Jürgen Ruszkowski

Deutschland 1800 - 1953


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das Handwerk auf breiter Front durch die Industrie verdrängt und ersetzt. Bekleidung stammte weiterhin aus der Schneiderei (oder wurde im Haushalt selbst hergestellt), Schuhe kamen vom handwerklichen Schusterbetrieb. Bäcker, Metzger und andere „Nahrungsmittelhandwerker“ blieben kleinbetrieblich organisiert. Sie profitierten vom Rückgang der Selbstversorgung in den wachsenden Städten.

      Urbanisierung, also eine deutliche Zunahme des Anteils von Städtern an der Gesamtbevölkerung, ist kein unmittelbares Resultat von Industrialisierung. Städte wuchsen bereits, bevor es irgendwo Industrie gab, und im Industriezeitalter wirkten weiterhin nichtindustrielle Ursachen städtischer Expansion, etwa die verstärkte Einbindung von Hafenstädten in den Welthandel. Doch im Deutschland der Jahrzehnte nach 1850 ergab sich ein enger Zusammenhang zwischen beiden Prozessen. Am deutlichsten war er dort, wo sich neue montanindustrielle Regionen bildeten und durch Zuzug rasch wuchsen. Besonders auffällig war das Entstehen einer Städtelandschaft im Ruhrgebiet. Einige der dort aufstrebenden Städte gingen auf mittelalterliche Gründungen zurück, wie etwa Essen, viel charakteristischer war aber das rapide Wachstum neu gegründeter „Industriedörfer“ wie Oberhausen, das 1874, zwölf Jahre nach dem Beginn der Besiedlung, bereits 15.000 Einwohner zählte. Richtige Großstädte gab es zur Zeit der Reichsgründung im Ruhrgebiet noch nicht; die eigentliche Expansion erfolgte im Kaiserreich. Städte wuchsen auch aus anderen Gründen: als Zentren der Textilindustrie wie Chemnitz und Barmen (heute ein Teil von Wuppertal), als Eisenbahnknotenpunkte wie Hannover oder als multifunktionale Metropolen wie an erster Stelle Berlin, das 1871 mit 826.000 Einwohnern (um die Jahrhundertmitte erst 412.000) die mit Abstand größte Stadt im Deutschen Reich war. Die Urbanisierung war geografisch sehr ungleich verteilt. Große Landstriche wurden von ihr kaum berührt. Dort bildete die Kleinstadt, ein beliebtes Motiv von Malerei und Literatur, weiterhin den Rahmen des Alltagslebens: selten mit Kanalisation, Wasserversorgung und Gasbeleuchtung ausgestattet, manchmal noch hinter Toren und Mauern versteckt. Die hier vorherrschende Mentalität hatte mit der nach außen offenen Urbanität Berlins und anderer Großstädte wenig gemeinsam.

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      Chronologie zur Deutschen Kolonialgeschichte

       Chronologie zur Deutschen Kolonialgeschichte

       https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/afrikanische-diaspora/59376/chronologie

      1847

      Vorlage der „Denkschrift über die Erhebung Preußens zu einer See-, Kolonial- und Weltmacht ersten Ranges“ vor dem Vereinigten Landtag in Preußen.

      1856-1868

      Errichtung einer Niederlassung des Bremer Handelshauses Friedrich M. Vietor Söhne in Togo (1856);

      Errichtung einer Niederlassung des Hamburger Handelshauses Carl Gödelt in Togo (1866);

      Errichtung einer Niederlassung des Hamburger Handelshauses Carl Woermann in Kamerun (1868).

      1871

      Proklamation des Deutschen Reiches in Versailles;

      Otto von Bismarck wird Reichskanzler (bis 1890);

      Artikel 4 der Verfassung des Norddeutschen Bundes – die Sicherung der Möglichkeit zu überseeischen Erwerbungen – wird ohne Abänderung in die Reichsverfassung übernommen.

      1874-1882

      Errichtung einer Niederlassung des Hamburger Handelshauses Jantzen & Thormählen in Kamerun;

      Gründung des „Zentralvereins für Handelsgeographie und Förderung deutscher Interessen im Auslande“ in Berlin (1878);

      Erster Deutscher Kolonial-Kongress;

      Gründung des „Verein für Handelsgeographie und Kolonialpolitik“ in Leipzig (1879);

      Errichtung einer Niederlassung des Hamburger Handelshauses Franz Wölber & Walter Brohm in Togo;

      Gründung des „Deutschen Kolonialvereins“ in München(1882).

      1884

      Februar:

      Kampf in Togo zwischen deutschen Firmenbesitzern und einer Gruppe um den Togoer Amtsträger Lawson;

      Entführung von drei seiner Mitstreitern durch die deutsche Marine; Abtransport nach Deutschland, Gefangennahme in der Kaserne des 2. Garderegiments in Berlin-Spandau (bis Juni).

      März:

      Ernennung des Afrikaforschers und Diplomaten Gustav Nachtigal zum „Reichskommissar“ für die westafrikanische Küste.

      Juli:

      Abschluss von Verträgen zur Meistbegünstigung des deutschen Handels mit afrikanischen Amtsträgern in Togo, Errichtung der Kolonie Togo;

      Abschluss von Verträgen zur Meistbegünstigung des deutschen Handels zwischen Duala Amtsträgern und den Hamburger Handelsfirmen C. Woermann und Jantzen & Thormählen;

      Errichtung der Kolonie Kamerun;

      Aufstand in Duala.

      August:

      Errichtung der Kolonie Deutsch-Südwest-Afrika (heutige Republik Namibia).

      September:

      Entsendung des neu gegründeten „Geschwaders für die Westküste Afrika“ mit sechs Kriegsschiffen und ca. 1.300 Marinesoldaten nach Afrika.

      Oktober:

      Wahl in Deutschland. Haupt-Wahlkampfthema: Kolonialpolitik. Ergebnis: Sieg der Bismarck-nahen Parteien;

      Die Regierung Otto von Bismarcks überreicht eine Mitteilung an die europäischen Kolonialmächte über die Besitzergreifung von bestimmten Orten in Westafrika.

      November:

      Eröffnung der Westafrika-Konferenz („Kongo-Konferenz“) in Berlin.

      1885

      Februar:

      Beendigung der Westafrika-Konferenz in Berlin; Abkommen über Handelsverträge und über die Aufteilung des afrikanischen Kontinents in europäische Einflusszonen; Errichtung der Kolonie Deutsch-Ost-Afrika (heutige Republik Tansania). Auf dem Bild unten: Askari-Söldner:

Grafik 10

      1888-1891

      Gründung der „Deutschen Kolonialgesellschaft“ / DKG (1888);

      Einrichtung der Kolonial-Abteilung im Auswärtigen Amt (1890);

      Aufstände in Deutsch-Ost-Afrika; (1891 bis 1907) Aufstände in Kamerun (1890 bis 1898).

      1896-1902

      „Erste deutsche Kolonialausstellung“ im Treptower Park in Berlin, etwa 100 afrikanische Vertragsarbeiter aus allen deutschen Kolonien sind anwesend (1896);

      Überreichung einer Petition gegen die deutsche Kolonialpolitik in Kamerun durch die Londoner „African Association“ an Kaiser Wilhelm II (1898);

      Besuch der Duala Könige Manga Bell und Dika Akwa in Berlin (1902);

      Überreichung von Petitionen an die Kolonial-Abteilung im Auswärtigen Amt (1902).

      1904-1905

      Gründung der Deutsch-Westafrikanischen Bank in Berlin durch ein Konsortium unter der Leitung der Dresdner Bank. Eröffnung von Zweigstellen in den deutschen Kolonien Kamerun und Togo (1904);

      Aufstände der Gruppen Khoikhoin und Herero in Deutsch-Südwest-Afrika, Ermordung von etwa 75.000 Herero (1904 bis 1906);

      „Maji Maji“-Aufstand auf den deutschen Baumwollplantagen in Deutsch-Ost-Afrika, Ermordung von etwa 200.000 Menschen in den Aufstandsgebieten (1905 bis 1908);

      Überreichung von Petitionen gegen die deutsche Kolonialpolitik durch Könige und Amtsträger aus Togo und Kamerun an die Reichsregierung (1905).

      1906-1907