Joachim Koller

Bittersüßer Rakomelo


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Im nächsten Moment schoss Nikos Faust vor und traf ihn genau an der Lippe. Der feste Schlag ließ ihn zurücktaumeln, bis er mit dem Rücken an die Wand stieß.

      »Gut so?«, fragte Nikos nach. Ryan fuhr sich mit dem Handrücke über die blutige Lippe.

      »Sehr gut, sogar mit einer Wunde. Auch wenn es blöd klingt, aber danke.«

      Er verabschiedete sich von Despina und den beiden Männern und machte sich flott auf den Rückweg zu Maria. Den Weg zur Kirche kannte er, er hatte vor Marias Ankunft den Weg mehrmals mit Despina einstudiert.

      Als er auf dem Kirchenplatz zurückkehrte, stand Maria immer noch im Schatten neben der orthodoxen Kirche, nervös und aufgelöst. Sie erinnerte ihn an ein kleines Kind, wie sie sich hilflos und alleine umsah. Sie rannte sofort zu ihm, als sie ihn erblickte.

      »Hast Du meine Tasche, fehlt etwas? Wie siehst Du denn aus, hat er Dich etwas geschlagen?«, schoss es aus ihr heraus.

      »Ganz ruhig, Schönheit, alles in Ordnung. Ich habe ihn erwischt, es dürfte nichts fehlen und der Schlag war es wert, wenn ich dafür Deine Tasche retten konnte.«

      »Ich danke Dir, ich wäre ohne mein Handy und den anderen Sachen verloren gewesen.«

      Sie kontrollierte den Inhalt ihrer kleinen Handtasche und kam zu dem Schluss, dass tatsächlich nichts fehlte.

      »Nach diesem kleinen Schock hast Du vielleicht Lust an der Promenade etwas zu trinken. Der Schmuckladen läuft uns nicht davon«, schlug Ryan etwas keuchend vor.

      »Sehr gerne, wir sollten auch etwas Eis für Deine Lippe finden. Also, wenn Du mir Kreta näher bringen wolltest, war das gerade nicht sehr hilfreich.«

      Sie gab ihm die Hand und zusammen spazierten sie los.

      »So etwas kann Dir überall passieren. Rethymnon ist eine Stadt wie jede andere auch. Neben den schönen hat sie auch ihre dunklen Seiten, aber das ist in Wien genauso«, versuchte Ryan, sie milde zu stimmen. Plötzlich blieb Maria stehen und blickte ihn ernst an.

      »Wien? Wie kommst Du auf Wien? Ich habe nicht erwähnt, dass ich aus Wien komme«, fragte sie misstrauisch.

      »Schönheit, das stimmt nur zur Hälfte. Du hast nicht erwähnt, woher Du kommst, aber dass Du in Wien studiert hast. Außerdem habe ich Deinen Dialekt erkannt. Du bist mit Sicherheit nicht aus Deutschland und Wien ist am wahrscheinlichsten«, erklärte ihr Ryan ruhig. Innerlich war er mit einem Schlag angespannt und darauf konzentriert sich nichts anmerken zu lassen.

      Du Idiot, pass besser auf, schimpfte er sich in Gedanken selbst.

      »Aber, wenn wir gerade dabei sind, woher stammst Du denn, Maria?«, fuhr er fort, um möglichst schnell die Situation zu klären.

      »Mein Vater stammt eigentlich aus Moskau, aber er hat viele Jahre in Wien verbracht, wo ich auch geboren wurde. Nach dem Tod meiner Mutter vor … mehr als zwanzig Jahren, hat er sich voll auf seine Geschäfte konzentriert und dafür gesorgt, dass ich in die besten Schulen komme. Ich war in Internaten und Privatschulen, bis er mir eine eigene Wohnung in Wien finanzierte und ich zu studieren anfing. Sooft es ihm möglich war, hat er mich besucht und immer wieder unterstützt. Sein Wunsch war es, dass ich einmal mit ihm zusammen ein Unternehmen leite und dieser Traum wird nun demnächst wahr.«

      Ryan hörte gespannt zu und beruhigte sich langsam wieder. Gerade noch die Kurve gekratzt, dachte Ryan. Hände haltend spazierten sie weiter in Richtung der Promenade.

      »Passiert Dir so etwas öfter?«

      »Was, Schönheit? Dass ich mit einer niveauvollen, bezaubernden Frau unterwegs bin, oder, dass ich mich schlagen lasse?«

      »Beides«, meinte Maria mit einem freundlichen Lächeln.

      »Ehrlich? Weder das eine noch das andere. Ich lebe lieber etwas zurückgezogen … aber bei Dir muss ich mich nicht verstecken. Es ist sehr angenehm, wenn man es mit einer Frau zu tun hat, die die schönen Seiten des Lebens ebenso genießen kann. Wo ich nicht verleugnen muss, dass Geld keine Rolle spielt.«

      »Oh, Geld spielt bei mir sogar eine große Rolle.«

      »Ja, aber wir beide haben ja auch genug davon, oder?«

      »Ganz genau!«, gab Maria ihm Recht.

      Binnen weniger Minuten waren sie an der Promenade angelangt. Hier reihte sich ein Lokal an das nächste, alle mit einem großzügigen Außenbereich. Ryan suchte scheinbar spontan eines aus, in Wahrheit hatte er sich vorher genau informiert. Sie setzten sich, und als die Kellnerin erschien, bestellte Ryan neben einem Glas mit Eiswürfeln noch zwei Prosecco.

      »Möchtest Du ihn pur, oder mit Erdbeeren?«, fragte er und erkannte, wie sie ihn anstrahlte.

      »Mit Erdbeeren klingt sehr gut, den nehme ich.«

      So, für heute habe ich genug angegeben, dachte Ryan. Sie saßen gemütlich in den gepolsterten Sesseln, nippten an ihren Gläsern und Ryan gab Maria einen kleinen Überblick über Kreta. Er zählte auf, welche Sehenswürdigkeiten noch auf der Insel zu finden waren, sowohl geschichtliche als auch landschaftliche. Maria war nicht leicht zu beeindrucken, Kirchen, Ausgrabungen und Ähnliches interessierten sie nur wenig. Mehr Interesse zeigte sie bei den Stränden, von denen Ryan berichtete.

      »Wenn Dir der Tag zu zweit zusagt, ich habe den Wagen noch länger und die Insel ist groß.«

      »Es gibt da etwas, was ich gerne machen würde, aber scheinbar in Bali nicht angeboten wird. Einen Trip mit einem richtigen Motorboot. Ich habe nur diese kleinen Tretboote gesehen und anstrengen will ich mich sicherlich nicht.«

      Ryan überlegte kurz und blickte sie dann verzückt an.

      »Wie wäre es mit einem kleinen, aber recht flotten Motorboot? Eines mit Heckmotor, mit dem man über das Meer jagen kann und, abseits der Strände, im offenen Meer schwimmen kann?«

      Marias Gesichtsausdruck verriet ihm ihre Meinung, noch bevor sie antworten konnte.

      »Wenn Du das Boot organisierst, ich bin dabei.« Maria versuchte ihre Begeisterung zu verbergen, war dabei aber nicht sehr überzeugend.

      Ryan nahm sich einen Eiswürfel aus dem Glas und kühlte sich seine kleine Platzwunde auf der Lippe.

      »Tut es noch weh?«, fragte Maria, die sich schnell wieder gefasst hatte, nachdem sie ihre Tasche wiederhatte.

      »Nicht weiter tragisch. Hauptsache, Du hast Deine Handtasche wieder.«

      »Ja, ohne die wäre ich echt am Boden zerstört. Danke nochmals.«

      Ryans Angebot nach einem Mittagessen zu zweit lehnte sie ab, da ihr bei diesen Temperaturen nicht nach Essen zumute war.

      »Lieber wäre mir, wenn wir zurückfahren und ich den Nachmittag am Pool mit einem guten Buch verbringen kann«, erklärte sie Ryan.

      »Und der Juwelier?«

      »Den können wir uns für einen weiteren Besuch aufheben. Dann aber wieder in der Früh oder am späteren Nachmittag. Diese Hitze sagt mir nicht zu, wenn ich keine Möglichkeit habe, mich entsprechend abzukühlen.«

      Ryan zahlte ihre Getränke und gemeinsam schlenderten sie zurück zu seinem Mietwagen. Am Rückweg fragte Ryan vorsichtig nach, ob sie den Nachmittag alleine verbringen wollte. Maria sprach davon, etwas Ruhe zu haben, alleine ihr Buch zu lesen und von persönlichen Dingen, die sie noch mit ihrem Vater zu besprechen hatte. Ihre Zurückhaltung und ihre gespielte Schüchternheit zeigte Ryan, dass sie ihn etwas zappeln lassen wollte. Wahrscheinlich wollte sie ihn nicht so schnell in ihr Heim lassen.

      Nach den schlechten Erfahrungen mit den Männern willst Du Dir nun wohl etwas Zeit lassen, überlegte Ryan.

      Er fuhr sie zur Villa und stieg aus, um ihr die Tür aufzuhalten. Höflich half er ihr aus dem Wagen.

      »Auch wenn es nur ein kurzer Ausflug war, es war sehr schön. Ich würde es gerne wiederholen, wenn Du auch daran interessiert bist.«

      »Ryan, bislang warst Du ein Gentleman, an dem ich nichts