Petra Misovic

Unter dem Strand


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Lassen sie sich aber nicht von den Souvenirhändlern ansprechen, die sind nämlich wie die Kletten, die werden sie dann gar nicht mehr los. Haben sie Geld? Können sie aber auch hier im Hotel tauschen, ist der Kurs zwar nicht so gut, aber fürs erste reichts. George bringt Kerstin ihren Tee und sie ordert ungefragt noch einen für Barbara, sie müssen trinkentrinkentrinken. Barbara betrachtet nachdenklich George, der ihr aufmunternd zuzwinkert, während er ihre Teller abräumt und Kerstin wie ein Zimmerspringbrunnen ihre Ratschläge hervorsprudelt, ansonsten gibts einen Geldautomaten weiter unten, da können sie mit der EC-Karte ganz normal Geld abheben, das kostet dann weniger als tauschen, sollten sie aber lieber mit dem Taxi hinfahren, weil das ist ja auch nicht ungefährlich, mit dem Geld rumzulaufen. Barbara erhebt sich, ja, vielen Dank auch. Ich muß jetzt mal zurück, ein paar Anrufe und so.

      Die Katze folgt Barbara wie ein Hund Richtung Wohnanlage und als sie außer Hörweite sind, wechseln ringherum die Gesprächsthemen. War man eben noch unverfänglich bei den Tarifen für eine Taxifahrt, eine Holzschnitzarbeit oder eine Massage in einer der Hütten am Strand, schweigt man nun, um keines der pikanten Details zu versäumen, die Kerstin der armen Barbara möglicherweise entlocken konnte. Dieter ist beinahe sicher, den Totgeglaubten bei einem Ausflug nach Mombasa am Steuer eines entgegenkommenden Jeeps ausgemacht zu haben, so erzählt er es Kerstin hinter vorgehaltener Hand und gemeinsam erwägt man, ob man diese Informationen der Polizei zukommen lassen sollte, dem Konsulat oder der Presse. Wobei sie mit Presse jenes Blatt meinen, welches beim Inder und in den Hotel-Shops auf der ganzen Welt immer brandaktuell ausliegt, für die Touristen aus Deutschland.

      Im Zimmer will Barbara Geld aus dem Safe holen. Ein junger Mann räumt auf, es ist ihr unangenehm, sie hat Unordnung hinterlassen, Kleider, die überall verstreut lagen sind nun ordentlich zusammengefaltet in die Schubladen und den Schrank einsortiert, der übersichtliche Inhalt ihres Waschbeutels sitzt auf dem Waschtisch. Barbara wartet ungeduldig auf der Veranda, während der Boy sorgfältig die Kissen aufschüttelt, das frische Laken samt Nachthemd dekorativ drapiert und zurechtzupft, das Moskitonetz wie einen Wigwam ums Bett wickelt. Dann macht er sich lange im Bad zu schaffen, was macht er da? während Barbara sich den Gang zur Toilette verkneift und in die Sonne blinzelt, weil sie keine Sonnenbrille dabei hat. Die Katze hat sich schon eingelebt und macht es sich auf dem Bett bequem, der Boy will sie rausjagen und Barbara muß dazwischen gehen. Wortreiche Entschuldigungen und Barbara entläßt ihn mit freundlicher Geste.

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      Natürlich ignoriert sie Kerstins Hinweis und ist sofort im Gespräch mit einem jungen Rastamann, es scheint er habe vor dem Hotel auf sie gewartet, Jambo. Jambo means hello in swahili. Karibu Kenya, means welcome in Kenya. My name is Joseph. I am carving wood pieces. You want to see my shop? Barbara betrachtet die Sachen, die Joseph am Straßenrand in einem Verschlag aus Holz und Leinensäcken ausstellt, da sind Maassaikrieger, Nilpferde lümmeln und elegante Giraffen, stolze Löwen, wunderschön geschnitzt aus schwarzem Ebenholz, riesige Skulpturen aber auch kleine, und dann Bieruntersetzer aus Speckstein, liebevoll bemalt mit afrikanischen Tiermotiven, Ketten, Schlüsselanhänger, Portemonnaies aus Leder und Maassai-Gürtel und Maassai-Armbänder mit kleinen bunten Perlen bestickt. Und Gemälde, mit Sonnenuntergang und die eleganten Silhouetten der Hirten heben sich vom Erdbraun der Savanne und dem rotgoldenen Himmel ab, looking is free, madame, what is your name? - Barbara. - Hello Barbara, I am Joseph, er schüttelt freundlich ihre Hand und will ihr noch mehr zeigen, von den Schätzen, die er in seinem Shop anbietet. Nice necklace, I make you a good price. Where you from? Germany? Joseph ist darüber eigenartigerweise hocherfreut und singt ein Hohelied auf ihre Heimat, Oh, ich mag Deutschland, Deutsche sind immer sehr nett, sehr gute Leute. Sehr freundlich! Welche Stadt? Berlin? Hauptstadt, ja? Sehr große Stadt. Ich möchte auch gerne mal nach Berlin verreisen. Muß ich ein bißchen sparsam sein. Lange sparen und sein Deutsch ist dabei erstaunlich gut, und abrupt wechselt er das Thema: Wo ist Deine Papa? Barbara ist irritiert. Mein Papa ist gestorben. - Tot? - Ja, tot. Die Pause ist kurz und Joseph schaut mitleidig drein, und hat sofort eine Idee. Brauchst Du eine neue Papa, ja? Barbara ist nicht ganz klar, worauf dieses Gespräch jetzt hinausläuft. Ein neuer Papa. Joseph ist jünger als sie, jedenfalls kein geeigneter Adoptivvater.

      Sie verabschiedet sich höflich von Joseph und der nimmt ihr das Versprechen ab, this time you just looking, but next time, when you come, you buy presents for family from me, o.k.? Und Barbara verspricht es gern und geht weiter, zum Supermarkt, entlang an vielen solcher „Shops“, wo sie immer wieder angesprochen wird, von den Händlerinnen und Händlern, come visit, looking is free, madame, please!

      Es war beinahe schon Tradition, daß Barbara den Dienst über die Feiertage im Tierheim alleine tat. Sie schlief dann auch dort und bemühte sich, ihren Schützlingen eine schöne Weihnacht und ein entspanntes Silvester zu bieten. Im Internet hatte sie herausgefunden, daß die Tiere der ganzen Knallerei zum Jahreswechsel etwas gelassener entgegen sehen konnten, wenn man ihnen Drogen verabreichte, Marihuana, und da war es dann irgendwie hilfreich, wenn Harald nicht in der Nähe war, sondern Skifahren, weil sie dann Hundekekse buk für ihre vierbeinigen Freunde. Ein ehemaliger Zivildienstleistender versorgte sie immer noch mit dem Zeug. Und diesmal würde sie vielleicht gar nicht da sein.

      Und sie nimmt sich vor, nachher sofort Mandizha anzurufen, um zu fragen, was er glaubt, wann sie nachhause fahren kann. Und das Tierheim. Aber da müßte sie noch überlegen, was sie denen erzählt. Und was nicht. Wo war sie denn jetzt? In Österreich, in Afrika?

      Im Supermarkt kauft Barbara Sonnencreme, Faktor 50. Sie will nicht braungebrannt von wo her auch immer in Berlin aufkreuzen. Außerdem Postkarten (an wen soll sie die schicken?), Wasser und eine Schachtel Zigaretten. Der freundliche Inder hinter dem Tresen wird ihr gegen eine kleine Anzahlung jede gewünschte Menge an Katzenfutter besorgen.

      Auf dem Rückweg winkt ihr Joseph aufmunternd zu, die Wachmänner, die das Tor für sie öffnen begrüßen sie so freundlich, wie sie sie vor weniger als einer halben Stunde wortreich verabschiedet haben. Afrika scheint ihr gewogen und beschwingt läuft sie über den Parkplatz. Vor der Lobby biegt sie ab, auf den Weg runter zu den Bungalows und freut sich an exotischen Büschen und Blumen, mit ihren aberwitzig opulenten und farbenfrohen Blüten, bewundert den Baobab, der groß wie ein Haus ist, und den sie stehengelassen haben damals, als sie das Hotel gebaut haben, weil er bestimmt mehr als hundert Jahre alt war und plötzlich ein Frösteln, weil Harald vor wenigen Tagen genau auf diesem Weg unterwegs war, zum Parkplatz, an dem Tag nämlich, als er für immer mit dem Boot rausfuhr. Für ein paar Minuten hat sie tatsächlich vergessen, was mit ihm passiert war und weshalb sie jetzt hier ist und für einen kurzen Moment ist es, als wären all ihre Gefühle für Harald vor langer Zeit schon erloschen. So kühl und so unbeteiligt ist sie.

      Auf ihrer Veranda sitzt Marlene und neckt die Katze. Barbara weicht instinktiv zurück, geht hinter Sträuchern in Deckung, ist erleichtert, denn Marlene hat sie nicht bemerkt und verstimmt beobachtet sie noch eine Weile, wie vertraut Marlene mit ihrer Katze spielt und ergreift dann die Flucht, nimmt den Weg zurück über den Parkplatz, macht einen ausgedehnten Spaziergang durch die Gärten der Hotelanlage. Jetzt in der Mittagshitze haben sich alle in den Schatten verkrochen und beachten sie nicht und vorbei am Pool und weiter Richtung Lobby, wo sie in einer Nische die Aushänge der Reiseveranstalter entdeckt, und sie vertieft sich in Kataloge, die dort auf einem langen Brett an der Wand ausliegen. Reizvolle Tagestouren kann man mitmachen, in die Altstadt von Mombasa oder nach Gedi, das ist eine vor langer Zeit im Dschungel versunkene Stadt, außerdem Safaris in die Serengeti mit dem Jeep, dem Flugzeug, dem Heißluftballon, es gibt Golfkurse und Tennis (bei der Hitze!), man kann Tauchen lernen, Schnorcheln und Segeln. Und immer wieder sieht sie sich verstohlen um, ob jemand sie beachtet oder ob Marlene daher kommt, und findet einen verschlungenen Weg, der zwischen tropischen Pflanzen über eine Steintreppe und um einen stattlichen Wasserfall herum nach unten führt und unter der Lobby der Wellnessbereich: hinter großen Scheiben werden in klimatisierten Räumen an Fitnessgeräten Körper geformt und der Trainer gibt ein phantastisches Bild, athletisch und gut gebaut ist er fleischgewordener Ansporn für seine Schützlinge. Nebenan widmen sich junge Frauen in weißen Kittelschürzen der äußeren Optimierung ihrer Kundschaft, ausgelaugte Haare, müde Füße und verspannte Körperpartien werden durch vielerlei Wellnesstechniken wieder in Ordnung gebracht. Eine der Angestellten sucht ihren Blick über einen Wandschirm