Joachim Koller

Bittersüßer Rakomelo


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auf meinen Körper im Bikini.«

      Ryan nickte und schien zu überlegen. Er ging seine Möglichkeiten durch, die ihm dieser Ausflug bieten würde.

      »Wie würde es Dir gefallen, morgen am Hafen brunchen zu gehen? Danach könnten wir mit einem der Boote hinausfahren und Du kommst dazu, im offenen Meer, ungestört von allen anderen, zu schwimmen«, schlug er vor.

      Maria gefiel die Idee sehr gut und schlug vor, sich wieder um neun Uhr zu treffen, dieses Mal gleich direkt am Hafen. Ihr Aufpasser würde sie zum Lokal bringen, dann aber wieder heimfahren.

      »Ich werde pünktlich auf Dich warten, Schönheit. Ich wünsche Dir noch einen schönen Tag, erhole Dich. Bis morgen, Maria.«

      Er reichte ihr die Hand. Maria schien kurz zu zögern, beließ es dann aber dabei, ihm nur die Hand zu reichen. Ryan sah ihr nach, wie sie die Stiegen zum massiven Eisentor hinausging. Ohne sich noch einmal umzudrehen, verschwand sie im Inneren.

      Wieder hinter dem Steuer seines sündhaft teuren Mietwagens, den er trotz Tákis´ Hilfe, komplett überteuert fand, setzte er seine Brille ab. Entschlossen und blickte er im Rückspiegel sein Spiegelbild an.

      »Und so beginnt es«, murmelte er, startete den Wagen und fuhr los.

      »Sie war von Deinem Fahrstil begeistert. Etwas wild, aber man fühlt sich dennoch sicher, hat sie ihrer Freundin geschrieben.«

      Despina blickte von ihrem Computer zu Ryan und Tákis, die an einem kleinen Holztisch in ihrer Wohnung saßen.

      »Du hast sie beeingedruckt, Bruder«

      »Beeindruckt«, korrigierte Ryan seinen Freund. Unterhaltung zwischen Ryan, Tákis und Despina liefen meistens zwei-, manchmal sogar dreisprachig ab. Tákis war bemüht, sein Deutsch immer mehr zu verbessern. Despina hatte neben dem Selbststudium auch einen Kurs besucht, weshalb ihre Aussprache und Grammatik nahezu perfekt war.

      Nach einem gemeinsamen Abendessen in Despinas Wohnung hatten sie noch eine Flasche Rakomelo geöffnet.

      »Während in fast ganz Griechenland alle auf Ouzo schwören, gibt es für uns hier auf Kreta nur ein Nationalgetränk: den Rakí. Und der darf nicht mit dem türkischen Raki verwechselt werden. Es gibt nur wenige Betriebe auf Kreta, die die staatliche Berechtigung besitzen, um Rakí zu brennen. Genauso sieht es mit dem Rakomelo aus. Diese spezielle Mischung von Rakí, Honig und einigen Gewürzen findet man zwar in vielen Dörfern und Geschäften, die Qualität ist aber unterschiedlich. Die Marke, die wir im Laden verkaufen, hat auch eine staatliche Lizenz, aber das ist nicht der Grund, warum ich ihn so liebe. Tákis und ich haben schon viele Sorten ausprobiert, aber dieser hier ist so ziemlich der beste, den wir bisher getrunken haben.«

      Mitten in ihrem kurzen Vortrag hatte das geklonte Telefon angefangen zu leuchten. Despina nahm das Handy und las vor, was zwischen Maria und ihrer Freundin geschrieben wurde.

      »Vanessa will wissen, wie reich Du wirklich bist, Ryan«, las Despina vor.

      Kurz darauf kam von Maria ein Bild als Antwort. Sie hatte ein Bild von Ryans Uhr aus dem Internet an ihre Freundin geschickt. Dazu schrieb sie: »Nur ein Beispiel, das ist seine Uhr, eine Breitling. Im Internet gibt es die um 30.000.«

      Ihre Freundin war beeindruckt und riet ihr, Ryan nicht alles zahlen zu lassen, aber dennoch die Vorzüge eines »heißen Typs mit massig Kohle« auszukosten.

      »Die beiden Frauen passen zusammen wie die Faust ins Auge«, meinte Tákis abfällig.

      »Faust aufs Auge, Tákis. Hast Du morgen schon etwas vor?«, fragte Ryan.

      »Noch nicht, aber ich nehme an …«

      »Mein Schatz, morgen Abend haben wir eigentlich schon etwas vor«, unterbrach Despina ihm. Ryan bemerkte, dass es ihr im selben Moment unangenehm war, Tákis unterbrochen zu haben.

      »Ich bräuchte Deine Hilfe am Vormittag bis ungefähr zu Mittag. Der Abend würde ganz Euch gehören, keine Sorge«, beruhigte Ryan sie, »Darf ich erfahren, was ihr am Abend Besonderes vorhabt?«

      »Wir sind verabredet mit einigen Bekannten«, erklärte Tákis, der Despina etwas irritiert ansah.

      »Du lügst.« Ryan kannte seinen besten Freund zu gut, abgesehen von seiner besonderen Begabung, Menschen sehr gut einschätzen zu können.

      »Wir wollten einfach etwas Zeit für uns. Du weißt schon, was liebende Pärchen so tun. Ich glaube, das verstehst Du, oder?«, versuchte Despina ihm einzureden. Ryan erkannte sofort, dass auch das nicht ganz der Wahrheit entsprach.

      »Das würde ich voll und ganz verstehen, aber ich muss Dir leider sagen, Lockenkopf, dass ich Dir nicht ganz glauben kann. Was habt ihr denn so Geheimnisvolles vor?«

      »Erstens, Maria will morgen nichts überstürzen und sich Zeit lassen. Sie schreibt, wenn Du es ernst mit ihr meinst, dann wirst Du noch etwas warten. Und zweitens, zum Teufel mit Deinen Psychologiestudium und Deiner Menschenkenntnis«, fluchte Despina, nicht ganz im Ernst.

      »Es waren nur ein paar Semester, die ich studiert habe«, verteidigte sich Ryan. Tákis lehnte sich zurück und grinste seine Freundin an.

      »Egal, Du gehörst ja sowieso zur Familie«, gab sich Despina geschlagen, »Wir wollen morgen Abend in Heraklion in einen neuen Club gehen und … wie soll ich das sagen … Dieser Club ist mehr für Paare.«

      Ryan lachte auf und nahm einen Schluck vom bereitgestellten Rakomelo.

      »Ich verstehe. Nein, in einen Swinger-Club möchte ich nicht mitgehen, das überlasse ich ganz Euch.«

      »Nachdem wir das nun besprochen haben, was hast Du genau vor?«

      »Das hängt davon ab. Wie leicht kommst Du an eine Waffe, Tákis?«

      »Pistole, Gewehr oder soll es ein Raketenwerfer sein?«, fragte dieser trocken nach.

      »Ein Scharfschützengewehr und jemanden, der damit umgehen kann«, erklärte Ryan und sah in zwei sehr erstaunte Gesichter.

      Kapitel 5

      Ryan stand schon eine halbe Stunde vor dem geplanten Treffen am Hafen von Bali. Der kleine Hafen passte zu diesem, noch recht ursprünglichen, Ort und lag am Beginn der eigentlichen Altstadt von Bali. Neben einem Restaurant führten Stiegen hinauf zur Hauptstraße, wo sich der touristische Teil der Ortschaft erstreckte. Auf der anderen Seite führte der Weg hinauf in die kleinen Gassen Balis, wo sich die Wohnhäuser der Ortsansässigen aneinanderreihten. Ryan war über die einzige Zufahrtsstraße zum Strand spaziert, die ebenfalls nicht dem Tourismus verfallen war. Vielmehr fand man dort Einheimische vor ihren Häusern sitzen, die Frauen beim tratschen, die Männer spielten mit ihrem Komboloi. Diese kleinen Kettchen aus Glas-, Bernstein- oder auch Plastikperlen, die auf einem Faden befestigt waren, gehörten in Kreta zu den einheimischen Männern, wie die Farbe schwarz zu den Frauen. Sie galten sowohl als Glücksbringer als auch Fingerspiel oder einfach nur zum Zeitvertreib.

      Am kleinen Strand versammelten sich die ersten Wassersüchtigen, die Lokale waren nur wenig besucht und er konnte zusehen, wie die Getränkelieferanten eifrig herumwuselten. Neben den obligaten Sonnenliegen lagen auch einige Tretboote, Jet-Skis und Kanus am Strand.

      Die Fischerboote waren schon ausgefahren, um für die Restaurants und Geschäfte frischem Fisch zu angeln. Am Pier waren nur noch wenige Schiffe, vorwiegend die Ausflugsboote, die am Vormittag losfuhren.

      Ryan blickte über das Wasser zu einem bewaldeten Berg, der von jedem Strand aus zu sehen war. Es war kein besonders großer Berg, ohne Namen und mit einer Höhe von gerade einmal 600 Metern. Vor vielen Jahren waren Ryan und Tákis über einen Feldweg und quer über Wiesen und steinigen Boden gewandert, bis sie den Gipfel erreicht hatten. Die Aussicht auf das Meer und auf Bali hatte sie beide damals beeindruckt. Ryan konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie am Gipfel in der Sonne lagen und über ihre Zukunft sprachen. Damals, mit fünfzehn Jahren, sprachen sie noch auf Englisch miteinander. Ryan konnte den jungen Tákis in seinem Kopf hören.

      »Wenn