Günter Lebuen

Miese Machenschaften


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Zeit unterhalten. Dabei machte er auf mich absolut keinen depressiven Eindruck.

      Voller Enthusiasmus erzählte er mir von seinen Reiseplänen für die Sommerferien.

      Er wollte mit Monika, seiner Frau, und mit den beiden Kindern Dominik und Christoph für drei Wochen nach Südfrankreich fahren.

      Zudem war er auch beruflich durchaus erfolgreich. Bis August vorigen Jahre war er einfacher Kollege an einer Schule in Haltern gewesen.

      Dann hatte er sich erfolgreich um die Stelle des stellvertretenden Schulleiters in Recklinghausen beworben.

      Ich wusste zwar von ihm, dass er Schwierigkeiten mit seinem neuen Chef hatte. Dieser war, wie ich selber bei einem Unterrichtsbesuch feststellen konnte nicht so ganz einfach. Aber welcher Chef ist schon einfach.

      Zudem hatte Hans ein gutes Verhältnis zu fast allen Kollegen und Kolleginnen. Auch war er durchaus bei Eltern und Schülern beliebt.

      Familiär war – soweit ich das beurteilen konnte – alles in Ordnung!

      Hans hatte niemals auf mich einen depressiven Eindruck gemacht.

      Im Gegenteil! Er war ein lebensbejahender, fröhlicher Mensch, der das Leben liebte und für den seine Familie das Wichtigste war.

      Warum sollte er sich umbringen?

      Das Unterrichten an diesem Morgen gelang mir nur mit Mühe. Immer wieder musste ich an Hans denken. Wie sehr musste Monika, seine Frau, diese Nachricht getroffen haben!

      Wie gingen seine beiden Kinder damit um? Ihr Vater, der das Leben so liebte, ein Selbstmörder?

      Nach Schulschluss fuhr ich sofort nach Hause, um Kathrin, meine Frau, von Hans Tod zu berichten. Auch sie reagierte bestürzt.

      „Hans ein Selbstmörder? Das passt nicht zu ihm! Dafür war er viel zu lebensbejahend!

      Wenn es wirklich so war, dann muss in den letzten Tagen und Wochen etwas Einschneidendes geschehen sein, von dem wir aber nichts wissen.“

      Ich war der gleichen Ansicht.

      2. Kapitel

      Da mir die Angelegenheit mehr als merkwürdig vorkam, rief ich noch am gleichen Abend einen Kollegen von Hans an: Erich Zabel.

      Erich war an der Bertolt-Brecht-Schule in Recklinghausen Ausbildungskoordinator und somit für die Betreuung von Lehramtsanwärtern zuständig.

      Da ich neben meiner Tätigkeit als Lehrer in Dülmen auch Fachleiter am Studienseminar Gelsenkirchen war, hatte ich schon zahlreiche Gespräche mit ihm geführt. Er war ein freundlicher, seinen Lehramtsanwärtern sehr zugewandter Mensch.

      Er kam wie ich aus dem westlichen Münsterland, was schon sein Äußeres verriet. Er hatte eine etwas gedrungene Figur und ein rundliches Gesicht, das immer leicht gerötet war. Auffällig waren vor seine tiefblauen Augen, mit denen er hellwach in die Welt schaute.

      Zudem war ein Gemütsmensch, der gutes Essen liebte und auch gerne ein Glas Bier oder ein guten Rotwein trank.

      Im Laufe der Jahre waren wir Freunde geworden und hatten so manches Glas Bier miteinander getrunken.

      Sofort kamen wir auf den Tod von Hans Martens zu sprechen. Erich war noch hörbar schockiert.

      Nur mit Mühe und sehr stockend erzählte er mir, dass Hans in der vorletzten Nacht von einer Eisenbahnbrücke in Recklinghausen gesprungen und von einem Güterzug erfasst worden sei. Seine Leiche wäre so entstellt gewesen, dass die Polizei zunächst einmal nicht seine Identität hätte feststellen können.

      Da er in der Nacht nicht nach Hause gekommen sei, habe sich seine Frau große Sorgen gemacht. Als dann auch noch die Sekretärin der Schule angerufen und nachgefragt habe, ob Hans krank sei, ahnte sie, dass etwas Schreckliches passiert sein müsse. Daher habe sie sich gegen 10.00 Uhr an die Polizei gewandt.

      Aufgrund der Beschreibung der Kleidung und mit Hilfe des Eherings, in dem das Hochzeitsdatum und Monikas Namen eingraviert war, konnte Hans dann identifiziert werden.

      Zudem war sein Wagen ganz in der Nähe der Brücke geparkt.“

      Mit zitternder Stimme sagte er dann noch: „Vorgestern Abend habe ich noch mit Hans gesprochen.

      Wir hatten an diesem Abend noch Schulkonferenz und Hans machte auf mich keinesfalls einen depressiven Eindruck.

      Er war aber, was ich sonst von ihm überhaupt nicht kenne, sehr schweigsam und hielt sich aus allen Diskussionen heraus. Das ist für ihn völlig untypisch.

      Ich habe auch noch mitbekommen, dass unser Chef ihn nach der Konferenz in sein Zimmer gebeten hat, da er noch etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen habe.“

      Als ich von der Schule nach Hause führ, war er wohl noch im Gespräch mit Hartmann, da nur noch sein Wagen und der unseres Chefs auf dem Parkplatz standen.

      3. Kapitel

      Zehn Tage später, 30. März, wurde Hans Martens auf dem Nordfriedhof in Recklinghausen beerdigt.

      Es war trotz oder gerade wegen des schrecklichen Todes eine große Beerdigung. Neben seinen engsten Angehörigen war fast das ganze Kollegium anwesend. Auch zahlreiche Schüler und Eltern nahmen von ihm Abschied. Zudem war aus Münster die zuständige Regierungsschuldirektorin Frau Schirrmeister angereist.

      Bei vielen der Anwesenden, besonders aber bei den Schülern war eine große Betroffenheit spürbar.

      Einige Schülerinnen bekamen einen Weinkrampf und mussten entweder von ihren Eltern oder aber von Mitschülern getröstet und betreut werden.

      Besonders leid tat mir aber Hans Frau Monika und seine beiden Kinder, da sie auf so tragische Weise den Mann, den Vater verloren hatten.

      Gott sei Dank hatte die Familie in der Traueranzeige darum gebeten, von Beileidsbekundungen am Grab Abstand zu nehmen. Somit blieb ihnen das wenigstens erspart.

      Nach der Beerdigung gab es das obligatorische Kaffetrinken in einem nahegelegenen Cafe. Nur mit Mühe konnten alle Gäste untergebracht werden. Als ich den Raum betrat, sah ich, dass an dem Tisch, an dem einige Kollegen der Bertolt-Brecht-Realschule saßen, noch ein Platz frei war.

      Ich nahm neben Erich Zabel Platz.

      Im Mittelpunkt aller Gespräche stand Hans Selbstmord. Ich teilte Erich meine Bedenken mit und sagte ihm noch einmal, dass ich Hans niemals eine solche Tat zutrauen würde. Dafür gäbe es überhaupt keinen Grund.

      Hans sei ein dem Leben positiv zugewandter Mensch gewesen. Außerdem sei er noch voller Pläne gewesen.

      Erich hörte sich meine Argumente zunächst schweigend an.

      Dann meinte er: „Jürgen, ich fürchte, du hast ein zu positives Bild von Hans. Es gibt da nämlich eine Geschichte, die ein völlig anderes Licht auf ihn wirft. Seit Tagen kursiert an unserer Schule das Gerücht, dass er ein Verhältnis mit einer Schülerin an unserer Schule gehabt habe.“

      Klaus Bücker, Erichs Kollege, pflichtete ihm bei. „Ich habe davon gehört, dass unser Chef und auch wenigstens zwei Kollegen anonyme Briefe erhalten haben, in denen Hans beschuldigt wurde, mit einer Schülerin intim gewesen zu sein.

      Deshalb soll er ihn nach der Schulkonferenz zur Rede gestellt haben.

      Dies hat mir Frau Otto, unsere Sekretärin berichtet. Auch die Polizei hat wohl diese Spur verfolgt.

      Bisher weiß man aber nicht, wer diese Schülerin ist, zumal der Absender dieser Briefe sich nicht zu erkennen gegeben hat.“

      Marion Weidner, ebenfalls Lehrerin an der Bertolt-Brecht-Realschule, ergänzte: „Ihr wisst ja, dass ich eine gute Bekannte von Hans und Monika bin. Ich habe zwei Tage nach Hans Tod sie zu Hause besucht, um ihr mein Mitgefühl zu bekunden.

      Sie stand