Jay Baldwyn

Insonnia


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Der Clou aber waren das Altargemälde, das Christi Himmelfahrt zeigte und durch den neuen Firnis erstrahlte. Sogar der arg in Mitleidenschaft gezogene breite Stuckrahmen sah aus wie neu. Das zweite, kleinere Gemälde mit dem Motiv Madonna mit Kind hing seitlich an der Wand und schmückte diese ungemein. Neben dem nach alten Vorbildern errichteten Altar, auf dem ein tiefrotes Tuch aus Samt lag, standen die hohen Kerzenhalter, in denen dicke weiße Kerzen brannten. Die Idylle war perfekt.

      Und diesmal war der Gesang der Nonnen auch nicht verstummt, als Kiara eintrat, sondern erst, als sie sich vorsichtig dem Altar näherte. Wie auf Kommando drehten sich die Ordensschwestern mit ihren schwarzen Hauben um. Aber sie hatten keine blassen Gesichter mit entrückten Mienen, sondern geradezu teuflische Fratzen. Ihre blicklosen, schwarz umränderten Augen waren die von Toten. Und ihre schwarzen Lippen entblößten lange, spitz zulaufende Zähne. Kiara schrie vor Entsetzen laut auf.

      Sie schrie immer noch, als Delano sie weckte und zärtlich in die Arme nahm. Doch die Vision war noch so deutlich, dass Kiara sich heftig wehrte und nur langsam beruhigen konnte.

      >>Scht, ist ja gut. Du hattest einen Albtraum, tesoro. Scheinbar hast du etwas zu viel historischen Staub eingeatmet. Wollen wir die jetzt fast leere Kapelle wieder verschließen und doch lieber ihrem Schicksal überlassen?<<

      >>Nein, auf keinen Fall. Ich habe nur eben Szenen aus einem Horrorfilm erlebt. Alles war so real … Aber wenn erst alles fertig ist und ein Priester den Raum mit Weihwasser besprengt, wird der Spuk sicher aufhören.<<

      >>Das will ich hoffen. Noch können wir einen Rückzieher machen.<<

      >>Nein, ich bin nur ein wenig überreizt.<<

      Velia genoss ihre wiedergewonnene Freiheit, die zwar eigentlich keine war, denn sie war nach wie vor in der Anstalt gefangen, doch gegen die drei Tage in ans Bett gefesseltem Zustand war der Spaziergang im Park mehr als eine Erholung. Wie üblich steuerte sie eine der Steinbänke an, in der Hoffnung, Gianna würde sich bald dazugesellen. Doch stattdessen kam ein junger Bursche zu ihr herüber, der nicht nur blendend aussah und ausgezeichnete Manieren besaß, sondern sie auch ausgesprochen lieb mit seinen himmelblauen Augen ansah. Sodass Velia für einen Moment ihre Vorbehalte gegenüber dem männlichen Geschlecht vergaß.

      >>Ciao, ich bin Sylvio<<, sagte er mit melodischer Stimme. >>Darf ich mich zu dir setzen?<<

      >>Bitte, es sind zwar noch andere Bänke frei ...<<

      >>Unterhalten kann man sich besser zu zweit. Verrätst du mir deinen Namen?<<

      >>Ich heiße Velia und bin vierzehn Jahre alt. Ist damit deine Neugierde befriedigt?<<

      >>Noch lange nicht<<, lachte er und zeigte dabei blendend weiße Zähne. >>Warum bist du hier?<<

      >>Weil meine mamma meint, nicht mehr mit mir fertig zu werden. Dabei sind die Vorwürfe zum größten Teil unbegründet. Schön, ich bin manchmal aufbrausend. Vor allem, wenn man mir Unrecht tut, aber ich habe mich nie in schamloser Weise Männern oder Jungs gegenüber präsentiert.<<

      >>Das will ich hoffen. Denn das würde nicht zu einem derart engelhaften Wesen passen.<<

      >>Ist das deine Masche, mich mit Komplimenten gefügig zu machen? Letztendlich wollt ihr Männer doch nur das eine.<<

      >>Hast du das in einem Kitschroman gelesen? Es gibt auch Männer, die sich nicht wie wilde Tiere benehmen und gleich über eine Frau herfallen.<<

      >>Ach ja? Diese unsäglichen, brutalen Pfleger gehören bestimmt nicht dazu.<<

      >>Sprichst du aus Erfahrung?<<

      >>Genau. Bosco und Aleandro haben mir Gewalt angetan. Es war wie ein Albtraum.<<

      >>Das kann ich verstehen. Soll ich ihnen die Fresse polieren?<<

      >>Besser nicht. Du würdest bestimmt unterliegen. Demnach bist du ein rauer Bursche, der sich gerne prügelt?<<

      >>Nein, ganz und gar nicht. Ich bin eher der musische Typ. Spiele Klavier und liebe alles Schöne. Ich habe nur etwas angegeben, um dir zu imponieren.<<

      Velia lächelte. Der Typ gefiel ihr und brachte etwas zum Klingen, das neu für sie war.

      >>Wenn du lächelst, bist du noch hübscher.<<

      >>Du kannst mit den Komplimenten aufhören. Du hast mich ja schon auf deiner Seite.<<

      >>Wenn es doch aber wahr ist. Und einer hübschen Frau kann man nicht genug Komplimente machen.<<

      >>Bisher habe ich mich immer für ein Mädchen gehalten. Aber du hältst mich bereits für eine Frau?<<

      >>Nun, sagen wir, für eine, die auf dem Weg dahin ist. Hast du noch keinen Freund?<<

      >>Nein, das würde mamma nie zulassen. Für die bin ich noch ein Kind. Noch dazu ein ungezogenes.<<

      >>Du bist süß mit deiner Ehrlichkeit.<<

      Velia errötete leicht und wechselte schnell das Thema. >>Im Charcot Pavillon soll es einmal im Keller den Orange Roomgegeben haben. Da fanden Tanzpartys statt. Das Krankenhauspersonal soll mit den Patienten gefeiert haben, beim sogenannten Karneval der Madman – Karneval dei pazzi. Organisiert hat ihn der damalige Anstaltsleiter Dottore Scabia. Das hat mir eine Patientin erzählt.<<

      >>Eine, die schon so alt ist, dass sie damals daran teilgenommen hat?<<

      Velia lachte wieder. >>Nein, sie ist zwar älter als ich, aber noch nicht so alt. Ich hätte große Lust, diesen Raum einmal aufzusuchen, trau mich aber nicht.<<

      >>Wenn du einen Kavalier brauchst, der dich begleitet, ich bin dabei.<<

      >>Wirklich? Wollen wir gleich losgehen?<<

      >>Ich würde vorschlagen, dass wir damit bis zum späten Abend warten. Wenn die anderen schon schlafen.<<

      >>Ja, du hast recht. Treffen wir uns hier? Sagen wir um elf?<<

      >>Du bist wohl eine kleine Nachteule, was? Aber ist okay. Also dann, bis später!<<

      Velia winkte ihm nach. Ja, der Bursche gefiel ihr wirklich. Mehr als bisher jeder andere Junge. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie ihn nicht gefragt hatte, warum er hier war. Denn er wirkte kein bisschen „verrückt“.

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