ETTER - Virus


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obersten Stockwerk des Spitals. Sie warteten auf weitere Anweisungen von Bruno Bär, der in der Zwischenzeit ebenfalls dazu gestoßen war und im Sitzungszimmer des Spitals im Erdgeschoss saß.

      Konrad ging den Flur entlang und sah ein kleines Kind weinend auf dem Boden sitzen. Er schaute das Mädchen an und setzt sich neben sie.

      „Warum weinst du denn?“, fragte Konrad.

      Das Mädchen schaute auf, schenkte Konrad einen aufmerksamen Gesichtsausdruck und lehnte sich an ihn.

      „Kleine, warum weinst du?“, wiederholte er.

      „Mein Papa ist krank.“

      „Wie heißt dein Papa?“, wollte Konrad wissen.

      „Er arbeitet bei der Polizei!“

      Konrad wurde einiges klar.

      „Wer bist du?“, fragte das Mädchen.

      „Ich bin der Konrad und auch Polizist“.

      Konrad schaute das Mädchen an.

      „Ich bin die Marie Stocker. Versprich mir, dass du meinen Papa wieder gesund machst, und den findest, der ihm das angetan hat.“

      Konrad nahm das Mädchen in den Arm, als er bemerkte, dass sie wieder zu weinen begann.

      Marie war sofort Vertraut mit Konrad, was dieser, der sonst nichts mit Kindern anfangen konnte, sofort erstaunt feststellte.

      Da das Team auf Befehle ihres Chefs wartete und dieser immer noch im Besprechungszimmer war, konnte Konrad sich Zeit mit Marie lassen. Es gab im Moment noch nichts zu tun, also hielt er Marie im Arm und Marie konnte sich langsam beruhigen.

      „Wo ist deine Mutter?“, fragte Konrad, als das Mädchen sich erholt hatte.

      „Sie ist noch auf Gran Canaria mit ihren Freundinnen. Der Flug geht erst heute Abend zurück. Sie kommt bald.“

      „Und wer passt auf dich auf?“

      „Der Papa. Und wenn er arbeiten muss, unsere Nachbarin. Aber die musste meine etwas älteren Freunde von der Schule abholen. Sie kommt dann wieder her.“

      „Deine Freunde“, fragte Konrad nach.

      „Ja, ihre Kinder, Sofie und Thomas.“

      „Ich verstehe. Und wer passt hier auf dich auf? Bist du ganz alleine?“

      „Nein, eine Schwester. Aber die ist jetzt bei Papa drin.“

      „Verstehe.“

      Marie drückte sich ganz nahe an Konrad.

      Endlich ging die Tür zum Zimmer auf, in dem Konrad Maries Vater vermutete. Er konnte einen kurzen Blick auf das Innere des Zimmers erhaschen und sah, dass im Zimmer drin eine Schleuse eingebaut war. Der gesamte Raum war wie in eine Plastiktüte verpackt.

      Eine Krankenschwester betrat den Gang und kam auf Marie und Konrad zu.

      Konrad sah in ihre geröteten Augen.

      Zu Marie gerichtet meinte die Krankenschwester: „Im Moment kannst du leider nicht rein, Marie. Komm, wir gehen nach hinten in den Pausenraum und ich mache dir eine heiße Schokolade.“

      Sie zeigte auf eine Türe am Ende des Gangs.

      Marie löste sich von Konrad, stand auf und lief den Flur entlang nach hinten.

      Virenkunde

      Bär und Etter saßen um 10.20 Uhr einem der leitenden Ärzte gegenüber. Dieser hatte sich als Professor Erich Palmer vorgestellt.

      Bärs Team wartete im obersten Stockwerk immer noch auf weitere Befehle. Währenddessen erklärte er seine Rolle in der Sache und ließ sich dann von Palmer noch einiges mehr über Viren erklären.

      „Wir sind nun sicher, dass es sich um ein neuartiges Virus, vermutlich genmanipuliert, handelt. Ich versuche mal, es so einfach wie möglich zu erklären, als wären Sie meine Studenten. Ist das für Sie in Ordnung?“

      Bär nickte heftig und fügte ein „Sehr gerne.“ an.

      „Es scheint“, begann Palmer, „dass es sich um einen Supervirus durch gentechnische Manipulation handelt.“

      John und Bär schauten sich an.

      „Also etwas, was absichtlich in die Welt gesetzt wurde?“

      „Es scheint so. Dazu muss man wissen, dass Viren das Genom des Menschen und vieler Spezies mitgestaltet haben. Über die Entstehung und Veränderung von Zellen und Organismen haben Viren einen gravierenden Einfluss auf die Evolution gehabt. Nach neuesten Schätzungen besteht unser Genom zu 50 Prozent aus Fragmenten von Retroviren. Unter der Bezeichnung Junk-DNA wurden diese Fragmente lange Zeit nicht beachtet. Heute weiß man, dass sie eine entscheidende Rolle bei der Genexpression spielen. Doch wann sind Viren gut für den Menschen und wann gefährlich?“

      Das Interesse von Bär und Etter war immer noch hoch, wie Palmer ihren Gesichtsausdrücken entnehmen konnte.

      „Viren haben sich über Millionen von Jahren gemeinsam mit ihrem Wirt entwickelt. Viele bringen ihren Wirt nicht um, weil sie selber überleben möchten. Tödlich wirkt ein Virus nur, wenn die Balance des Wirtsorganismus gestört ist, oder wenn das Virus zu einem anderen Lebewesen übertritt, das sich nicht anpassen konnte.“

      Palmer unterbrach kurz, schenkte sich ein Glas Wasser ein und fuhr fort:

      "Viren sind wahrscheinlich dafür wichtig, dass wir uns schnell an neue Umweltbedingungen anpassen können. Die Elemente der Viren, die sich in unserem Erbgut befinden, sorgen dafür, dass es schnell zu sogenannten Duplikationen kommen kann. Das heißt, dass aus einem Gen zum Beispiel zwei Gene werden. Und dieses zweite Gen kann dann von der Evolution dazu verwendet werden, sich auf eine neue Eigenschaft, eine neue Umweltbedingung einzustellen und sich so zu verändern. Das ist ein viel schnellerer Weg in der Evolution als ein komplettes Gen durch Mutation neu entstehen zu lassen. Ist das noch verständlich?"

      Die beiden schwenken die Köpfe so, dass Palmer annehmen konnte, dass es gerade noch ging.

      „Nun, neue Viren stammen meist von Tieren. HIV-ähnliche Viren existieren bei Affen schon seit mindesten fünf bis zwölf Millionen Jahren. Jährlich werden zwei bis drei unbekannte Viren entdeckt, die von Tieren auf den Menschen übertragen werden. Jedes Virus könnte eine Lücke in der menschlichen Immunabwehr offenbaren und eine Pandemie auslösen. Doch die panischen Diskussionen über die Krankheitserreger verdecken, dass Viren tatsächlich überwiegend positive Eigenschaften besitzen. Nur etwa ein Prozent sind gefährlich. Viren sind Grenzgänger zwischen lebender und toter Materie.

      An der Influenza sterben jährlich weltweit bis zu 500.000 Menschen und an HIV jährlich 2,8 Millionen, trotz Medikamenten. Sie verstehen?“

      Jetzt nickten die beiden zustimmend.

      „Viren sind einem Waldbrand vergleichbar. Je früher man eingreift, umso besser. Sonst muss man immense, auch wirtschaftliche Folgen, einkalkulieren. Die Weltbank schätzt den weltweiten volkswirtschaftlichen Schaden einer Pandemie auf 683 Milliarden Euro. Und die Gefahr wächst, denn heute kann ein Infizierter innerhalb von Stunden fast jeden Ort der Welt erreichen. Globalisierung und Klimawandel führen dazu, dass sich immer mehr exotische Krankheiten verbreiten, die früher auf eng begrenzte Gebiete Asiens oder Afrikas beschränkt waren.“

      Palmer schaute in die Gesichter seiner beiden Gegenüber, um zu überprüfen, ob sie ihm noch folgen konnten und fuhr danach unbeirrt weiter:

      „In Tierarten, die bisher nur wenig Kontakt mit Menschen hatten, lauern möglicherweise zahllose mörderische Erreger. Und durch Mutation und Genaustausch zwischen verschiedenen tierischen Erregern entstehen ständig neue Viren.“

      Palmer nahm wieder einen großen Schluck Wasser, schaute auf seine wie Schüler vor ihm sitzenden Ermittler.

      „Jetzt, meine Herren, wird es für sie richtig interessant.“

      John