Werner Karl

Königin der Spiegelkrieger


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Túans stillzuhalten und rief ständig seinen Namen. Doch ihr gelang es nicht, seinen Blick auf sich zu lenken. Swidger stand kreidebleich und mit steinernem Gesicht daneben und rief innerlich alle germanischen Götter an, die er kannte, in der Hoffnung, Túan zu helfen und den Dämon von sich zu halten, der seinen Freund befallen zu haben schien.

      Als Sétanta endlich heran war und in der allgemeinen Aufregung ein von allen unbemerktes winziges Lächeln seine Mundwinkel durchzuckte, blieben die vier Träger und die Kriegerin mit Túan in ihrer Mitte stehen. Natürlich hofften sie auf Hilfe durch den alten Druiden. Und der begann nun ein Schauspiel darzubieten, dass er lange geübt hatte.

      Er hob beide Arme und gebot stumm Platz zu machen. Die Menge folgte ihm nur zu bereitwillig, denn Túan wand sich wie ein glitschiger Aal in den Händen der Krieger. Dabei stieß er Worte und halbe Sätze heraus, die niemand außer Sétanta verstand und die ihnen mehr Furcht einflößten, als der mächtigste Feind im Gefecht.

      Kaum hatte Sétanta Raum genug für seinen Auftritt, trat er mit gewichtigen Schritten an den offensichtlich Besessenen heran und legte ihm blitzschnell beide Hände auf die Schläfen.

      Bran knurrte drohend, schien aber unschlüssig zu sein. Er beobachtete jede Bewegung Sétantas.

      Zu Arianrhods Erstaunen beruhigte sich ihr Liebster fast augenblicklich. Túan wand sich noch eine kurze Weile und sein Gebrüll verfiel in anhaltendes Gemurmel, das so leise wurde, dass niemand hätte sagen können, in welcher Sprache er redete.

      Swidger steckte sein Schwert in die Scheide und machte das Zeichen gegen den Bösen Blick. Er stand ein wenig schräg hinter Arianrhod, um Túan beobachten zu können und gleichzeitig dessen Frau den Rücken zu decken. Er zeigte deutlich, dass er hier Mächte am Werk vermutete, die er nicht begriff und die ihm klar machten, dass es Feinde gab, die man nicht mit Axt und Schwert bekämpfen konnte. Dies war nicht sein Schlachtfeld.

      Arianrhod warf Sétanta einen dankbaren Blick hin und wollte ebenfalls auf Túan zutreten, doch der alte Druide verbot ihr dies mit einer herrischen Geste.

      »Nicht du, Königin. Es genügt, wenn sich diese tapferen Cruithin in Gefahr begeben. Dein Gemahl ist jetzt - so leid es mir tut, es sagen zu müssen - ein scharfes Beil, das an einem seidenen Faden über all jenen hängt, die ihm in die Nähe kommen.«

      Nur mit größter Anstrengung gelang es Arianrhod, zwei Schritte zurückzutreten und mit ruckartigem Nicken ihre Zustimmung kundzutun. Sagen konnte sie kein Wort. Wie mit eisernen Klammern umfassten die unbekannten Laute, die Túan ausgestoßen hatte, ihr Gehirn und würgten ihr die Kehle zusammen.

      Die aufgeregten Rufe und Bewegungen der Menge hatten sich mittlerweile in einen Block aus Eis verwandelt. Jeder, der einen Blick auf den Druiden hatte werfen können, stand starr und geschockt. Die dahinter Stehenden waren längst informiert und versuchten durch Lücken einen Blick zu erhaschen, sagten aber ebenfalls nichts.

      Die ganze Zeit waren Sétantas Hände an den Schläfen Túans gelegen und in der jetzt vorherrschenden Stille murmelte er seinerseits magische Beschwörungen und Wörter mit scheinbar heilender Kraft. Niemand konnte ahnen, dass sie genau das Gegenteil bewirken sollten. Und es auch taten. In Wahrheit brauchte er jedoch nichts weiter zu tun, er musste nur noch abzuwarten, bis die Saat aufging, die er schon vor Monaten ausgesät hatte. Als Túan wieder seine Stimme anhob und sich stärker zu regen begann, verkehrte Sétanta die Bedeutung seiner Beschwörungen in Lügen.

      »Ich konnte ihn vorerst beruhigen«, sagte er an Arianrhod gerichtet, aber so laut, dass es viele der Umstehenden hören konnten. »Aber für eine mögliche Heilung muss er in meine Unterkunft. Dort habe ich die Medizin, die ihm helfen könnte.«

      Wäre Arianrhod nicht ohnehin schon blass gewesen, so hätten die Worte des Alten es sicher bewirkt.

      »Mögliche Heilung?« Ihre Stimme zitterte. »Und deine Medizin könnte nur helfen? Und warum soll er für mich – seine Frau – eine Gefahr sein? Er würde mir nie etwas zuleide tun.«

      Mit gespielter Miene schüttelte Sétanta den Kopf und insgeheim beglückwünschte er sich, so lange und intensiv an einem Gesichtsausdruck geübt zu haben, den er Zeit seines Lebens noch nie echt empfunden hatte: Mitleid.

      »Es tut mir leid, Königin«, sprach er und jubelte innerlich über seinen gelungenen Tonfall. »Vielleicht lag er schon zu lange - scheinbar tot und doch wieder nicht, da sein Körper nicht verfallen wollte -, und befand sich wohl auch zu nahe am Tor zur Anderswelt, bis wir ihm den Trank gaben. Nicht alle Auswirkungen des Trankes sind gelüftet …«, log er weiter. »aber ich werde alles tun, um ihn in dieser Welt zu halten.«

      Er bedeutete den Kriegern, ihn wieder aufzunehmen, da diese ihn zu Boden gelegt hatten, sobald Sétanta ihn zur Ruhe gebracht hatte.

      »Rasch jetzt, bringt ihn in meine Hütte! Jeder Augenblick zählt«, befahl er und Arianrhod nickte bestätigend, als mehrere der Angesprochenen sie anblickten.

      Sétanta registrierte diese Blicke sehr wohl und kochte innerlich.

      Na schön, noch folgt ihr der Römer-Hure. Aber bald werdet ihr meine Krieger sein.

      Sie nahmen Túan wieder auf und schritten durch eine neue Gasse, die sich augenblicklich gebildet hatte, als der alte Druide mit der Hand in Richtung seiner Unterkunft deutete.

      Bran blieb dicht an der Seite der Gruppe, warf ab und zu einen Blick auf den alten Druiden und fletschte die Zähne.

      Plötzlich setzte ein leichter Regen ein und verwandelte das gesamte Lager binnen Minuten in eine matschige Fläche mit langsam verschwindenden Schneeresten.

      Túan öffnete die Augen und blickte in den Himmel. Seine Lippen bewegten sich stumm und er ließ es zu, dass man ihn trug. Arianrhod lief direkt neben ihm, aber er nahm weder sie noch jemand anderen wahr. Sie war versucht seine Hand zu ergreifen, aber als ihre Rechte auch nur ein wenig zu seiner Rechten zuckte, schüttelte Sétanta bedauernd aber unerbittlich seinen Kopf. Also ließ sie es. Túans Augen schienen in den Wolken nach etwas zu suchen und unentwegt formte er unhörbare Worte.

      Es war der einzige und letzte Moment, in dem er ein wenig Vernunft und Klarheit zurück erlangte. Er spürte, dass der Trank, dieser eine Tropfen, den er erhalten hatte, nicht aus der Qualität bestand, auf die er selbst immer so sorgfältig geachtet hatte. Túan konnte nicht ahnen, dass er damit absolut richtig lag. Sétanta hatte zu dem Rest von Túans Rezeptur eigene Bestandteile hinzugefügt. Túan fühlte in sich das Brodeln einer Hitze, deren Quelle sich von seinem Magen in die ganze Brust ausgebreitet hatte. Er versuchte alle Heilsprüche, selbst solche, von denen er eigentlich überzeugt war, dass sie nicht wirkten und blanke Scharlatanerie waren, mit denen sich weniger begabte Druiden ein kärgliches Einkommen sicherten. Doch nichts half. Das Brennen nahm wieder zu und er begann sich wieder gegen die Hände zu wehren, die ihn trugen.

      Ohne das es jemand aussprechen musste, legten die Träger an Tempo zu. Nur schnell weg von dem Wahnsinnigen. Sollte doch der alte Druide versuchen, ihn den Dämonen zu entreißen, die erneut mit scharfen Zähnen nach ihm zu beißen schienen.

      Gerade als sie die Schwelle zu Sétantas kleiner Holzhütte passierten, fing Túan wieder an vor Schmerzen zu schreien. Sein Körper war nun doppelt nass, vom Regen und vom Schweiß. Sie betteten ihn auf die Liege des alten Druiden, doch dort zappelte er heftig herum, sodass Sétanta in eine Ecke des Raumes deutete.

      »Dort sind Seile, bringt sie!«, befahl er. »Schnell. Und bindet ihn fest! Wenn er um sich schlägt, kann ich ihm wenig helfen.«

      Sie taten wie geheißen und wickelten die Seile um alle Gliedmaßen. Doch Túan wehrte sich und sie mussten die Seile enger und enger schnüren, damit er sie mit seinen zu Fäusten geballten Händen nicht schlagen konnte.

      Mit einem Ruck hob Túan plötzlich den Kopf und stieß ein grässliches Wort hervor, dass wie ein Schlag zwei der Krieger von sich stieß und sie zurücktaumeln ließ.

      Den anderen traten beinahe die Augen aus den Höhlen, als sie ihren Druiden so toben sahen. Ihre Pupillen waren schreckgeweitet und sie beeilten sich, die Fesseln festzuschnüren.

      Bran