in den Süden zum Oranjefluss auf, um Mineralien zu suchen. Am Ufer des Oranje bestiegen Lüderitz und Steingröver ein Faltboot, um damit den Fluss auf seine Schiffbarkeit zu untersuchen. In seinem letzten Brief an die zurückgebliebenen Kollegen schrieb er: „Der Fluss ist hübsch und romantisch, macht uns aber viel Arbeit, da wir 52 Stromschnellen zu überwinden hatten.“ Beide Kanuten übernachteten auf der Farm des Buren Kort Doorn, verließen dann das Festland und waren seitdem verschollen geblieben. Das war das Ende des Großkaufmanns aus Bremen im Mündungsgebiet des Oranjeflusses (siehe: In Treue fest – Deutsch-Südwest, Seite 112,113).
Doch zurück zur Gründung der Schutztruppe, denn sie war jetzt notwendiger denn je. Zuerst wurde eine private Schutztruppe, die aus deutschen Siedlern bestand, rekrutiert und aufgestellt, die sich den aufständigen Hereros und Namas entgegenwarf und die Weißen verteidigten sollte. Als diese ihre Unterlegenheit gegenüber den kriegerischen Eingeborenen nach Berlin telegrafierten, kam endlich Bewegung seitens der Reichsregierung und des Militärs ins Spiel. Ein Herr Heinrich Ernst Göring aus Emmerich wurde vom Kaiser zum Reichskommissar von Deutsch-Südwestafrika ernannt.
Man sollte die Kolonie befrieden, die ausgebrochenen Unruhen der Herero- und Namastämme niederschlagen. Doch der „gelbe Hendrik“ (Häuptling der Namastämme), einer der verwegensten Räuber in Deutsch-Südwest, und der „weiße Wilhelm“ waren als König und Kaiser von Gottes Gnaden für zwei verschiedene Reiche bestimmt. Keiner kannte den anderen, wahrscheinlich hätten sie sich auch gegenseitig gehasst, weil beide große Dickköpfe waren. Als die deutschen Südwestler Hendriks Waffenhandel unterbinden wollten, vertrat der Nama furchtlos die Meinung, dass „der Mensch ein natürliches Recht auf das Tausch- und Prestigemittel Waffe habe, ebenso wie auf Sonne und Regen!“ (vergl.: In Treue fest, Deutsch-Südwest, Seite 114.)
Estorffs legendärer Kavallerietransport. 1894 kamen sie mit dem Dampfer „JULIA BOHLEN“ in Swakopmund an, allerdings ohne Pferde. Die Logistik hatte noch nicht einwandfrei funktioniert. Einige Herren mussten zu Fuß von Swakopmund nach Windhuk marschieren, da an der ganzen Küste keine Pferde aufzutreiben waren. (Wahrscheinlich hatten einige Herren bei diesem Spaziergang runde Füße bekommen. Anmerkung des Verfassers) siehe: In Treue fest, Deutsch-Südwest.
Quelle : Längin B.: Die deutschen Kolonien, In Treue fest, Deutsch Südwest
Nachfolgender Reichskommissar von Herrn Göring wurde der aus Strümpfelbrunn im Odenwald stammende Kommandeur der Schutztruppe und Gouverneur Theodor Leutwein
Jetzt war eine militärisch gedrillte Schutztruppe gefordert, die per Schiff aus Deutschland nach Deutsch-Südwest transportiert wurde. Die angereisten Herren in ihren Paradeuniformen waren in bester Stimmung und glaubten, ein leichtes Spiel mit den Hereros und den Namas zu haben.
Doch Hochmut kommt vor dem Fall. Der Schuss ging zunächst nach hinten los! Auch diese Elitetruppe erlebte enorme Verluste, da die kriegerischen Reiter der Namastämme sich in der Geographie des Landes besser auskannten und gut bewaffnet waren. Die Herren in ihren Ausgehuniformen, alles kleine Wilhelms, mussten anfangs bitteres Lehrgeld bezahlen. Mancher Schutztruppler hauchte im Wüstensand sein Leben aus. Man brauchte mehr Militär aus der Heimat, und man brauchte ein Mittel zum schnelleren Transport innerhalb des Landes. Um die Schutztruppler in Zukunft schneller zu allen Brennpunkten der ausgebrochenen Unruhen der Herero- und Namaaufstände zu bringen und Nachschub von der Küste ins Inland zu befördern, beschloss die Deutsche Kolonial-Gesellschaft, eine Eisenbahnlinie zu bauen. Ausgangspunkte waren Swakopmund in der Mitte der Küste und Lüderitzbucht im Süden. Die Eisenbahntrasse wurde von Angehörigen der Schutztruppe und von „Bastardeinheiten“ von der Küste ins Inland verlegt. Bastardeinheiten bedeutete im Beamtendeutsch „Mischblut-Stammkompanien“. Die Herrenmenschen beschäftigten Mischblutangehörige, weil sie sie dringend nötig brauchten. Es gab also bereits Mischehen, allerdings waren diese auch verpönt bei den Deutschen und den Buren. Auf jeden Fall wurde der Bau der Eisenbahnstraße eine große Herausforderung der Herren.
Ein noch größerer Feind als die Eingeborenen war die Natur. Wanderdünen machten ihnen an der Küste bei Lüderitzbucht das Leben zur Hölle. Immer, wenn eine Trasse fertig gelegt war, passierte es, dass ungünstige Winde die Wanderdünen in Bewegung setzten und die Trasse unter dem Sand begruben. Und diese mussten immer wieder von den Pionieren freigeschaufelt werden. Doch jetzt kamen die Herren Ingenieure auf eine glorreiche Idee. Es wurden Streckenposten eingerichtet. Alle 20 km wurden an der Trasse im Umkreis von Lüderitzbucht Bahnmeisterposten eingerichtet, die von einem Bahnmeister mit einem angestellten Hottentotten, also einem Angehörigen der Nama, kontrolliert wurden. Die Eisenbahn fuhr damals, man schrieb bereits das Jahr 1908, zweimal die Woche von Lüderitzbucht nach Kalkfontein fast an der Grenze des Oranjeflusses.
Und dann passierte etwas, womit in Deutsch-Südwest und im kaiserlichen Berlin mit seinem Hang zu Militärparaden niemand gerechnet hatte. Der Glückspilz der Stunde am 8. Mai 1908, also 23 Jahre nach Adolf Lüderitz’ Abflug ins Nirwana, war einer dieser Bahnmeister und Angestellten der Kolonial- und Eisenbahnbau-Gesellschaft Lenz & Co., August Stauch.
Stauch war mit seinem farbigen Streckenarbeiter Zacharias Lewala mit der Draisine auf der Strecke unterwegs, als dieser Zacharias während einer Verschnaufpause im Kiessand bei Kolmanskuppe ein paar wasserklare Klippies fand, die – nach eingehender Prüfung des kaiserlichen Regierungsgeologen Paul Range – die saubersten Diamanten waren, die er je gesehen hatte, also Diamanten, die der Oranjefluss vor Millionen Jahren ins Meer gespült hatte und die von Wind und Wellen zurück an Land getragen und nun im Wüstensand versteckt lagen.
August Stauch
Die daraufhin verbreitete Nachricht vom Hottentottenparadies löste einen Diamantenrausch unter den deutschen Glücksrittern und Spekulanten aus. Bahnmeister Stauch ergriff die Chance seines Lebens und kaufte sich das Schürfrecht über ein Gebiet von 75 qkm. „Die Diamanten in ihrer ganzen breiten Aussaat fanden in den nächsten sieben Monaten die zähen Lüderitzbuchter unter einem fast übermenschlichen Aufwand an Energie“ (Grimm). „Jeder lag im Sand und scharrte, verwegene Gestalten hinter jeder Klippe“. In Kolmanskuppe entstand eine blühende Diamantenstadt. „Es ist genug da für alle, man braucht sich doch nur danach zu bücken, am besten vormittags vor dem Einsetzen des Nebels“ (siehe: In Treue fest – Deutsch-Süd-West, Seite 148). Herr Stauch wurde der „Diamantenkönig“ genannt. Er gab die Streckenfahrerei sofort auf, gründete damals mit deutschen Geldgebern die Koloniale Bergbau-Gesellschaft und brachte es in kürzester Zeit zum ersten Millionär von Deutsch-Südwest. Ein cleverer Junge, dieser Herr Stauch.
Doch jetzt wachten auch die verschlafenen Beamten in Berlin auf! Der Reichskanzler und der Kaiser erkannten den kommenden Geldsegen und machten sofort Schluss mit der Schürfrechtvergabe. Im September 1908 wurde ein 100 km breiter Küstenstreifen zwischen dem Oranje und dem 26. Breitengrad Süd zum Sperrgebiet erklärt. Das deutsche Kapital wurde - wie immer - gierig. „So, wie die Dernburgsche Sperrverfügung dem Großkapital für die Ausbeutung der Diamantenfelder den Löwenanteil zusicherte, so schlug sie auch – Zuwiderhandlungen wurden nach § 90 der Bergwerksverordnung mit 500 Mark Strafe oder mit Haft geahndet – dem kleinen Mann damit ins Gesicht.“ 1909 kam es zur Gründung der Deutschen Diamanten–Gesellschaft. Eine typische beamtendeutsche Diamantenfund-Registrier-Gesellschaft erhielt das Monopol zur Vermarktung und diente als Sammelstelle. Während Buren und Engländer voller Habgier und Neid über die Grenze blickten, wurden Lagerstätten in Elisabethbucht, Pomona, Bogenfels und Charlottental abgebaut. Zwischen 1908 und 1913 wurden 4,7 Millionen Karat im Wert von rund 150 Millionen Reichsmark gewonnen, also etwa ein Fünftel der damaligen Weltförderung von Diamanten (vergl.: In Treue fest – Deutsch-Südwest, Seite 149). Es hätte mit den sprudelnden Einnahmen aus dem Diamantenhandel damals noch jahrelang so weitergehen können, denn der schöne Wilhelm benötigte diese Finanzspritze aus dem Wüstensand aus Deutsch-Südwest. Immerhin kostete der Aufbau seiner ultramodernen Kriegsflotte ein Vermögen. Und hätte nicht, ja, hätte nicht dieser