k Kaiser Franz-Joseph, auch von Gottes Gnaden, in den völlig überflüssigen Krieg zwischen Österreich und Serbien hineinziehen lassen, sondern diesen bereits heraufziehenden Konflikt von vorneherein energisch abgewehrt. Aber diese Courage hatte er leider nicht! 1918 war Deutsch-Südwest futsch, die Einnahmen aus dem Diamantenhandel waren futsch und seine stolze Kriegsflotte war auch zu 80 Prozent von der Royal Navy versenkt worden. Weiterhin waren ihm auch seine engsten Militärberater abhandengekommen, die ihm den ganzen Schlamassel eingebrockt hatten, und er selbst musste abdanken, um in Holland aus lauter Frust Holz zu hacken. Es hätte nie einen Versailler Vertrag gegeben, nie die schlimmen zwanziger Notjahre und nie wären Adolf Hitler und seine Nationalsozialisten 1933 an die Macht gekommen. Leider hatten Wilhelms militärische Ratgeber Ludendorff und Hindenburg ihm den falschen Weg gewiesen bzw. sogar diktiert. Und das kostete bei Ausbruch des I. Weltkriegs den Deutsch-Südwestlern ihre Heimat. Sie wurden binnen kurzer Zeit von einer militärischen Übermacht aus der Kapkolonie überrannt und enteignet. Möglich, dass diese Diamantenfunde eine bedeutende Rolle beim Ausbruch des Krieges gegen das Kaiserdeutschland gespielt hatten. Doch das ist mein rein subjektives Gedankenspiel. Nur, nachdenklich macht es im Nachhinein allerdings, dass das seit 1918 weltweit größte Diamanten-Imperium „De Beers“ bis heute der einzig verbliebene private Nutznießer der Diamantenabbaufelder geblieben ist. Man darf sich doch darüber ein paar Gedanken machen - oder nicht? Haben wir Deutschen etwas aus der vergangenen Weltgeschichte dazugelernt? Leider bis heute nicht allzu viel.
Das waren einige Seiten Nachhilfe in Geschichtsunterricht über Südwestafrika. Hoffentlich verzeihen meine Leser mir diesen Exkurs in die Vergangenheit.
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Deutsche Musterkolonie in China
Deutsche Musterkolonie in China
Schon kurz nach der Landung des deutschen Kreuzergeschwaders und noch vor dem Abschluss des Pachtvertrages begann der Aufbau einer deutschen Verwaltung.
An der Spitze der zivilen wie militärischen Verwaltung stand ein Marineoffizier als Gouverneur. Er war Verwaltungschef und zugleich Befehlshaber der Truppen an Land. In zeitlicher Reihenfolge versahen Admiral Oskar von Truppel (1897-1898 und nochmals 1901-1911), Konteradmiral Carl Rosendahl (1898-1899), Kapitän zur See Paul Jaeschke (1899-1901) und Vizeadmiral Alfred Meyer-Waldeck (1911-1914) dieses Amt. Unterstützung sollte der Gouverneur durch einen Gouvernementsrat als Repräsentationsorgan der deutschen Einwohner und ein Chinesisches Komitee als Vertretung besser gestellter Chinesen erhalten. Während der Gouvernementsrat – letztlich vergebens – die Machtfülle des Gouverneurs beschränken wollte, wurde das zunächst erfolglose chinesische Komitee 1910 in eine landsmannschaftlich organisierte Handelskammer umgewandelt. Von da an war dieses Gremium als Scharnier zwischen Deutschen und Chinesen weitaus effektiver.
Da auch das Hinterland von Jiaozhou (Kiautschou) erschlossen werden sollte, wurden Ingenieure zu Vermessungsarbeiten für die Trasse der Shandong-Bahn ausgesandt. Der respektlose Umgang der beauftragten Bahnbaugesellschaft v. a. mit den chinesischen Grabhainen führte dabei mehrmals zum Widerstand der chinesischen Bevölkerung. Zudem hielten die Übergriffe auf die ebenfalls im Hinterland tätigen christlichen Missionare an. Dies zusammen diente als Legitimation für mehrere deutsche Strafexpeditionen, denen mehrere hundert Chinesen zum Opfer fielen, teilweise sogar außerhalb des deutschen Schutzgebietes.
Wichtigstes Ziel war, Jiaozhou (Kiautschou) zu einer Musterkolonie des Deutschen Reiches aufzubauen. Dies hatte u. a. die Herstellung von Rechtssicherheit durch eine Vielzahl an Gesetzen, Verordnungen und anderen Reglementierungen zur Folge. Dazu wurde ein effizientes Notar- und Rechtssystem mit den Bezirksämtern Qingdao (Tsingtau) und Licun aufgebaut. Die Administration verließ sich dabei auch auf die Mitarbeit chinesischer Vertrauensleute – Sippenchefs und Dorfälteste. Insgesamt gewannen diese Institutionen durchaus das Vertrauen der chinesischen Seite. Auf dem Gebiet der Rechtsprechung waren unterschiedliche Gerichte für Einheimische, Zivilisten, Marinesoldaten und für Streitigkeiten zwischen Chinesen und Nicht-Chinesen zuständig. Europäer wurden oftmals milder bestraft als Einheimische, was zu anhaltender Kritik an der Rechtsungleichheit Anlass gab. Insgesamt wurde jedoch ein geordnetes, kalkulier- und kontrollierbares Zusammenleben für alle Bewohner der Kolonie geschaffen und die deutsche Herrschaft gewann nicht zuletzt dadurch zweifellos an Stabilität und innerem Frieden.
Sogleich nach der Landung machte sich die Marineverwaltung auch an den Landkauf in Qingdao (Tsingtau). Ein dreiteiliges Regelwerk aus Landordnung, Stadtentwicklungskonzept und Bauordnung schuf hierbei die Rahmenbedingungen. Die Rassentrennung der Wohngebiete wurde von Anfang an zu einem Markenzeichen der Stadt. Als Motiv wurden hygienische Gründe angeführt. Ergebnis war die Anlage der Europäerstadt Qingdao (Tsingtau), des chinesischen Händler- und Handwerkerviertels Dabaodao sowie der getrennt davon liegenden Arbeitersiedlungen Taidongzhen und Taixizhen. Die Trennung wurde auch in der Bauordnung sichtbar. Während in der Europäerstadt nur nach europäischen Vorgaben gebaut werden durfte, war in den übrigen chinesischen Vierteln chinesische Bauweise erlaubt. Ab 1912 allerdings wurde diese Trennung durch den Zuzug reicher Chinesen – darunter etliche entmachtete Mandarine – in das deutsche Viertel zunehmend durchbrochen. Auch die deutschen Bauherren und Architekten ließen sich durchaus von der für sie exotischen Pracht des Reichs der Mitte inspirieren. So entstand u. a. eine Geistermauer am Zugang zum Tsingtau-Klub, ein beliebter Anziehungspunkt deutscher gesellschaftlicher Ereignisse. Zugleich begann der Bau der Hafenanlage, die am 6. März 1904 – dem sechsten Jahrestag des Pachtvertragabschlusses – mit einem großen Fest eingeweiht werden konnte. Waldanpflanzungen und Aufforstungen tilgten das von den deutschen Kolonisten beanstandete kahle Aussehen des Pachtgebietes und festigten die von Erosion bedrohten Böden.
Insgesamt wurde die Stadt mit einer modernen, europäischen Ansprüchen genügenden Infrastruktur ausgestattet. So wurde sie mit einem Netz chaussierter Straßen, Regen- und Schmutzwasserkanalisation, Wasserleitungen und elektrischer Beleuchtung, Krankenhäusern und Schulen für Europäer und Chinesen, christlichen Kirchen, einer Postanstalt, einer Markthalle, einem Schlachthof und einer später berühmten Brauerei versehen.
Brauerei 1903 – das Tsingtau-Bier gibt es noch heute
Diese Infrastruktur, aus dem Nichts aufgebaut, verschlang Unsummen an Reichszuschüssen, was in Berlin immer wieder die Gegner des Projekts auf den Plan rief.
Die Bevölkerung der Stadt Qingdao (Tsingtau) entwickelte sich währenddessen rasch von 15.600 im Jahre 1902 auf über 55.000 im Jahr 1913. An dieser Zahl hatten die Nicht-Chinesen nur einen geringen Anteil: Deren Zahl entwickelte sich im gleichen Zeitraum auf 4.500. Den Großteil davon bildeten die Marinesoldaten. Im Jahr 1910 beispielsweise betrug deren Zahl 2.275 zu 1.531 Zivilisten. Im übrigen Pachtgebiet von Jiaozhou (Kiautschou), das etwa 450 qkm umfasste, wohnten zu Beginn der Kolonialzeit in 275 Dörfern etwa 80.000 bis 100.000 Menschen. Diese Zahl stieg bis 1913 auf knapp 200.000 Chinesen.
Von Anfang an war Jiaozhou (Kiautschou) nicht nur als Marinestation, sondern auch als Handelskolonie konzipiert. Dennoch blieben neben deutschen Unternehmern und Missionaren, Beamten und Reisenden auch immer mehr Marinesoldaten nach ihrem aktiven Dienst im Land. Viele von ihnen eröffneten kleine Handwerksbetriebe oder trieben Handel. 1914 wurden allein 36 deutsche Firmen gezählt, die sich mit Import und Export beschäftigten und 22 Gastronomiebetriebe. Diese profitierten vom guten Ruf des Seebades Qingdao (Tsingtau), dem aufblühenden Ausflugstourismus und dem Freizeitleben. Der Aufschwung verlief hierbei in Schüben: Die Anlage der Stadt, der Bau der Eisenbahn, der sukzessive Ausbau des Hafens und parallel dazu, die Fertigstellung der Eisenbahn waren hier bedeutende Wegmarken.
Shandong war bis zum Einmarsch der deutschen Truppen ein reines Agrargebiet, welches die anwachsende Bevölkerung schon lange nicht mehr hatte ernähren können. Bekanntestes Handelsprodukt war die hochwertige Shandong-Seide. Auch die deutschen Kolonisten versuchten sich in ihrer Produktion, blieben jedoch