Günter Lebuen

Miese Machenschaften


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unfroh, als Kruse uns am Ende des letzten Schuljahres verließ.

      Im Gegenteil – ein Verbündeter für Hartmann weniger. So gibt es Gott sei Dank nur zwei oder drei Kollegen, die auf seiner Seite stehen.

      Wie sehr er auf Hartmanns Seite stand, kannst du schon daran sehen, dass er und nicht Hartmann bei Kollegen, mit denen Hartmann Stress hatte, negative Beurteilungen für Münster angefertigt hat.“

      Das konnte ja alles nicht wahr sein. Wir lebten doch nicht mehr im Mittelalter.

      5. Kapitel

      Nachdem ich mich wieder gefangen hatte, fragte ich Erich:

      „Wer setzt sich schon freiwillig auf einen Schleudersitz, der jeden Moment hochgeht?

      Kannst du mir einen Grund nennen, warum ich mich auf den Job des stellvertretenden Schulleiters an dieser Schule bewerben soll?

      Da müsste ich doch vom Mopps behobst sein, wenn ich das täte“

      „Ja eigentlich hast du ja Recht. Aber wer nicht du kann ihm die Stirn bieten! Ich kenne dich mittlerweile mehr als sieben Jahre. Was mir immer an dir imponiert hat war, dass du sagst, was du denkst, keine Angst vor Autoritäten hast und – falls es sich als notwendig erweist – keinen Konflikt aus dem Wege gehst.

      Ich kenne Kollegen deiner jetzigen Schule, die mich in dieser Meinung bestärkt haben.

      So sollst du als Mitglied des Lehrerrats die Interessen der Kolleginnen und Kollegen nicht nur gegenüber deinen nicht immer einfachen Schulleiter vertreten haben, sondern auch gegenüber dem für eure Schule zuständigen Schulaufsichtsbeamten.

      Wenn es jemanden gibt, der gegen Hartmann und Frau Schirrmeister bestehen kann, dann bist du es.“

      Einerseits fühlte ich mich sehr geschmeichelt, andererseits hatte ich ein mulmiges Gefühl.

      Sollte ich mein schönes Leben als Fachleiter aufgeben, um in der Höhle des Löwen, so kam es mir nach Erichs Schilderungen vor, Bändiger zu sein?

      „Wir brauchen unbedingt einen stellvertretenden Schulleiter, der Biss hat, der sich Hartmann, wenn nötig auch mal in den Weg stellt.

      Unsere Schule hat sonst keine Chance. Hartmann ist jetzt knapp über sechzig. Spätestens in drei Jahren geht er in Pension.

      Wir haben seit längerer Zeit das unbestimmte Gefühl, dass er alles dransetzt, die Schule vor die Wand zu fahren. So verhält er sich gegenüber den Eltern wenig kooperativ, Schüler vergrault er mit seiner autoritären Art.

      Er schreit sie aus nichtigen Gründen an und lässt auch keine Gelegenheit aus, sich bei ihnen unbeliebt zu machen. Außerdem hat die Schule wegen der Ohrfeigenaffäre einen denkbar schlechten Ruf. Wie dramatisch die Situation ist, kannst du schon daran erkennen, dass wir für das laufende Schuljahr nur noch 25 Anmeldungen hatten.

      Früher waren wir mal dreizügig. Jetzt haben wir nur noch eine Eingangsklasse. Das kann das Aus für die Schule bedeuten und Hartmann hätte das erreicht, was er will! Wir fragen uns aber alle, warum er sich so ein negatives Denkmal setzen will. Er handelt, so scheint es, nach dem Motto `Nach mir die Sintflut´.

      Jürgen du musst uns helfen, sonst haben wir keine Perspektiven. Die Stimmung im Kollegium ist jetzt schon mies genug.“

      Zu Hause angekommen, sagte ich meiner Frau nur, dass Erich mir mitgeteilt habe, dass die Position des stellvertretenden Schulleiters an seiner Schule neu zu besetzen sei und dass er der Ansicht sei, ich sei der richtige Mann dafür.

      Auf die besondere Situation an der Schule ging ich bewusst nicht ein. Ich wusste, wie meine Frau reagieren würde. „Tu dir das bloß nicht an.“

      So aber meinte sie: „Das ist eine gute Möglichkeit für dich. Zudem ist Erich ja an der Schule. Er kann dir sicherlich mit Rat und Tat zur Seite stehen.“

      Ich konnte und wollte mich jetzt noch nicht entscheiden. Ich musste darüber noch einige Nächte schlafen. Eine solche Bewerbung auf diese Position kam einer Bewerbung um einen Schleudersitz gleich.

      Da mich aber Herausforderungen reizen und ich durchaus Chancen auf Veränderungen sah, rief ich drei Tage später Erich an, um ihm mitzuteilen, dass ich trotz großer Bedenken meine Bewerbung nach Münster abgeschickt hätte.

      Wenn ich nur im Geringsten geahnt hätte, was in den nächsten Wochen und Monaten auf mich zukommen würde, ich hätte es sicher sein gelassen.

      6. Kapitel

      Zwei Monate später erhielt ich Post von der Stadt Recklinghausen. Man teilte mir mit, dass der Schulausschuss der Stadt mich zum stellvertretenden Schulleiter der Bertolt-Brecht-Realschule gewählt habe und dieses auch Münster mitgeteilt habe. Wenn von dort keine Einwände kämen, würde ich ab dem kommenden Schulhalbjahr mit dieser Position betraut.

      Ich wusste in diesem Augenblick nicht, ob ich mich beglückwünschen oder lieber bemitleiden sollte.

      Eine Woche später erhielt ich einen Anruf aus Münster. Die Vorzimmerdame von Frau Schirrmeister teilte mir mit, dass vor meiner Ernennung noch ein Gespräch zwischen dem zuständigen Juristen und Frau Schirrmeister stattfinden solle. Als möglichen Gesprächstermin nannte sie mir Dienstag in einer Woche.

      Ich bestätigte den Termin und fuhr sechs Tage später nach Münster. Ich hatte ein sehr ungutes Gefühl, da ich vom Personalrat erfahren hatte, dass ein solches Vorgehen mehr als unüblich war, zumal dieser meiner Ernennung schon zugestimmt habe.

      In Münster angekommen, betrat ich mit einigem Zaudern das Büro von Frau Schirrmeister. Zu meinem Erstaunen musste ich feststellen, dass neben meiner Dezernentin auch der zuständige Jurist, Herr Gehling, mit anwesend war.

      Zunächst wurde ich noch einmal zu meinem beruflichen Werdegang befragt und durfte meine Vorstellung bezüglich der Ausübung meines Amtes erläutern. Danach kam Frau Schirrmeister zum eigentlichen Anlass des Gesprächs.

      „Herr Büning, Sie wissen vielleicht, dass es an der von ihnen gewählten Schule immer wieder zu Konflikten zwischen Schulleitung und Kollegium gekommen ist.

      Der bisherige Stellvertreter Herr Kruse hat sehr eng und sehr vertrauensvoll mit Herrn Hartmann zusammengearbeitet und ihm den Rücken auch in schwierigen Situationen freigehalten. Wir sind uns aber nicht sicher, wie Sie sich in Konfliktsituationen verhalten. Deshalb haben wir Sie heute zum Gespräch gebeten. Wie sehen Sie Ihre Rolle als stellvertretender Schulleiter?“

      Zunächst versuchte ich mit Floskeln diese Situation zu entschärfen.

      „Meine Aufgabe wird es sicherlich sein, im administrativen Bereich zu wirken. Das bedeutet, ich werde mich vor allem um Stunden- und Vertretungspläne zu kümmern haben, während der Schulleiter die Schule im Innern zu leiten hat und sie auch nach außen vertritt.

      Ich werde zudem mein Bestes tun, damit die Entscheidungen des Schulleiters umgesetzt werden.“

      „Und was werden sie tun, wenn der Schulleiter eine Entscheidung trifft, die Ihrer Ansicht nach nicht haltbar ist und die auf das Unverständnis des Kollegiums trifft?“ warf Herr Gehling ein.

      Ich wusste genau, worauf er hinauswollte. Nach kurzem Überlegen antwortete ich:

      „Ich kann es mir erstens nicht vorstellen, dass Herr Hartmann Entscheidungen trifft, die nicht korrekt sind.

      Dazu ist er viel zu sehr Profi. Sollte es jedoch wider Erwarten zu der Situation kommen, dass das Kollegium und der Schulleiter ganz unterschiedliche Positionen vertreten, werde ich mich in kritischer Solidarität zum Schulleiter verhalten.“

      Noch heute bin ich stolz auf diese Formulierung.

      Kurz danach endete auch schon das Gespräch.

      Vierzehn Tage später erhielt ich vom Schulamt der Stadt Recklinghausen die Nachricht, dass meiner Ernennung nichts mehr im Wege stehen