Günter Lebuen

Miese Machenschaften


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diesem Gespräch hat sie mir anvertraut, dass sich Hans in den letzten Tagen und Wochen vor seinem Tod sehr verändert habe.

      Er habe, was sie sonst überhaupt nicht von ihm kenne, schlecht geschlafen, Albträume gehabt und habe nur mit Hilfe von Schlaftabletten Schlaf gefunden. Auch sei er sehr einsilbig gewesen und wirkte oft abwesend.

      Zudem sei er fast jeden Tag bis spät abends angeblich in der Schule gewesen. Auf Nachfragen habe er ihr nur ausweichend geantwortet und gemeint, dass er selbst erst einmal sich Gewissheit verschaffen müsse, bevor er mit ihr darüber reden könne.

      Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, dass sie aufgrund des merkwürdigen Verhaltens ihres Ehemanns erhebliche Zweifel an seiner Treue hat.

      Hans war durchaus ein attraktiver Mann in den besten Jahren. Zudem hatte er immer ein sehr partnerschaftliches Verhältnis zu den Schülern.

      Man soll zwar über die Toten nichts Schlechtes sagen, aber meiner Ansicht nach war er etwas zu schülerzugewandt und wahrte nicht immer die notwendige Distanz.

      Aber das war sein Problem. Jeder Lehrer hat seine Macken, mir persönlich war sein Eingehen auf die Befindlichkeiten der Schüler viel zu intensiv.“

      Diese Seite an Hans Martens war mir ganz neu. Deshalb hakte ich hier nach „Und du bist dir ganz sicher, Hans hatte etwas mit einer Schülerin?“

      „Wer ist sich schon sicher, aber das Gerücht ging schon einige Tage im Lehrerzimmer umher. Wer aber als erster dieses Gerücht verbreitete, weiß ich nicht.

      Was meiner Ansicht nach auch für den Freitod spricht, ist folgende Tatsache: Hans hat am Abend seines Todes gegen 23.00, also etwa eine Stunde vor dem schrecklichen Ereignis, eine Mail an seine Frau geschickt. Monika hat sie erst am nächsten Abend geöffnet.

      Ich weiß das aus sicherer Quelle.

      Wenn ich mich recht entsinne, lautete sie in etwa so:

      `Liebe Monika, es tut mir unendlich leid, was ich dir und meinen Kindern angetan habe und antue. Ich weiß aber keinen Ausweg mehr!`

      Ich habe auch mitbekommen, das Hans in der letzten Zeit häufig sehr nervös und unkonzentriert war und sich oft irgendwelche Beruhigungspillen eingeworfen hat.“

      Auf dem Nachhauseweg versuchte ich das Gehörte für mich zu verarbeiten.

      Hans Martens – ein Lehrer, der sich mit Schülerinnen abgab?

      Für mich nicht nachvollziehbar, da ich von ihm ein ganz anderes Bild hatte.

      So wie ich ihn kennengelernt hatte, war er ein Lehrer gewesen, der sich intensiv für seine Schüler einsetzte, für den aber auch seine Familie sehr wichtig gewesen war. Für ihn war der Lehrerberuf kein Job, sondern Berufung.

      Wegen einer solchen Affäre sollte er alles aufs Spiel gesetzt haben. Unbegreiflich.

      Aber Lehrer sind auch nur Menschen!

      4. Kapitel

      Durch einen Telefonanruf wurde ich fünf Jahre später kurz vor den Sommerferien wieder an das Schicksal von Hans Martens erinnert.

      Mein Freund Erich Zabel war am Telefon.

      Nachdem er sich nach meinem Befinden erkundigt hatte, teilte er mir mit, dass an seiner Schule zu Beginn des zweiten Schulhalbjahrs, also zum ersten Februar, die Position des stellvertretenden Schulleiter neu zu besetzen sei, da der Nachfolger von Hans Martens zum Schulleiter an einer Realschule in Datteln gewählt worden sei.

      „Du bist der richtige Mann auf diesem Posten. Wir brauchen jemand, der sich etwas zutraut und der nicht kneift. Du kennst ja unseren cholerischen Chef. Mehr brauch ich dir nicht zu sagen! Das Beste ist, wir treffen uns bei mir und ich werde dir wichtige Infos geben. Wie wär`s mit Morgen Nachmittag gegen drei Uhr?“

      Da ich ein neugieriger Mensch bin und da ich aufgrund einer Bewerbung um eine Schulleiterstelle in Hamm noch eine gültige Beurteilung besaß, stimmte ich nach kurzem Bedenken dem Treffen zu.

      Durch meine Unterrichtsbesuche an der Bertolt-Brecht-Realschule wusste ich, dass dort nicht nur eine miese Stimmung herrschte, sondern dass fast alle Kollegen mehr oder minder Angst vor ihrem Chef hatten.

      Warum wusste ich nicht genau.

      Sein Name schien aber fast programmatisch zu sein:

      Winfried Hartmann:

      Wenig friedvoll, dafür aber hart und nicht herzlich.

      Auf mich wirkte er immer unnahbar und als jemand, der immer voller Misstrauen die Welt betrachtete. Und an seine Schule sollte ich mich bewerben?

      Mal abwarten, was Erich mir zu berichten hatte.

      Am nächsten Tag fuhr ich mit gemischten Gefühlen zu Erich. Er kam auch sofort zur Sache.

      „Wie du sicherlich selber weißt, herrscht an unserer Schule ein Klima der Angst und des Misstrauens. Hartmann schafft es immer wieder, dass wir Lehrer unter Druck gesetzt werden. Dazu hat er auch noch Unterstützung durch Münster. Uns Kollegen behandelt er, als seien wir seine Untertanen.“

      „Wie, so schlimm ist die Situation? Habt ihr euch denn schon einmal an den Personalrat und an die zuständige Schulaufsicht gewandt?“

      „Die für uns zuständige Regierungsschuldirektorin Frau Schirrmeister gibt ihm immer Recht und unterstützt ihn vorbehaltlos, wie er immer wieder in Konferenzen betont, in seiner Amtsführung.

      Auch vom Personalrat ist wenig zu erwarten. Vielleicht hat es aber etwas damit zu tun, dass er in der Lehrergewerkschaft sehr aktiv ist und zudem für einen renommierten Verlag Vorlagen für schulrechtliche Formulare entwickelt. Außerdem hat er auch ein Buch mit dem Titel ‚Schulrecht einfach erklärt´ herausgegeben.“

      „Das hört sich ja so an, als ob er Narrenfreiheit genießt?“

      „Das kann man wohl so sagen. Du kannst dir in deinen kühnsten Träumen nicht vorstellen, was an unserer Schule los ist.

      Ich will dir das einmal an zwei Beispielen deutlich machen:

      Du kennst doch Frau Baumschulte.

      Sie ist eine äußerst engagierte Kollegin, die kurz vor ihrer Pensionierung steht. Leider ist sie nierenkrank und muss deshalb häufig den Arzt aufsuchen.

      Vor etwa drei Wochen musste sie dort morgens einmal wieder Urin abgeben.

      Da sie in der zweiten Stunde eine Freistunde hatte, hat sie nutzte sie diese Gelegenheit, um den Arzt aufzusuchen. Sie hatte in der ersten großen Pause Aufsicht und weil sie sich nicht sicher war, ob sie diese auch pünktlich wahrnehmen könne, hat sie mit Frau Stein, die in der zweiten großen Pause Aufsicht gehabt hätte, die Aufsicht getauscht.

      Jemand muss das Hartmann gesteckt haben. Jedenfalls als Frau Baumschulte wieder in der Schule erschien, hat er sie lautstark angeschrien, wie sie sich erdreisten könne, ohne seine Zustimmung die Aufsicht zu tauschen.“

      „Das gibt`s doch nicht. Hat sich Frau Baumschulte denn nicht an Münster gewandt?“

      „Du wirst es nicht glauben! Hartmann hat nach Münster geschrieben und den Vorfall offiziell gemeldet.“

      „Münster hat hoffentlich reagiert und ihm mitgeteilt, dass er sie mit solchen Lappalien zufriedenlassen solle.“

      „Im Gegenteil. Bei der nächsten Lehrerkonferenz hat Hartmann den Kollegen erklärt, dass das Tauschen von Aufsichten nur mit seiner Zustimmung erfolgen dürfe. Frau Schirrmeister habe ihm voll Recht gegeben und ihn in seiner Amtsführung unterstützt.

      Hier siehst du wieder einmal, was wir von Münster zu erwarten haben.“

      „Da bin ich aber geplättet! Wo leben wir denn? Das Zeitalter des Absolutismus ist doch schon lange Vergangenheit! Hartmann ist doch kein Sonnenkönig!“

      „Scheinbar doch, wie die zweite