S.A. Michael

Charmante Tribune küsst man nicht


Скачать книгу

wischte er seine verschwitzten Hände am Tischtuch ab. „Wie weit sie wohl ihr Spiel treiben?“, murmelte er.

      Glaba drehte sich um. „Na solange, bis einer anfängt zu heulen. Solange wir das nicht sind. Bei Jupiter, dann wird mir dieses nervtötende Gebrabbel aber so etwas von egal sein. Oder, was denkst du?“

      Vala trat wieder zu ihnen und wirkte beträchtlich ruhig. „Lieblingscherusker hin oder her. Möglich wäre alles.“

      „Ha, dann ist er bescheuerter, als ich dachte. Der Heuchler kennt doch die Stärke Roms und weiß, das es beinah unmöglich ist, die Legionen zu besiegen. Blöde nenne ich das. Was hat der andere Streithammel gesagt?“ Vala schaute nachdenklich zur Decke und sagte kaum hörbar „Etwas ungeheuerliches.“, was Scip jedoch verstand. Dann lauter. „Nur von einem Wispern in nächtlichen Ecken. Feine Gespinst, die man spinnt.“

      „Wie poetisch. Hat er Zeugen, die gegen diesen rothaarigen, windigen Hund einer läufigen Gorgone?“

      „Nicht, dass ich wüsste. Zumindestens hat er sich mir nicht anvertraut. Doch hege ich den Verdacht, dass er mehr weiß, als er preis gibt, und er später noch einmal auf mich zukommt, wenn er von Varus nicht gleich aus dem Lager geschmissen wird.“ Valas Gesicht wurde ernster, und nachdenklich schaute er zu den Klinen auf der sich der Feldherr still sitzend am Kinn strich und Segestes mit starrer Mine betrachtete. Seine Mimik sprach Bände. Doch würde er auch auf sein Innerstes hören? Numonius bezweifelte in diesem Moment die Urteilskraft des Varus. Scip schien es, als wäre der Cherusker seiner Sache sehr sicher, und plötzlich sah er ihn mit anderen Augen.

      „Außerdem“, stieß Glaba hervor. „Wenn er wirklich so etwas vorhätte. Wann? Wo? Wie? Darauf weiß dieser Nörgler auch keine Antwort. Nein, Leute, daran glaub ich nicht im Geringsten und macht unseren Truppenspaßvogel lediglich Angst. Nicht wahr, Frischling?“

      Scip blitzte ihn an und verzog verächtlich seine Mundwinkel. Die Versuchung war groß, ihn eine passende Meinung unterzujubeln., ohne auf das stetige mahnende Geheule des Vala zu achten.

      „Herr.“ Der junge Tribun zuckte zusammen und drehte sich um. Er war zu sehr mit dem sich entwickelnden Drama beschäftigt, indem Segestes immer mehr in die Ecke gedrängt wurde, und sich Arminius immer mehr bei Varus einschleimte, sodass der Herr des Feldes keinerlei logischen Gedanken mehr fassen konnte und ihm beipflichtete.

      Vala`s Schreiber trat auf sie zu, salutierte. Stocksteif, wie ein Stock. Scip musste schmunzelten. Bei seinem schlaksigen Körper des achtzehnjährigen Burschen könnte dieser Spruch passend sein.

      „Was gibt es?“, fragte Vala und sah ihn an.

      Der Junge nagte nervös an seiner Unterlippe und suchte nach den passenden Worten. „Ich wollte gerade die Verpflegungslisten der Reiterei auf deinen Tisch legen, als ich bemerkt habe, dass deine Sachen durchwühlt worden sind.“

      Vala grinste hämisch. „Wir befinden uns im Aufbruch. Natürlich sind meine Sachen durcheinander.“

      „Vergebung, Herr. Auch in der kleine Truhe, die du normaler Weise verschlossen hältst?“, antwortete er mit einen ungeheuerlichen, versteckten Genugtuung, welche er eigentlich verbergen wollte, und nur Scip seinen Sarkasmus bemerkte. Der Schreiber wartete Numonius Reaktion ab und wurde nicht enttäuscht. Der Reiterpräfekt wurde kreidebleich. Hielt seinen Atem an und überlegte. „Verdammt“, fauchte er auf und wand sich suchend um. Sah Scip nachdenklich an, der gerade versuchte, einen Apfel nach braunen, verfaulten Stellen abzusuchen. Aus dem Augenwinkel bemerkte er Vala`s Auforderung, atmete schwer und schaute genervt. Ausgerechnet er. Wieso kein anderer der Anwesenden hier im Zelt?

      „Los, komm mit. Ich brauch einen Zeugen!“ Scip blieb nichts erspart. Angewidert ließ er seine halbverfaulte Frucht in den Korb fallen, während Glaba, froh, dass es ein anderes Opfer erwischt, unbeteiligt an seinem Pfirsich zupfte. Die weiche Schale vom Fleisch pellte, mit solch einer Hingabe, dass er völlig seine Umgebung vergaß. Sein Blick hinter dem Schleier der saftigen Frucht verschwand, und sie begierig anstarrte, um seine Zähne in die wonnige Süße zu schlagen. Ohne eine Reaktion auf seine Umwelt und der Dinge, die sich um ihn herum abspielten. Wie immer, wenn es kompliziert erschien. Dabei war er ein hervorragender Offizier und Vorgesetzter.

      Vala nickte Scip zu. Dieser wischte sich die Hände am Tischtuch ab und verschwand nach ihm durch die Tür in die Nacht. Hinter ihnen ertönte ein schallendes Lächeln des Feldherren und seinem inneren Kreis an Speichelleckern. Für den Fürsten eine Schmach, denn Varus hatte sich für den jüngeren Cherusker entschieden und seinen Glauben an ihm, in der Hoffnung, dass er keinen Fehler begangen hatte.

      Vala stürmte voraus. Scip hatte Probleme ihm zu folgen, trotz seiner körperlichen Fitness.

      In Vala`s Behausung hatte sich nichts verändert.

      Noch immer herrschte das übliche, gewohnte Chaos wie vor zwei Stunden, mit der einzigsten Ausnahme, dass der Bursche nicht da war, und der Präfekt zielsicher zu seiner kleine Truhe, die am Rande seines Bettes stand, zusteuerte. Daneben thronte sein Regal, indem er seine unzähligen Rollen und Wachstäfelchen stapelte.

      Nervös schaute er in das Innere der Truhe, nahm er eine schmale Schatulle in die Hand drehte sie wie ein gehetztes Tier in alle Richtungen. Seine Finger fingen an mit zittern, und Scip fragte sich, was den sonst so nüchternen Kerl aus der Fassung bringen konnte, als er das Kästchen immer noch fluchen um seine eigene Achse drehte, um sich seiner Unversehrtheit zu versichern.

      Scip kannte diese Kassetten von seiner Mutter. Wer nicht`s von seinem Geheimnis wusste, blickte in ein tiefen Abgrund der Unwissenheit. Fanden nicht das Geheimfach hinter der gläsernen Perle. Wer auch immer nach diesem Inhalt suchte, kannte sein Heimlichkeit nicht, obwohl es sein Hersteller in der Touristenhochburg um Pompeji in Massen produziert hatte und nur dort erworben werden konnte. Oder der Einbrecher war einfach nur gestört worden. Unter der schwarzen Perle befand sich ein Knopf, dessen Mechanismus ein kleines Fach offen legte. So zumindestens in der Praxis der Kästchens seiner Mutter. Aber bei Vala? Der Getriebe funktionierte nicht. Er hatte seine eigene Methode an seinen Inhalt zu kommen und bohrte mit einem kleines Stockchen in das Loch unterhalb der Zierkugel. Die Lade sprang auf, und die Augen seines Besitzers fingen an zu glänzen. Ein lauter Jauchzer drang über seine schmalen Lippen und aufgeregt ließ das Schächtelchen fast fallen.

      Scip schaute fragend auf. Einen solchen Ausbruch hatte er bei ihm noch nie erlebt.

      „Soll ich raten?“, fragte er neugierig. Vala schaute ihn leicht gereizt auf. Was auch immer er darin versteckte, musste enorm wichtig sein, dass er es keinem verriet. Geschweigeden sich einem Außenstehenden anvertraute. Vorsichtig zupfte er an einem der Enden des kleingefalteten Papyrus und schaute sich nach einem neuen Versteck um. Was in seinem Kopf vorging, konnte der jüngere Offizier nur erraten und eine erleichterte Ruhe legte sich über seinen Körper, starr durch Scip hindurch, was sein Gegenüber leicht irritierte. Vala`s Gedanken glitten in den bodenlose Abgrund seiner Geheimniskrämerei. Immer weiter weg. Seine Mine wurde immer starrer, wie eine der grusligen Masken in einer griechischen Tragödie.

      „Bist du noch anwesend?“, fragte er leise und wagte einen Schritt auf ihn zuzulaufen. Seine Stille war gespenstig, unheimlich. Zögerlich hob er seine Hand und fuchtelte winkend langsam vor seinen Augen herum.

      Vala zuckte zusammen. Schnell kehrte er aus seiner Starre zurück und blickte ihn nachdenklich an.

      „Ömm. Den Jungen hast du nicht gesehen?“

      „Nein. Der ist nicht hier. Was ist denn los?“

      „Später. Wir sollten uns aufraffen und ihn suchen gehen, denn es ist wichtig, dass wir ihn finden.“

      „Sicher. Er wird sich sicherlich noch um dein Zeug kümmern. Oder er lauscht irgendwelchen Tratsch der Truppen. Wer mit wem? Oder ähnliches Dummzeug, was gerade so durch die Gegend schwebt.“

      „Mag sein.“ Vala hielt inne. „Nein, wir sollten ihn suchen. Das ist besser, und ich habe Gewissheit, wo er sich herumtreibt.“ Hinter dem Gebäude und dem Lärm der Soldaten, die ihre allabendlichen Beschäftigungen nachgingen, führe ein Pfad vom dem hellen Schein der Lagerfeuer weg, hinein in das Dunkel