Jay Baldwyn

Insonnia


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      >>Aber was habe ich denn um Himmels willen verbrochen?<<

      >>Es ist die Tatsache, dass Sie in das verfluchte Haus gezogen sind. Jemand, der das tut, muss mit dem Teufel im Bunde sein, denkt man. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich gebe nicht meine Meinung wieder, sondern die der anderen.<<

      >>Aber ich habe keine Ahnung. Was ist mit dem Haus?<<, fragte Kiara entsetzt.

      >>An Ihrer Reaktion sehe ich, dass Sie wirklich ahnungslos sind. Sollte Sie Ihr Gatte darüber im Unklaren gelassen haben?<<

      >>Aber ganz bestimmt. Delano würde mir so etwas nicht antun. Da bin ich ganz sicher. Er muss ebenso keine Ahnung haben.<<

      >>Um es vereinfacht zu sagen: Man nennt es allgemein nur das Mordhaus, weil darin mehre Morde begangen wurden. Es hat nicht umsonst Jahre, wenn nicht Jahrzehnte leer gestanden. Nachts will man darin unheimliche Geräusche und aus der kleinen Kapelle seltsame Gesänge vernommen haben.<<

      >>Das ist schon deshalb unmöglich, weil die Kapelle nur noch als Abstellraum dient. Einen Altar oder Bänke sucht man darin vergeblich. Ich persönlich bedauere das sehr und bin wild entschlossen, meinen Mann dazu zu bewegen, sie wieder in den Urzustand zu versetzen.<<

      >>Das sollten Sie sich gründlich überlegen. Nicht dass Sie damit noch etwas heraufbeschwören. Und gehört oder erlebt haben Sie noch nichts?<<

      >>Nein, nie<<, log Kiara, um nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen.

      >>Seltsam. Man spricht von Kinderweinen oder schattenhaften Gestalten. So etwas wäre Ihnen doch nicht verborgen geblieben.<<

      >>Eben. Allerdings muss ich zugeben, dass mein Mann und ich sehr realistisch eingestellt sind. Die Welt des Übernatürlichen ist nicht so unser Fall.<<

      >>Verstehe. Uns geht es ähnlich. Allerdings hört man immer wieder von Dingen, die sich dem normalen Verstand entziehen. Dieser Ort ist ja ohnehin belastet durch die damaligen Hexenprozesse und diese unsägliche Irrenanstalt, in der die Menschen wie Vieh gehalten worden sein sollen und entsetzlich gequält.<<

      >>Da berühren Sie einen wunden Punkt. Unser Sohn mit seinen vierzehn Jahren ist ganz verrückt nach diesen Geschichten. Wir haben ihm ausdrücklich verboten, das Gelände zu betreten.<<

      >>Das dürfte unnötig sein. Ein Teil der Anstalt ist ja vor zwei Jahren wiedereröffnet worden und dementsprechend gut abgesichert.<<

      >>Da bin ich aber erleichtert. Jungen in dem Alter sind hoffnungslos abenteuerlich. Mädchen sind da zum Glück anders.<<

      >>Ihre Perla ist wirklich ganz entzückend. Und sie hat auch noch nichts gehört oder gesehen in Ihrem Haus? Meiner Elisabeta hat sie jedenfalls noch nichts davon erzählt.<<

      >>Uns auch nicht. Ich meine, Kinder behalten gern mal etwas für sich, aber wenn sie sich ängstigen, dürfte das anders sein.<<

      >>Das denke ich auch. Also, Signora Martinelli. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft, und dass Sie Ihre Entscheidung, das Haus zu kaufen, nicht bereuen.<<

      >>Das hoffe ich auch, Signora Fontana.<<

      Kiara gab sich alle Mühe, ihren Redebedarf so lange zurückzuhalten, bis die Kinder im Bett waren. Noch dazu war Delano bester Laune, weil er in Rom doch noch einen erfolgreichen Geschäftsabschluss getätigt hatte. Als entspannt ein Glas Wein genossen, brach es schließlich aus Kiara heraus.

      >>Hast du wirklich nicht gewusst, in was für ein Haus wir einziehen?<<

      >>Wovon sprichst du? Hattest du erneut Besuch von Schattenwesen?<<

      >>Zum Glück nicht, aber ich bin heute Spießruten gelaufen. Man hat mich wie eine Verbrecherin behandelt und sich schlicht geweigert, mich beim Kaufmann zu bedienen.<<

      >>Und was hat das mit dem Haus zu tun?<<

      >>Bist du wirklich so ahnungslos, oder tust du nur so? Das wird hier das Mordhaus genannt. Und wer es hier aushält muss mit dem Teufel im Bunde sein.<<

      >>Verschone mich bitte mit irgendwelchem Dorfklatsch.<<

      >>Ganz so einfach ist die Sache nicht. Man will auch unheimliche Geräusche, Gesänge aus der Kapelle, Kinderweinen gehört und Schattenwesen gesehen haben. Seltsam, nicht? Auch ich habe im Keller ein Kind weinen gehört, und die Geschichte mit der Schattenfrau kennst du ja.<<

      >>Hast du die gesehen, bevor du von der angeblichen Geschichte des Hauses erfahren hast?<<

      >>Ja, du Ignorant. Ich sage doch, man hat mich erst heute darüber aufgeklärt. Die Mutter einer Schulkameradin von Perla.<<

      >>Weibergewäsch, nichts weiter.<<

      >>Und warum hat dann das Haus jahrelang oder gar jahrzehntelang leer gestanden?<<

      >>Weiß ich doch nicht. Um es zu modernisieren, muss man es ja betreten haben.<<

      >>Und wie hast du überhaupt davon erfahren? Durch ein Inserat, oder was?<<

      >>Durch einen Kollegen. Er sprach von einem Schnäppchen und hat recht behalten.<<

      >>Das kann man so oder so sehen. Es muss doch einen Grund geben, warum es niemand sonst haben wollte.<<

      >>Dio mio, es kommt immer wieder vor, dass Häuser lange leer stehen. Aus welchen Gründen auch immer.<<

      >>Aber die Morde hat er dir verschwiegen?<<

      >>Kunden gegenüber ist er nur verpflichtet, die Vorkommnisse der letzten fünf Jahre zu nennen. Wenn das Haus aber schon angeblich jahrzehntelang leer stand … Außerdem habe ich es nicht vom Makler oder einem privaten Eigentümer, sondern von der Gemeinde gekauft.<<

      >>Aha. Und die ist natürlich daran interessiert, das Objekt loszuwerden. Egal, was darin geschehen ist.<<

      >>Jetzt sei doch bitte nicht hysterisch. Bis jetzt ist überhaupt nicht bewiesen, dass hier jemals etwas geschehen ist. Du greifst lediglich auf Klatsch und Tratsch zurück.<<

      >>Aber man müsste doch irgendwelche Unterlagen darüber finden, Zeitungsberichte oder was auch immer.<<

      >>Und dann? Selbst wenn es hier einen oder mehrere Morde gab, was heißt das schon? Das passiert in anderen Häusern oder auch Wohnungen auch, ohne dass es anschließend dort zwangsläufig spukt. Ich sehe schon, du suchst krampfhaft eine Erklärung für deine Sinneswahrnehmung, die ich lediglich für einen Traum halte, wenn du es genau wissen willst.<<

      >>Wie wunderbar, wenn einem der eigene Ehemann nicht glaubt oder für plemplem hält. Weis mich doch gleich in die psychiatrische Anstalt ein. Die soll wieder eröffnet worden sein.<<

      >>Ich bin nicht bereit, mich auf diesem Niveau weiter mit dir zu unterhalten. Ich gehe jetzt schlafen, und morgen wirst du dich hoffentlich beruhigt haben. Buona notte!<<

      Kiara kamen vor Enttäuschung und Wut die Tränen. Warte nur, bis dir die Frau erscheint, dachte sie. Dann reden wir weiter.

      Velia freute sich an jenem Morgen, als sie mit den anderen Patientinnen in den Wasch- und Duschraum geführt wurde. Dass das in Begleitung zweier Pfleger geschah, nahm sie arglos hin, denn sie ahnte noch nicht, dass damit ihr Martyrium den Anfang nehmen sollte.

      Nachdem sie ausgiebig geduscht und das warme Wasser auf ihrer Haut genossen hatte, kam der bullige Bosco zu ihr herüber.

      >>Wird das heute noch was?<<, fragte er. >>Die anderen sind längst fertig. Nur gnädiges Fräulein kann nicht genug bekommen.<<

      >>Ja, ich bin gleich fertig.<<

      >>Wahrscheinlich hat sie heute Nacht eingepisst<<,