es aufgenommen?“ fragte der Assistenzarzt und schaute hinter Uvok her, der aus seiner Hosentasche offensichtlich ein Geldstück hervorholte und in den Kaffeeautomaten dort steckte.
„Ich weiß nicht...?“ Marivar schaute ebenfalls in seine Richtung. Uvok drückte einen Knopf am Automaten. Dabei drehte er seinen Kopf in ihre Richtung und schaute sie kurz mit dem traurigsten Blick an, den sie je gesehen hatte. „Ich denke, er sollte psychologische Hilfe bekommen!“ Marivar drehte sich zurück zu dem Assistenzarzt, der seinen Blick ebenfalls von Uvok löste, um Marivar anzuschauen. „Scheinbar hat er niemanden. Würden sie Doktor Kalitas ausrufen lassen und ihm sagen, ich könnte hier seine Hilfe gebrauchen?“
Der Assistenzarzt nickte. „Natürlich. Kein Problem!“
„Danke!“ Marivar lächelte ihm freudlos zu.
„Wie geht es ihnen?“ fragte der Assistenzarzt und Marivar erzählte ihm von ihrem kurzen Gespräch mit Uvok.
Als er das Geldstück in den Automaten warf, schaute er kurz zurück zu der Ärztin, die versucht hatte, Asisha doch noch das Leben zu retten. Alle hatten ihm gesagt, dass sie die Beste sei und Uvok hatte keinen Grund daran zu zweifeln, dass sie alles nur menschenmögliche getan hatte. Als man ihm die schreckliche Nachricht über den verheerenden Unfall überbracht hatte, war er sofort ins Krankenhaus geeilt. Dort hatte man ihm den Tod seines ungeborenen Kindes mitgeteilt und ihm gesagt, dass es auch für Asisha so gut wie keine Hoffnung gab.
Und tief in seinem Inneren hatte Uvok bereits zu diesem Zeitpunkt gespürt, dass seine Frau ebenfalls heute sterben würde.
Und deshalb hatte er das Krankenhaus für zwei Stunden verlassen, um etwas sehr, sehr Wichtiges zu erledigen. Dann war er zurückgekehrt und hatte weiterhin in diesem Flur gewartet.
Uvok drückte achtlos auf einen Knopf, dann stand er für einen Moment reglos da, bevor er sich umdrehte und wie in Trance weiter den Gang hinunter ging.
Am Ende befanden sich ein kleiner Tisch und ein paar Sitzmöbel. Uvok umrundete das alles und stellte sich direkt vor das große Fenster, das bis zum Boden reichte und einen schönen Ausblick auf den herrlich angelegten, farbenprächtigen Krankenhauspark hinter einem kleinen Parkplatz bot.
Die Sonne schien von einem fast wolkenlosen Himmel und verlieh dem zur Neige gehenden Tag einen wundervollen Glanz.
Doch für Uvok bedeutete all das überhaupt nichts mehr, sein Blick blieb leer.
Langsam griff er mit seiner rechten Hand in seinen Rücken und holte eine große Pistole hervor, die er zwischen Gürtel und Körper aufbewahrt hatte.
Für einen Moment schaute er sie ausdruckslos an und wiegte sie vorsichtig in den Händen. Er hatte noch nie eine richtige Waffe in den Händen gehalten. Sie kam ihm unendlich schwer und fremd vor. Doch Uvok wusste, wie sie zu benutzen war. Vorsichtig entsicherte er das Magazin. Ein metallisches Klicken zeigte an, dass die Waffe scharf war.
Noch einmal schaute er hinaus aus dem Fenster, dann drehte er sich zurück in den Flur.
„Ich komme Asisha!“ sagte er leise, dann führte er die Waffe in seinen Mund.
Marivar schaute wie beiläufig noch einmal den Gang entlang und erkannte, dass Uvok sich vom Automaten in Richtung Gangende entfernt hatte und aus dem Fenster dort schaute.
Eine Bewegung in seinem Rücken unter seiner Jacke aber ließ sie plötzlich aufmerken und ihren Blick auf ihm verharren.
Innerhalb eines Wimpernschlages jagte ihr eine furchtbare Vorahnung in die Glieder.
Sie hob die Hand und deutete dem Assistenzarzt an, einen Moment in seinen Worten inne zu halten, während ihr Körper sich fast wie automatisch in Uvoks Richtung bewegte.
Sie hatte kaum zwei Schritte getan, da drehte sich Uvok in den Gang zurück und schob sich eine riesige Handfeuerwaffe tief in den Mund.
Uvok sah, wie die Ärztin auf ihn zugestürmt kam, doch würde sie ihn nicht mehr rechtzeitig erreichen.
Er gab ihr keine Schuld am Tod seines Kindes oder am Tod von Asisha. Und auch seinen Tod hatte sie nicht zu verantworten.
Dann drückte er ab.
„Nneeiinn!“ schrie sie langgezogen und hechtete den Gang hinab.
Einen Atemzug später donnerte ein gewaltiger Knall durch den Flur, als Uvok den Abzugshebel durchzog.
Die Fensterscheibe hinter ihm füllte sich augenblicklich derart wuchtig mit seinem Blut und seiner Gehirnmasse, als hätte jemand einen Eimer dickflüssige Farbe mit aller Kraft dagegen geschleudert.
Fast gleichzeitig riss die Wucht des Geschosses Uvok von den Füßen und katapultierte ihn aus dem Stand mit dem Rücken voran durch die Fensterscheibe.
Ein irrsinniges Klirren hallte durch das Krankenhaus und zog sofort die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich.
Marivar raste am Kaffeeautomaten vorbei und erreichte den Tisch, schob ihn rüde beiseite und bremste ab.
Fassungslos schaute sie durch die zerborstene Scheibe, aus der noch immer Glas zu Boden fiel, vier Stockwerke tiefer auf den Parkplatz, wo Uvoks Leiche mit großer Wucht auf das Dach eines Hovercrafts geschlagen war und es bis auf die Sitzflächen eingedrückt hatte. Sein Körper war unnatürlich verdreht und sein Gesicht nicht mehr, als eine breiige Masse.
Marivar starrte auf ihn herab und konnte kaum atmen, alles in ihr war völlig taub.
Doch nur für ein paar Sekunden, dann drehte sie sich um und mit einem Mal versprühte sie eine unbändige Wut in sich.
Ein Geräusch zog ihren Blick in Richtung Kaffeeautomat, wo ein kurzes Ping anzeigte, dass der gewünschte Kaffeebecher vollständig gefüllt war.
Marivar starrte auf den Becher, dann zuckte ihr Blick zur Seite, sie sah einen Stuhl in der Ecke und riss ihn vom Boden.
„Warum?“ schrie sie aus Leibeskräften und wirbelte den Stuhl mit all ihrer Kraft, die sie aus ihrem ausgepumpten Körper noch aufbringen konnte, in den Kaffeeautomaten.
Wieder wurde der Gang erfüllt von klirrendem Glas.
Die Wucht des Aufpralls riss Marivar den Stuhl aus der Hand und er polterte wild durch den Gang, dabei schrie sie nochmals auf.
Dann verharrte sie für einen Moment in ihrer Bewegung, bevor sie auf die Knie sackte und zu weinen begann. „Warum?“ stieß sie wieder hervor, ließ sich zur Seite fallen, lehnte sich gegen die Wand, zog ihre Beine an den Körper, verschränkte die Arme darauf und verbarg so ihren Kopf, während sie hemmungslos weinte.
Warum hatte Uvok das getan? Warum nur? Die Antwort aber wusste sie bereits. Weil er seine Frau und sein Baby liebte und nur mit ihnen ein Leben als solches doch überhaupt sinnvoll war.
Aber warum hatte Gott das zugelassen? Reichten ihm die beiden Todesopfer nicht? Musste er die ganze kleine Familie auslöschen?
Oder hatte Gott am Ende gar nichts ausgelöscht, sondern nur an anderer Stelle wieder vereint? Musste er deshalb auch Uvok zu sich holen, damit das überhaupt einen Sinn machte?
Marivar wusste es nicht. Sie wusste nicht, was sie denken sollte, sie wusste nicht, was sie glauben sollte.
Was konnte schlimmer sein, als diese furchtbare Tragödie?
Marivar erwartete keine Antwort auf diese Frage.
Dennoch sollte sie eine erhalten – jedoch erst Monate später – dafür aber auf eine Art und Weise, die sie niemals wieder vergessen sollte.
11
Shamos erwachte, als die Sonne um die Hausecke gewandert war und ihre Strahlen durch die nur halb geschlossenen Lamellen der Jalousien warf.
Doch nicht alles an ihm erwachte in diesem Moment. Zwischen seinen Beinen herrschte absolute Funkstille, er spürte dort nicht einmal etwas. Aber das war Shamos egal, Hauptsache er hatte Esha seinen