Jürgen Ruszkowski

Deutschland 1800 - 1953


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der Afrikaaner im Pontok ins Spiel, denn dieser Fuchs setzte auf den geregelten Nachschub von Feuerwaffen, Kugeln, Pulver und Pferden (S.105). Er war ein echtes Pokerface, hart im Nehmen und verschlagen. Kapitän Jan Jonkers Handelsbeziehungen zu den burischen Wanderhändlern, den Ossentrekkern, waren gut. Die Buren gaben ihm Waren auf Kredit, woraufhin er sich von ihnen aber auch abhängig und manipulierbar machte. Elfenbein als Zahlungsmittel war knapp geworden. Diese Umstände zwangen ihn zum Handeln und zwangen ihn in das Räuber- und Kriegerleben. Es waren die Hererorinder, die er mit seinen Unterhäuptlingen immer wieder den Buren zutreiben musste. Und Jonkers besiegte ständig die Hererohäuptlinge. Als Jonkers 1861 starb, änderte das am Waffen-Rinder-Handelskreislauf nichts. Erst sein Enkelsohn Christian unterlag einem Hererohäuptling bei Otjimbinwe. Er wurde getötet. Die Hottentotten griffen Otjimbinwe erneut an, alle weißen Siedler und Missionsangehörigen mussten sich durch die Flucht retten. Die Hottentotten (Nama) tauschten damals in einem Monat zirka 4.000 Rinder bei den Buren gegen Waffen und sonstige Waren ein. Die Hererostämme besiegten die Nama erst bei Okahandja und bei Otjikango. Orlog führen war ein verdammter Kreislauf von biblischer Brutalität, war aber auch ein lohnendes Geschäft für die durchtriebenen Burenhändler.

      Leute, wie die Missionare Hahn oder Kleinschmidt sahen darin etwas wie eine Vorstufe zum Jüngsten Gericht. 1885 stellte sich „Kamaherero“, der Häuptling der Akahandja-Herero, unter den Schutz deutscher Siedler. Düstere Zeiten in Süd-West. Noch gab es die legendäre Schutztruppe des Kaiserreichs nicht, doch es sollte nicht mehr lange dauern, bis sie in Erscheinung traten und an dieser Küste landeten.

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      Adolf Lüderitz an Bord seiner Brigg TILLY, 1883

       Quelle: Bernd G. Längin, Die deutschen Kolonien, Schauplätze und Schicksale 1884-1918, Verlag E.S. Mittler & Sohn GmbH, Hamburg, Seite 109

      Erst jetzt tauchte die legendäre Gestalt namens Adolf Lüderitz auf der Bühne der Geschichte auf, eine Mischung aus Geschäftsmann, Handelsreisender und Marketing-Abenteurer. Als junger Mann hatte er sich in der „Neuen Welt“, also den Vereinigten Staaten von Amerika, umgesehen. Er hatte den Tabakmarkt in Virginia studiert, dann in Mexiko eine Farm geführt, wurde Opfer einer Revolution und kehrte abgebrannt nach Deutschland zurück. In Bremen heiratete er eine steinreiche Hanseatenbraut, übernahm das Tabakgeschäft seines verstorbenen Vaters und investierte das geerbte Geld in eine „Faktorei“ in Lagos–Nigeria. Dieser Schritt führte ihn in den westafrikanischen Handel ein. Lüderitz lernte einen weiteren Abenteurer kennen, nämlich den abgebrannten Kapitän zur See Timpe. Auf dessen Vorschlag, mit westafrikanischen „Wilden“ Geschäfte zu machen, kaufte er sich die 260-to-Segelbrigg „TILLY“. Vordergründig dachte man an den Ankauf von Elfenbeinzähnen, doch der „Erwerb von herrenlosem Land“ wurde auch ins Visier genommen.

      Als dritter Heißsporn gesellte sich zu den beiden der 21jährige Handelsgehilfe Heinrich Vogelsang, auch ein Bremer, eine Art Marketingstratege (würde man heute sagen) und Fantast, der sich zutrauen wollte, Togo als deutsche Kolonie zu gewinnen. Von hier bis zur Erkenntnis, dass Südwestafrika das gesündere Klima hat, war es nicht weit. Man einigte sich also auf den Südwestteil des Kontinents. Die Reise konnte losgehen.

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      Heinrich Vogelsang

      1983 traf die Brigg „TILLY“ unter dem Kommando von Kapitän Timpe und dem Bevollmächtigten der Firma F.A.E. Lüderitz, Heinrich Vogelsang, in der Bucht Angra Pequena (die enge Bucht) ein. Eng war die Bucht tatsächlich, denn auf den vorgelagerten Inseln hatten sich bereits die Kapholländer und Briten als Seehundsjäger niedergelassen. Der 21jährige Vogelsang ließ sich jedoch nicht verdrießen. Immer positiv denken und optimistisch bleiben! Nach dem Ankern ließen sie abends überschwänglich die Becher kreisen.

      Die Weichen zu dieser weiteren Entwicklung hatten also damals dieser Bremer Großkaufmann, weiter unser deutscher krankhaft geltungssüchtige Kaiser Wilhelm II, das aristokratisch geprägte und abenteuerwillige Offizierskorps, die kaiserliche Marineleitung, der damalige Reichskanzler, Fürst Otto von Bismarck, die Politiker im Reichstag und das deutsche Großbürgertum gestellt. Also Wirtschaftsunternehmer, welche den Gedanken einer Kolonialbewegung schürten und Deutschlands Eintritt in die Reihe der Kolonialmächte im Reichstag forderten, damit der deutschen Wirtschaft neue Absatz- und Rohstoffmärkte erschlossen werden konnten und „der Aderlass an kostbarem deutschen Blut (Auswanderer nach Amerika) durch Umleitung der Auswandererströme in koloniale Neuerwerbungen des Reiches ein Ende finden“. Und ausgerechnet Dr. Fabri, der Inspektor der in Südwestafrika tätigen „Rheinischen Mission“, dessen Veröffentlichung „Bedarf Deutschland der Kolonien?“, weckte das Interesse weiterer Kreise in der Wirtschaft. In diese Zeit fällt auch die Gründung eines ersten deutschen Kolonialvereins mit der Tarnbezeichnung „Zentralverein für Handelsgeographie und Förderung deutscher Interessen im Ausland.“ (vergl. Walter Nuhn, Kolonialpolitik und Marine, Bernard & Graefe Verlag, Bonn, 2002, S. 30, 31.) Das heißt, jetzt erst begann sich das Räderwerk der Politik zu bewegen. Aber das Intrigenspiel der Diplomatie lief bereits auf vollen Touren.

      Großbritannien und Frankreich hatten bereits 1882 ein auf eine Handelsmonopolstellung abzielendes Abkommen über die „Abgrenzung ihrer politischen und handelspolitischen Interessensphären an der Küste von Sierra Leone und nördlich davon“ im so genannten Sierra-Leona-Abkommen geschlossen. In diesem wurden den beiderseitigen Staatsbürgern „gleiche Vorzugsbehandlung“ dort zugesichert, während die dort Handel treibenden Bürger anderer Nationen, z. B. deutsche Kaufleute, mit hohen Zollsteuern belastet werden sollten. Weiterhin waren Frankreich und Großbritannien keineswegs daran interessiert, dass dem deutschen Kaiser auch ein Stückchen Land vom afrikanischen Kuchen zukommen würde. Im gleichen Jahr, bevor die Segelbrigg „TILLY“ Deutschland in Richtung Westafrika verließ, hatte sich am 16. November 1882 Herr Lüderitz an das Auswärtige Amt in Berlin mit der Anfrage gewandt, ob er für eine geplante Bremer Faktorei an der südwestafrikanischen Küste mit Reichsschutz rechnen könne. Doch das damals nicht gerade sehr kolonialfreundlich eingestellte Auswärtige Amt beantwortete Lüderitz’ Schreiben sehr schleppend. Die Herren Beamten waren, so wie heute immer öfter, total überfordert. Um den möglichen Risiken einer Benachteiligung deutscher Handelsinteressen in dieser Region entgegenzutreten, ersuchte Reichskanzler Fürst von Bismarck daraufhin die Handelskammern der Hansestädte Hamburg und Bremen um eine Stellungnahme zu diesem heiklen Thema. In dieser auf Initiative des uns bekannten Reeders und Großkaufmanns Adolf Woermann und mit Billigung der Bremer Handelskammer verfassten Schriftstückes wurde folgendes als unerlässlich festgehalten:

      Abschluss von Freundschafts-, Schutz- und Handelsverträgen mit westafrikanischen Herrschern zur Sicherung des dortigen deutschen Handels. Stationierung von Kriegsschiffen an der Küste von Westafrika, Einrichtung eines Konsulats in Westafrika, Einrichtung einer Kohlenbunkerstation der Kaiserlichen Marine auf Fernando Po, sowie sofortige Inbesitznahme des Küstengebiets der Biafra-Bucht (Kamerun), zur Anlage von deutschen Plantagen- und Handelskolonien für den Fall, dass England dort als Wettbewerber auftritt.

      Nach Erhalt dieses Schriftstücks stand der Reichskanzler jetzt in der Verpflichtung gegenüber den Wirtschaftsunternehmern des Reiches. In der Angelegenheit „Lüderitz“ lässt Bismarck, um angesichts der unklaren Besitzverhältnisse Verwicklungen mit England zu vermeiden, am 4. Februar 1883 in London anfragen, ob die Regierung Ihrer Majestät an der Küste Südwestafrikas nördlich des Oranjeflusses bis südlich von der – schon damals britischen – Walvish Bay Hoheitsrechte ausübe, und, wenn ja, ob sie nicht die geplanten Besitzungen des Herrn Lüderitz dort unter ihren Schutz nehmen könne. Anderenfalls, so ließ der Kanzler durchblicken, würde sich das Deutsche Reich die Ausübung dieses Schutzes vorbehalten. Bismarck war ein Fuchs. Diese Note an London war so abgefasst, dass dort der Eindruck geweckt werden sollte, als ob die Reichsregierung den Schutz der deutschen Untertanen in Südwestafrika durch die Britische Krone begrüßen würde. Doch die Antwort der britischen Regierung war ziemlich vage und ausweichend. Britische Diplomaten waren auch ausgebuffte Füchse. Die Kapkolonie – die auch der britischen Krone unterstand – hatte zwar einige Niederlassungen an der südwestafrikanischen Küste, darunter Walvish