Günter Lebuen

Miese Machenschaften


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gespannt!“

      „Vielleicht erinnerst du dich noch an die Schlagzeilen, die unsere Schule im letzten Jahr kurz vor den Sommerferien betrafen. Sogar der Ruhrgebietsexpress berichtete über die Vorgänge an unserer Schule. Dicke Überschrift „Schulleiter schlägt wehrlose Schülerin!“ Auch hier verlief die Angelegenheit im Sande und das, obwohl er einer Schülerin eine Ohrfeige versetzte.“

      „Bitte?! Habe ich das richtig verstanden. Gegen ihn ist nichts unternommen worden? Ich kann mich an diesen Vorgang nur noch dunkel erinnern. Hat nicht sogar der Express darüber ausführlich und mit einer dicken Schlagzeile berichtet?“

      „Bei euch an der Schule ist es doch sicherlich auch üblich, dass die Schüler der Entlassklassen an ihrem letzten Schultag eine Polonaise durch die Schule machen, um sich von den anderen Schülern zu verabschieden.

      Hartmann hatte von seinem Spezi Franz Pape davon erfahren und die Klassenlehrer der 10er Klassen daraufhin zu sich bestellt und ihnen erklärt, dass er ein solches Tun nicht hinnehme. An diesem Tag müssten sie dafür sorgen, dass normaler Unterricht stattzufinden habe. Eine Polonaise durch die Schule sei unvereinbar mit dem Schulgesetz. Diese sähe ausdrücklich vor, dass nur aus schwerwiegenden Gründen Unterricht entfallen dürfe.

      Du kennst doch auch Schüler. Welcher Entlassschüler hält sich an seinem letzten Schultag an das Schulgesetz.

      Jedenfalls sind die Schüler trotz des Verbots friedlich durch die Schule gezogen.

      Als Hartmann davon Wind bekam, ist er zornentbrannt in den Haupttrakt geeilt und hat die Schüler zur Rede gestellt:

      „Wer hat euch das erlaubt? Ich habe hier Hausrecht und fordere euch hiermit auf, unverzüglich euren Unterricht aufzunehmen!“

      Die Klassensprecherin der 10a Melanie Bauer versuchte noch mit ihm zu diskutieren. Hartmann jedoch geriet darüber so in Rage, dass eine Schülerin es wagte, ihm zu widersprechen, dass er ihr eine schallende Ohrfeige gab. Etliche Schüler waren Zeugen dieses Vorfalls.“

      „Was haben die Eltern dieser Schülerin unternommen?“

      „Nichts!! Hartmann muss irgendeinen Deal mit ihnen ausgehandelt haben. Jedenfalls haben sie offiziell ihrer Tochter Mitschuld an diesem Vorfall gegeben und außerdem wurde so getan als habe er sie nur am Weitergehen durch das Gebäude hindern wollen und dabei sei er unglücklicher Weise mit der Hand ans Gesicht gelangt.

      Übrigens: Die Schüler haben nach der Ohrfeigenaffäre Courage gezeigt.

      Als Hartman seine berühmt berüchtigte Abschlussrede hielt, sind etliche aufgestanden und haben die Aula verlassen. Erst als sie beendet war, sind sie wieder hineingegangen. Ich konnte die Schüler gut verstehen.

      Hartmann saß während des Rests der Veranstaltung mit versteinerter Miene da. Das Austeilen der Zeugnisse hat er dann seinem Stellvertreter überlassen.

      Frau Otto hat dann noch mitbekommen, dass er anschließend in seinem Büro einen Tobsuchtsanfall bekommen hat.

      Nach einigen Tagen schien dieser Vorgang auch in Vergessenheit zu geraten.

      Damit ist aber diese Geschichte noch nicht zu Ende.

      Hartmann hat sich sofort an Münster gewandt.

      Er hat, was mir heute noch unbegreiflich ist, offiziell eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Klassenlehrer der Klasse 10a Herrn Bücker und gegen die Klassenlehrerin der Klasse 10b Frau Waltenbauer eingereicht wegen Verletzung ihrer Dienstpflicht. Begründet hat er es damit, dass sie die Polonaise geduldet hätten und nicht eingeschritten seien. Zudem seien sie ihrer Unterrichtspflicht nicht nachgekommen. Er habe ausdrücklich angeordnet, dass an diesem Tag Klassenlehrerunterricht zu erteilen sei!“

      „Und was ist daraus geworden?“

      „Die beiden Kollegen wurden zur Stellungnahme aufgefordert und erhielten von Münster eine Rüge wegen ihres Verhaltens. Begründung: Sie hätten sich nicht an die Dienstanweisungen ihres Schulleiters gehalten und zudem seien sie ihrer Unterrichtsverpflichtung nicht nachgekommen. Welch ein Blödsinn!

      Die beiden Kollegen haben das natürlich nicht auf sich sitzen lassen und sich in dieser Angelegenheit an den Lehrerrat gewandt mit der Bitte, sie in dieser Angelegenheit zu unterstützen. Wie du vielleicht weißt, war ich zu dieser Zeit Vorsitzender des Lehrerrats. Wir waren unheimlich sauer auf Münster, zumal Hartmann wieder einmal nicht wegen seines Verhaltens zur Verantwortung gezogen wurde.

      Nach reiflicher Überlegung haben wir beschlossen, einen Brief nach Münster zu schreiben, in dem wir unsere Sicht der Dinge darlegen wollten.

      Nach Fertigstellung haben wir den Kollegen, von denen wir wussten, dass sie auch das Vorgehen von Hartmann missbilligen würden, diesen Brief zu lesen gegeben und um ihr Einverständnis gebeten, diesen Brief nach Münster zu schicken.

      Alle Kollegen, die den Brief zur Kenntnis genommen hatten, waren damit einverstanden.

      Nur den Kollegen, von denen wir wussten, dass sie Hartmann nahe stehen, haben wir den Brief verständlicher Weise vorenthalten.

      Da aber meine Kollegen und Kolleginnen Repressalien von Seiten Hartmanns befürchteten, haben wir als Lehrerrat den Brief nach Münster weitergeleitet. Gleichzeitig haben wir aber auch darauf hingewiesen, dass die Mehrheit des Kollegiums den Inhalt des Briefs mittrage.

      Das war ein Fehler. Einige Tage später wurden die Vertreter des Lehrerrats in Hartmanns Büro gebeten. Dort eröffnete er uns, dass Frau Schirrmeister ihm eröffnet habe, dass gegen ihn ein Kesseltreiben im Gang sei und dass Kollegen seiner Schule hinter seinem Rücken ihn denunziert hätten.

      Ein solches Tun sei nicht hinnehmbar, da dadurch die Amtsführung des Schulleiters in unerträglichem Maße beeinträchtigt würde.

      Zugleich wurde uns erklärt, dass die Dezernentin zur nächsten Lehrerkonferenz erscheinen würde, um ihn in seiner Amtsführung aktiv zu unterstützen.

      Außerdem würde er jeden einzelnen Kollegen dahingehend befragen, ob er an der Verfassung des Briefes mitgewirkt habe.

      Dazu habe er eine Liste erstellt, in der wir per Unterschrift eine entsprechende Erklärung abzuzeichnen hätten.

      Du kannst dir sicherlich unsere Reaktion vorstellen. Wir haben uns strikt geweigert, eine solche Erklärung abzugeben.

      Zehn Tage später fand dann die Lehrerkonferenz statt. Hartmann saß mit hochrotem Kopf uns gegenüber. Neben ihm saß mit eisiger Miene stocksteif unsere Dezernentin.

      Nach kurzer Begrüßung gab Hartmann das Wort weiter an Frau Schirrmeister.

      Ohne lange Umschweife kam sie sofort zur Sache und erklärte uns, dass unser Verhalten rechtswidrig sei. Es sei zwar durchaus erlaubt, am Schulleiter Kritik zu üben.

      Dieses dürfe jedoch nicht in anonymisierter Form erfolgen. Außerdem seien unsere Vorwürfe unhaltbar und ehrabschneidend. Herr Hartmann habe in seiner Eigenschaft als Leiter dieser Lehranstalt das Notwendige veranlasst, damit an dem besagten Tag Unterricht stattfinden könne.

      Teile des Kollegiums hätten jedoch ihm die notwendige Unterstützung versagt, so dass es deshalb zu einer Eskalation geführt habe. Die Handlung des Schulleiters sei eine Reflexhandlung gewesen und aus der Erregung erklärbar.

      Dies sähen auch die Eltern der Schülerin so. Sie hätten sich sogar für das Verhalten ihrer Tochter entschuldigt.“

      Jetzt war ich sprachlos. Dass Frau Schirrmeister sehr unangenehm werden konnte, hatte ich selber bei einer 2. Staatsprüfung erfahren dürfen. Das hier Gehörte war aber für mich absolut nicht mehr nachvollziehbar.

      Die Kollegen wurden hier eiskalt abgekanzelt nach dem Motto, der Schulleiter hat immer Recht, egal was passiert.

      „Und was hat mein Vorgänger Herr Kruse in dieser Situation getan?“

      „Nichts! Er hat nach dem Motto gehandelt ‚Augen zu und durch‘ und ‚Nach mir die Sintflut‘.

      In Konfliktsituationen hat er immer nur laviert. Er wollte Karriere