Oliver Schulz

Der bekiffte Boxer beim Erstrundengong


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jeden offenen Blick zu Anna und schützte sich, indem er den Anschein coolster Gleichgültigkeit wahrte. Alles in ihm sehnte sich nach ihrer Aufmerksamkeit und Zuneigung, aber alles was er zeigte war, dass er keinen Menschen bräuchte.

      Inzwischen tobten die Partygäste im Rausch durch die dämmrigen Kellerräume. Die Enge, der Rauch und der Alkohol hatten Pete und Jonas soweit zur Strecke gebracht, dass sie zur Musik der „Rocky Horror Picture Show“ einen grandiosen Strip hinlegten und kreischend in den Pool sprangen. Sönke hüpfte mit wilden Pogosprüngen in voller Bekleidung hinterher und viele folgten seinem Beispiel. Ein Jauchzen und Juchzen entsprang dem überschwappenden Pool und die noch trockenen Umstehenden wurden mit lautem Hallo nassgespritzt.

      Marc beobachtete das Geschehen und dachte an einen geordneten Rückzug in Richtung des Ruheraumes, als ihn zwei Arme einen heftigen Schubser in Richtung Beckenrand verpassten. Im Fallen packte er sich instinktiv den Arm, zog seinen Besitzer mit in den Pool und tauchte mit Anna im Arm aus den Wassermassen auf. Sie lachte voller Übermut, tauchte Marc unter. Der ließ verdutzt alles mit sich geschehen, fühlte sich verzaubert und gelähmt zugleich und begann dann ihren Lockungen zu folgen. Er umschwamm Anna und drückte sich in einer Ecke des Pools ganz dicht an sie heran. Lachend nahm sie ihn in ihre Arme und Marc schmiegte sich dichter an sie heran. Er genoss den Kontakt mit ihrem Körper und empfand sie nie schöner und begehrenswerter als an diesem Abend.

      Anna und Marc sprachen kein Wort miteinander. Durch ihre Blicke ermutigt, streichelte Marc ihr vorsichtig den Rücken unter dem nassen T-Shirt und wurde mit zunehmender Leidenschaft frecher: Nun betastete er intensiv ihre Brüste, ihren Hintern und erwiderte voller Lust ihre neckischen Zungenküsse. Anna biss leicht in Marcs Ohr, entwand sich seinem Griff und zog sich aus dem Wasser. Verführerisch deutlich hoben sich ihre Körperkonturen unter ihrer nassen Bekleidung hervor. Anna gab Marc einen Wink, ihr zu folgen und die beiden zogen sich aus dem Trubel der Schwimmschlacht über den Ruheraum in den Saunabereich zurück, wo sie sich in die Duschkabine verdrückten. Nie zuvor hatte Marc den Busen einer Frau geküsst, geschweige denn mit einer geschlafen. Anna hingegen bestimmte Tempo, Technik und Geschehen. Nachdem sie sich bis auf ihren Slip entkleidet hatte, und Marc etwas hilflos seinen schweren, durchtränkten Pullover und das T-Shirt über seinem Körper abgestreift hatte, öffnete sie den Reißverschluss seiner Hose. Mühevoll entledigte sich Marc seiner Jeans, blieb aber in Lauerstellung seiner Unterhose erhalten.

      „Solange sie den Slip nicht abstreift, entledige ich mich nicht meiner Unterhose,“ dachte er. „Wer weiß, wie weit sie wirklich gehen will?“

      Anna stellte die Dusche an, warmes Wasser floss an ihren Körpern herunter und Marc drückte Anna an die Duschkabinenwand. Er küsste ihre Brust und registrierte etwas verblüfft und hilflos, wie sie ihre Hand in seine Unterhose schob und seinen steifen Penis unrhythmisch hin- und her stieß. Nach kurzem Erstaunen revanchierte er sich durch ein vorsichtiges Streicheln ihrer Schamhaare. Von dort aus rutschte sein Finger tiefer zu ihren Schamlippen. Wie automatisch tauchte er einige Male in sie ein, das heiße Wasser floss, Marc hörte Anna stöhnen, saugte sich an ihrem wirklich sehr schönen Busen fest und ergoss sich dann in allergrößter Erregung in ihrer Hand, die sie noch immer in seiner Unterhose hielt.

      Viel zu früh, das wusste er gleich!

      Marc ärgerte sich, denn vielleicht hatte sie noch mit ihm schlafen wollen und er sich durch seine schnelle Leidenschaft um sein erstes Erlebnis gebracht. Ratlos und ernüchtert erwartete er Annas Reaktion.

      Sie verließ mit geröteten Wangen die dampfende Duschkabine.

      „Zieh dich an. Wir gehen zurück zur Party.“

      Sie griff nach einem Handtuch und während Marc in der Duschkabine die Spuren seines Ergusses reinigte, streifte sie ihr T-Shirt über und verließ den Saunaraum, ohne Marc eines weiteren Blickes zu würdigen.

      So schnell wie sie im Rausch ihm gehört hatte, so schnell schien sie Marc mit einem Male enteilt. Ein Gefühl von Peinlichkeit und Scham verdarb ihm seinen vermeintlichen Triumph.

      Verwirrt versteckte er seine nasse Unterhose hinter den Schneemannschen Duschutensilien, streifte sich die nasse Jeans über und folgte Anna in den Partyraum. Auch die anderen hatten die Badefreuden beendet, den Pool verlassen, tanzten mittlerweile oder gaben sich vehement dem Alkohol hin.

      Es war unterdessen noch voller geworden. Längst schon kannte Marc nicht mehr alle Gäste. Marc tauschte seine nassen Klamotten gegen eine Jogginghose und ein Sweatshirt von Schneemann und suchte im verqualmten Raum unsicher Annas Blick. Doch diese beachtete Marc nicht mehr. Ein ums andere Mal versuchte er, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, stellte sich neben sie, versuchte einmal einen Scherz, doch sie ignorierte ihn mit bestürzender Vollkommenheit.

      Marc setzte sich schlecht gelaunt zu Pete, als Egbert mit seinem Freund Falk den Raum betrat. Egbert war Schulsprecher gewesen, war zwei Jahre älter als Marc und schien Anna zu kennen. Die beiden umarmten sich zur Begrüßung, setzten ein strahlendes Lächeln auf.

      Marc hatte den Rechtsanwaltssohn noch nie gemocht. Er verabscheute die Aura von cooler und arroganter Souveränität, mit der sich Egbert zu Schulzeiten umgeben hatte. Egbert wollte gesehen werden. Egbert wollte gehört werden. Er kannte notorisch alles und jeden - und das meistens besser als jeder andere Mensch auf der Welt. Er kannte die wichtigen Cocktails sowie die Türsteher der Bar und wusste, wohin man gerade zu reisen hatte, wenn man mitreden wollte.

      Und nun umarmte Anna ausgerechnet Egbert Wiesener mit seinem elegant geschwungenen Seitenscheitel, den schwarz-glänzend geputzten Bommelschuhen und dem gelben Lacosteshirt mit dem hässlichen Kragen.

      Egbert und Falk verströmten Überlegenheit, fanden alles langweilig und proletenhaft, was unter hundert Mark kostete und taten, als wären sie die wichtigsten Partygäste der Stadt. Marc nahm ihnen ihr Schickeriagetue nicht ab, empfand sie als kleine allerdings selbstsichere Würstchen, die sich viel zu gut mit Anna verstanden.

      Er beschleunigte seinen Alkoholkonsum und lästerte mit Pete über Falk und Egbert.

      „Was für Arschlöcher. Schau dir diese beiden verpissten Kanarienvögel an,“ meckerte er zusehends aggressiver. Falk, Egbert und Anna lachten zu laut und zu überschwänglich in seiner Nähe.

      „Weissu was ich hier habe?“ Sönke hielt Marc in seinem Rücken stehend mit einer Hand die Augen zu und plumpste dann mit einer Flasche edlem Whisky krachend zwischen Marc und Pete zu Boden.

      „Aussa Bar von meinem Vadder - nur für meine bessden Freunde!“

      Mit diesen Worten umarmte er Pete und Marc und drückte ihnen einen Kuss auf die Wange.

      Den hochprozentigen, teuren pure malt Scotchwhisky genossen die Freunde pur, ungekühlt und aus der Flasche und die Strafe folgte auf dem Fuß.

      Sönke kippte nach mehreren kräftigen Zügen besinnungslos zur Seite, Pete erwischte ein seelisches Tief und Marcs Stimmung wechselte von Melancholie hin zu tiefer Frustration.

      „Wir hätten den Schneemann da nich´ mit reinziehn dürfn´,“ klagte Pete.

      Jonas hatte direkt neben den Freunden seine Zigarette im Fransenteppich zur Sauna ausgedrückt.

      „Das hat der Schneemann alles nich´ verdient. Wir sind echt Schweine!“

      Pete streichelte dem Schlafenden über die Haare.

      Da zuckte Sönkes Magen mit einem Mal, er neigte sein Haupt und kotzte aus dem Schlaf heraus im hohen Bogen auf die Kacheln. Das dauerte ein paar Minuten.

      Pete und Marc schleppten ihren speienden Klassenkameraden die Treppe hinauf an die frische Luft und legten ihn über den Gartenzaun. Dort erbrach er sich lang und satt in des Nachbars Rosenbeete.

      Unten im Keller verkrümelten sich die ersten Gäste nach Sönkes Auftritt. Marc blickte auf seine Uhr, es war nach zwei. Der Keller sah aus und roch, als hätte Schneemann eine Buttersäurenbombe gezündet. Einige Grünpflanzen lagen entwurzelt neben leeren Flaschen, Saftresten und Glasscherben. Brandflecken und Dreck hatten die Teppiche verschmutzt, ein Spiegel war zerschlagen. Sönkes Erbrochenenspur wand sich unübersehbar durch