Joachim Koller

Bittersüßer Rakomelo


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saß neben ihm und blickte nervös zwischen ihm und dem Loch hin und her. Sie waren keine fünf Minuten unterwegs und noch weit entfernt vom Festland, als der Motor stotterte und dann verstummte. Entgeistert blickte Maria Ryan an.

      »Die Batterie ist leer«, stellte Ryan emotionslos fest. Maria sah sich um und wurde weiß im Gesicht. Ryan sah, wie ihre Hände zu zittern anfingen.

      »Bist Du verrückt? Was soll das heißen, die Batterie ist leer? Wie kommen wir … das Wasser, steigt immer mehr. Dieses Boot wird sinken und wir sind mitten auf dem Meer!«, stammelte Maria entsetzt.

      Ryan behielt die Ruhe, musste sich bemühen, sich nicht zu verraten. Wenn sie von hier aus bis zu den Felsen bei der Küstenstraße schwimmen würden, wären sie in einer Viertelstunde wieder an Land. Doch die Angst ließ Maria nicht mehr rational denken und somit konnte er seinem Plan weiter nachgehen.

      »Du kannst doch gut schwimmen, Maria?«

      »Ja, aber wir können doch nicht von hier bis nach Bali …«

      »Gib mir alle wichtigen Sachen von Dir. Ich habe im Rucksack einen wasserdichten Beutel. Da passiert unserem Geld und den anderen wichtigen Gegenständen nichts. Wir werden mit der Luftmatratze an Land schwimmen.«

      Maria riss die Augen noch weiter auf.

      »Wie bitte? Mit der …« Sie überlegte und blickte von der Matratze zu dem kleinen Loch und dann zum Strand.

      »Ja, es wird ein etwas längerer Schwimmausflug. Aber auf der Luftmatratze können wir uns beide festhalten und uns zwischendurch etwas erholen, falls die Strömung etwas stärker wird«, erklärte Ryan, der immer noch ruhig blieb. Er drückte ihr den durchsichtigen Beutel in die Hand und Maria gab ihren Schmuck und ihre Geldbörse hinein. Es folgte eine kleine Digitalkamera, die sich Ryan schnell einprägte. Auch ihr Handy wanderte in den Beutel, bevor Ryan seines dazulegte. Das geklonte Handy hatte er bei Despina gelassen. Ansonsten gab er nur noch seine Geldbörse und seine Brille hinein und verschloss den Beutel.

      »Weißt Du eigentlich, wie weit es bis zum Hafen von Bali ist?«, fragte Maria aufgeregt und deutete auf die Ortschaft in der Ferne.

      »Du siehst so aus, als wärst Du gut durchtrainiert, Maria.«

      »Nicht so gut um eine derart lange Strecke zu schwimmen.«

      Ryan nahm Marias Oberarme und zog sie leicht zu sich. Dabei sah er ihr tief in die Augen. Sie wurde noch nervöser, vermutete wahrscheinlich, dass er die Situation ausnutzen würde.

      »Keine Sorge, wenn Du erschöpft bist, hast Du ja die Luftmatratze. Ich werde Dich sicher an Land bringen, Schönheit. Das verspreche ich Dir«, sagte er gefasst. Er ließ sie wieder los und kletterte über seinen Sitz zum hinteren Teil des Bootes. Hier stand das Wasser inzwischen bis zu den Knöcheln. Ryan warf die Luftmatratze über Bord und sprang mit dem Beutel in der Hand hinterher. Er landete neben der Luftmatratze im Wasser und deutete Maria, zu ihm zu kommen.

      »Und mir soll Kreta sympathisch werden?«, zweifelte Maria und sprang hinterher. Sie krallte sich an der Luftmatratze fest und blickte ängstlich zum Boot.

      »Wir haben einen weiten Weg vor uns, gehen wir es langsam an«, versuchte Ryan, sie etwas zu motivieren. Sie hingen an der Längsseite der Matratze, den durchsichtigen Beutel mit ihren Utensilien vor sich in der Mitte und tauchten langsam mit ihren Füßen an. Dabei entfernten sie sich immer weiter vom Boot. Die Situation war alles andere als gefährlich, das wusste Ryan. Die leuchtend gelbe Luftmatratze war leicht zu finden und selbst ohne wären sie innerhalb einer halben Stunde nah genug am Strand, um entdeckt zu werden. Aber Maria sollte ruhig etwas Panik bekommen und dementsprechend Ryan als ihren Retter sehen. Das war von Anfang an sein Plan gewesen.

      »Siehst Du, alles nicht so schlimm. Wir paddeln ganz einfach in Richtung Bali zurück, werden mit der Matratze in den Hafen einlaufen und ich werde der netten Dame von der Bootsvermietung erklären, dass ihr Boot hier draußen zu suchen ist.«

      »Du bist die Ruhe selbst, Ryan. Hast Du keine Angst?«

      »Nein, Maria, warum auch? Wir sind nur vom Boot auf die Luftmatratze umgestiegen. Ich habe Dir versprochen, dass Du sicher an Land kommst und dieses Versprechen werde ich halten, davon kannst Du ausgehen.« Seine Antwort schien Maria nur geringfügig zu beruhigen. Wortlos bewegte sie ihre Beine, sah konzentriert nach vorne und ihre Finger krampften sich um das gelbe Plastik der Matratze.

      Mehrere Minuten lang schwammen sie schweigend vor sich hin. Ryan glitt in Gedanken ab. Er dachte an Tákis und Despina, ihre innige und dennoch sehr offene Beziehung und ihr Vorhaben, am Abend in Heraklion einen Swinger-Club zu besuchen. Ryan wusste viel von Tákis Beziehung mit Despina, auch über deren hemmungsloses Sexleben. Deshalb überraschte ihn ihr Abendprogramm nicht besonders. Tákis hatte ihm seit dem Beginn der Beziehung schon viel über ihre Spielarten verraten und diese gingen weit über normalen Kuschelsex hinaus. Ryan wusste gar nicht, ob Despina je erfahren hatte, woher einige der ausgefallenen Spielsachen kamen. Diverse Utensilien hatte er für Tákis bei seinen Besuchen mitgebracht. Da Despina sehr freizügig war und kein Problem damit hatte, wenn andere sie sahen, kannte Ryan auch einige intime Bilder von ihr. In gewisser Weise beneidete er Tákis, der mit Despina in jeder Hinsicht wunschlos glücklich war. Schon mehrmals hatte er geschrieben, dass sie für ihn das Wichtigste auf der Welt war. Sie und seine Familie, dafür lebte Tákis. Ryan hatte in seinen bisherigen Urlauben in Kreta zwar auch hin und wieder etwas Spaß mit Touristinnen. Dieses Gefühl, so wie Tákis es ihm beschrieb, das hatte er bislang noch nie erlebt. In Wien waren seine Beziehungen nie von langer Dauer gewesen. Wie er zu Maria gesagt hatte, er lebte gern etwas zurückgezogen und wollte sich nicht von einer Frau abhängig machen lassen. Es sei denn, er würde eine Frau finden, die dieselbe Wirkung auf ihn hatte, wie Despina auf Tákis. Außerdem war Ryan die letzten Monate nur mit Maria beschäftigt und hatte so gut wie keine Zeit für andere Aktivitäten.

      Er blickte zu ihr hinüber. Ihr stand der Schreck noch immer ins Gesicht geschrieben. Sie bemerkte seinen Blick und schenkte ihm ein zögerndes Lächeln.

      »Zum Glück hast Du die Luftmatratze mitgenommen. Ansonsten wäre es richtig anstrengend geworden.«

      »Dabei war sie nur für Dich gedacht, damit Du etwas auf dem Meer relaxen kannst.«

      Maria griff mit einer Hand hinüber und hielt sich an Ryans Handgelenk an.

      »Nett von Dir. Ich muss sagen, mit Dir wird es nicht langweilig, Ryan.«

      Ryan nahm seine freie Hand und streichelte ihre sanft.

      »Es soll doch auch ein besonderer Urlaub für Dich sein, auch wenn ich ihn mir etwas anders vorgestellt habe.«

      Ryan blickte zurück und konnte zusehen, wie das Elektroboot langsam versank.

      »Das war es dann mit unserem Bootsausflug«, kommentierte er den Untergang.

      »Nur gut, dass wir es rechtzeitig gemerkt haben.« Maria bekam langsam wieder Farbe ins Gesicht, wahrscheinlich mehr wegen der Anstrengung.

      Sie paddelten in der prallen Sonne weiter, Maria blickte immer wieder zu Ryan und dieser erkannte, wie sie ihn verzückt ansah. Inzwischen waren die Strände schon deutlich zu erkennen. Ryan überlegte schnell seine Möglichkeiten und fasste spontan einen neuen Plan. Er steuerte auf den Strand vor dem ‚Porto Paradiso‘ an.

      »Wir werden an diesem Strand an Land gehen, Schönheit. Dort kannst Du Dich stärken und etwas trinken, ich kümmere mich um das gesunkene Boot.«

      Maria schien sein Vorschlag zu gefallen. Je näher sie dem Strand kamen, desto motivierter war Maria und strengte sich an.

      Als sie endlich den sandigen Boden unter den Füßen spürten, war über eine Stunde seit dem Untergang des Bootes vergangen.

      Maria war etwas erschöpft und ließ sich bereitwillig von Ryan stützen. Er legte den Arm um ihre schlanke Taille und führte sie zur Strandbar. Die Luftmatratze lehnte er an die Steinmauer, Maria ließ sich in einem der breiten Rattansessel fallen. Christina sah ihn und grüßte freundlich.

      »Hallo, junge Frau. Kannst Du der Dame dort ein Glas von dem speziellen Champagner