Rotraut Mielke

Herrengolf und andere Irrtümer


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      „Das war ja heute mal wieder keine Ruhmestat.“ Bedächtig ließ sich Walter auf einem der nur mäßig bequemen Holzstühle nieder und faltete die Hände über seinem Bauch. Er war groß und massig, ein Mann wie ein Bär mit langsamen, behäbigen Bewegungen. Während sich die drei anderen Männer zu ihm an den Tisch setzten, schüttelte er in gelinder Verzweiflung über sich selbst den Kopf. „Zwei Ladys und dann noch einen Ball verloren. Das wird teuer.“ Er wischte sich mit der Hand über das von der Anstrengung gerötete Gesicht, und seine buschigen Augenbrauen zogen sich in stummer Qual zusammen.

      „Du kannst dir das doch leisten!“ Gerd, der neben ihm saß, fuhr sich schwungvoll durch seine immer noch vollen, dunklen Haare. Er war ein Mann der großen Gesten, die manchmal etwas theatralisch wirkten. Nun huschte ein spitzbübisches Grinsen über sein Gesicht, und auch die anderen zwei konnten sich das Schmunzeln nicht verkneifen.

      Walter zog ein Taschentuch aus seiner Hose und wischte sich damit ein paar Schweißtropfen von der Stirn. „Darum geht es ja nicht. Die Ladys hätten einfach nicht sein müssen“, stellte er sachlich fest. Seine wässrigen Augen schweiften über die sanften Hügel des Golfplatzes. Bis hinauf zum Wald konnte man schauen, über dem zwei Windräder gemächlich ihre Rotorblätter bewegten. Klein wie Ameisen bewegten sich ein paar Golfer auf den Bahnen. Der morgendliche Ansturm war abgeflaut.

      „Es war schon schlimmer“, tröstete Ben, der ihm gegenüber saß. „Du hast halt heute einfach Pech gehabt.“ Er mochte an die dreißig Jahre jünger sein als die anderen und war ein eher sportlicher Typ. Im Gegensatz zu seinen Mitspielern, die erschöpft auf ihren Stühlen hingen, sah er auch nach der Golfrunde immer noch fit und tatendurstig aus.

      Wie immer ließ man das Golfen auf der Terrasse ausklingen, und die Vier schauten erwartungsvoll auf die Tür, die vom Restaurant heraus führte. Aber vom Personal ließ sich niemand blicken.

      „Soll ich reingehen?“, fragte Gerd nach einer Weile.

      Walter winkte ab. „Es wird schon gleich einer kommen. Ist ja nicht so, als ob der Laden brechend voll wäre.“

      Alfred, der sich als letzter dazugesellt hatte, zog eine Zigarettenschachtel und ein Feuerzeug heraus. Ein kleiner Bleistift folgte und dann die Scorekarte, auf der er die Spielergebnisse der einzelnen Bahnen notiert hatte. Er war schlank, fast hager, und alles an ihm wirkte wie aus einem Holzstück grob herausgeschnitzt. Sein Gesicht hatte durch das ausgeprägte Kinn etwas Kantiges, das durch die sehr kurz geschnittenen, steil nach oben stehenden Haare noch verstärkt wurde. Auch seine Mimik war sparsam, fast starr, und nur selten konnte man ihm ansehen, was gerade in ihm vorging. Unruhig scharrten seine Füße unter dem Tisch, während er versuchte, die völlig unterschiedlich geformten Gegenstände vor sich aufeinander zu türmen. Walter schaute fasziniert zu, wie das Gebilde ein ums andere Mal umkippte.

      „Du kannst auch deine Finger nicht stillhalten“, raunzte Gerd. „Es macht einen ganz nervös, dass du immer mit was rumspielen musst.“

      „Du mit deinem breiten Hintern hast ja genügend Sitzfleisch“, knurrte Alfred zurück. „Das brauchst du für deine dauernden Besprechungen. Ich würd verrückt werden, stundenlang nur rumhocken und reden. Und was kommt dabei heraus? Nichts, nur heiße Luft.“

      Gerd lachte. „Tja, das ist halt die hohe Kunst der Politik, davon hast du Grobmotoriker natürlich keine Ahnung.“

      „Steuer‘ du mal einen Bagger, und dann sag noch was von grobmotorisch“, brauste Alfred auf. „Es ist eine Kunst, so ein Ding zentimetergenau zu rangieren. Aber du hast dir ja noch nie die Finger dreckig gemacht, im ganzen Leben nicht.“

      „Kriegt euch mal wieder ein. Ihr benehmt euch wie die Bauern. Dabei seid ihr doch studierte Herren. Wenn ich so reden würde, das wäre was anderes“, mahnte Walter zur Ruhe.

      „Halt du dich raus“, giftete Gerd nun ihn an. „Alles, was schneller ist als ein wachsendes Radieschen, kriegst du doch gar nicht mit.“

      Alfred lachte schallend, und auch Walter verzog den Mund zu einem Schmunzeln. „Unser Politiker mal wieder. Auf den Mund gefallen bist du nicht, das muss man dir lassen“, meinte er gutmütig.

      Alfred fischte eine Zigarette aus der Packung und steckte sie an.

      In behaglichem Schweigen schauten sie einem Dreierflight zu, der sich am Abschlag Eins auf seine Golfrunde vorbereitete.

      Endlich näherte sich im Zeitlupentempo eine Kellnerin. „Guten Tag, die Herren. Was darf’s sein?“, fragte sie lustlos und schon wieder halb im Gehen begriffen. Außer Alfred entschieden sich alle für ein alkoholfreies Bier.

      „Das müsste die doch allmählich wissen“, stänkerte Gerd. Jeden Dienstag und Donnerstag traf man sich hier, und stets wurden die gleichen Getränke bestellt.

      „Die muss aufpassen, dass sie nicht unterwegs einschläft“, kommentierte Walter den Auftritt der jungen Frau, die ins Innere des Restaurants zurückgekrochen war.

      Die anderen nickten zustimmend.

      „Ist doch klar, je teurer, desto langsamer“, stellte Gerd fest. „Lange werden die sich hier nicht halten, so viel steht fest.“

      Der Pächter hatte das Lokal erst vor kurzem übernommen und tat sich noch schwer damit, sich auf das recht eigenwillige Völkchen der Golfer einzustellen.

      Selbstgefällig lehnte sich Gerd in seinem Sessel zurück. Das Polohemd spannte über seinem Bauch, und die Speckröllchen, ein deutliches Zeichen dafür, dass er den Kampf gegen gutes Essen und einen Schoppen in schönster Regelmäßigkeit verlor, quollen ringsherum aus dem Bund seiner Hose. Seine dunklen, unruhig hin und her schweifenden Augen musterten die Runde.

      Alfred streckte Walter auffordernd die Hand entgegen. „Das macht zehn Euro für die Ladys.“

      Der nestelte an seiner Gesäßtasche und zückte schließlich sein Portemonnaie. Es sah so aus, als müsse er sich den Zehn-Euro-Schein förmlich aus den Rippen schneiden, so zögernd holte er ihn heraus und legte ihn neben die ausgestreckte Hand auf den Tisch. „Ich zahle meine Schulden immer sofort“, murrte er. „Da kann man mir nichts nachsagen.“

      „Aber nur, weil wir aufpassen“, krähte Gerd fröhlich.

      „Das stimmt überhaupt nicht“, protestierte Walter, aber dann befand er, dass es nicht lohnte, sich aufzuregen. Er lehnte sich wieder zurück.

      Sie schauten zur Terrassentür in Erwartung der Getränke. Es war ein warmer Tag, und die Golfrunde hatte gehörig Schweiß gekostet.

      Alfred verstaute den Geldschein sorgsam in seinem Portemonnaie und kritzelte etwas mit dem Bleistift auf seine Scorekarte, die er dann lange aufmerksam studierte. „Achtzehn Punkte. Kein einziger Strich“, stellte er schließlich fest und warf Ben einen bedeutsamen Blick zu.

      „Ihr seid wirklich viel besser geworden“, bestätigte der. „So kriegen wir aber unsere Spielkasse nie voll.“

      Die drei älteren Männer lächelten. Dass sie Ben in ihre Runde aufgenommen hatten, war ein absoluter Glücksfall gewesen, golftechnisch und auch sonst. Besonders Walter betrachtete ihn fast so wohlwollend wie den Sohn, der ihm leider nicht beschieden war.

      „Eigentlich müsstest du die Kasse führen. Du bist doch der Banker“, meinte er augenzwinkernd.

      „Nein, nein, es ist schon besser, wenn das einer von euch übernimmt“, wehrte der ab. „Du weißt doch, Bankleute haben ein einnehmendes Wesen.“

      „Na ja, manche schon“, wusste Gerd. „Wenn ich da an unseren Filialleiter denke, da glaubt man, dass in Kürze das Geld abgeschafft wird. Der rafft alles zusammen, was er kriegen kann. Nur wenn’s ans Ausgeben geht, da hat er zugenähte Taschen.“ Er schaute Zustimmung heischend in die Runde.

      „Geschenkt“, meinte Alfred trocken. „Wenn es darum geht, anderen das Geld aus der Nase zu ziehen, seid ihr Politiker unschlagbar.“

      Diesen Seitenhieb auf Gerds Aktivitäten im Gemeinderat konnte der