Joachim Koller

Bittersüßer Rakomelo


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oder Privates im Netz. Kein Facebook, kein Twitter, keinen Blog. Er und seine Firma sind präsent, sein Privatleben ist tabu.«

      »Interessant. Aber das kann natürlich jeder behaupten«, war Chin Lees Meinung dazu.

      »Aber nicht jeder kann mit einem Wimpernschlag eine ganze Bar kaufen. Oder warum glaubst Du, gibt es hier in dieser kleinen Bar einen Champagner, der pro Flasche mehr als einen Monatslohn der Kellnerin kostet?«

      Besagte Kellnerin erschien gerade am Tisch. Die junge, attraktive Frau lächelte ihn mit ihrem breiten Mund an. Auf Griechisch erklärte Ryan ihr, dass sie noch drei Gläser vom speziellen Champagner bringen sollte.

      »Für einen Amerikaner sprichst Du sehr gut deutsch und auch noch griechisch«, fiel Maria auf.

      »Gut erkannt. Ich habe mehrere Privatschulen besucht, unter anderem in der Schweiz, Deutschland, Österreich und auch in den Staaten. Was meine Griechischkenntnisse betrifft ...« Er zog seine Geldbörse hervor. Als Ryan sie öffnete, war ein Bündel 100-Euro-Scheine zu erkennen. Ebenfalls gut zu erkennen waren zwei Kreditkarten, beide mit Platinstatus. Er zog eine kleine Karte hervor und reichte sie Chin Lee.

      »Gib diese Adresse ein.«

      Eine halbe Minute später riss Chin Lee die Augen überrascht auf.

      »Eine Abhandlung der griechischen Mythologie, Bezug nehmend auf wahre Geschehnisse und Vergleiche zur heutigen Gesellschaft in Amerika. Geschrieben von Ryan Bradly, Sohn des Milliardärs Martin Bradly«, las Chin Lee vor.

      »Für meine Recherchen habe ich die Sprache gelernt. Ich habe für Fremdsprachen eine gewisse Begabung.«

      »Wieso bist Du dann in Bali gelandet?«, wollte Maria wissen.

      »Weil ich damals hier viele Leute getroffen habe, die mich mit nützlichen Informationen versorgt haben.«

      Die Getränke kamen. Ryan beobachtete, wie die langen, schwarzen Haare der Kellnerin fast ins Glas eintauchten, als sie die Gläser austeilte. Sie zitterte leicht und war noch nicht sicher in ihrem Job an der Bar. Dafür machte sie es mit einem sehr freundlichen, ehrlichen Lächeln. Ryan fiel ihre Halskette auf, ein silbernes Herz, das sich öffnen ließ. Wahrscheinlich trägt sie ein Bild von ihrem Freund bei sich, dachte Ryan, bevor er sich wieder auf seine Lügengeschichte konzentrierte. Seine Geldbörse stecke er schnell wieder ein, die nachgemachten Geldscheine und Kreditkarten sollten von Maria oder Chin Lee nicht näher betrachtet werden.

      »Auf unser interessantes Treffen heute Abend und auf eine halbwegs schöne Zeit auf Kreta.«

      Der Champagner schmeckte für Ryan nicht nach etwas Besonderen. Um den Preis hatte er sich weitaus mehr erwartet, aber er ließ sich nichts anmerken.

      »Ich bin gespannt, ob mir diese Insel noch zusagen wird«, war Maria skeptisch.

      »Vielleicht habe ich da eine Möglichkeit, Schönheit. Es gibt in Rethymnon, nicht einmal eine Stunde von hier, einige sehr gute Juweliere, die sich auf Silberwaren spezialisiert haben. Wenn Du morgen Zeit hast, zeige ich sie Dir gerne.«

      »Morgen bin ich den ganzen Tag lang mit meinem Vater unterwegs.«

      »Ich bin noch länger hier, wenn Du Interesse hast, kannst Du mir ja eine Nachricht in meinem Hotel hinterlassen. Ich wohne unweit von hier im Aparthotel Blue Horizon.«

      »Das Blue Horizon?«, wunderte sich Chin Lee, »Außer dem Bali Star Hotel gibt es hier im Ort wohl kaum etwas ...«

      »Du verstehst es immer noch nicht. Ich habe zwar ein verhältnismäßig winziges Loch als Zimmer, aber so bekomme ich vorgeführt, wie privilegiert ich eigentlich bin ... sagt mein geliebter Vater. Aber nebenbei erwähnt, mir gefällt diese Schlichtheit, ich werde die Hotelanlage wohl kaufen«, log Ryan. In Wahrheit war das Studio ein Traum für ihn. Einfach und dennoch alles, was er benötigte, war im Zimmer vorhanden. Noch dazu hatte er einen direkten Blick auf Marias Villa.

      »Meine Zimmernummer ist 214, wenn Du also Deine Schmucksammlung erweitern willst, lass es mich einfach wissen, wann ich Dich abholen soll.«

      Ryan trank sein Glas aus und erhob sich. Er reichte Maria die Hand.

      »Es war mir eine Ehre, Dich getroffen zu haben. Du machst einen interessanten Eindruck, ich hätte nichts dagegen, Dich besser kennenzulernen, Maria.«

      Ihr war anzusehen, dass sie Ryan interessiert fand.

      »Ich werde es mir überlegen und Dich wissen lassen.«

      Ryan gab auch Chin Lee die Hand, blickte ihn nochmals abfällig an und ging zu Giannis. Er zahlte die Champagnerrunden und winkte dann noch die Kellnerin zu sich.

      »Dein erster Tag heute?«, fragte er sie auf Griechisch.

      »Ja, warum? Erkennt man das so schnell?«

      »Etwas. Pass das nächste Mal etwas auf Deine schönen, langen Haare auf und lass Dich nicht von scheinbar reichen Snobs beeindrucken. Das sind auch nur Menschen, einige davon glauben nur, sie sind etwas Besseres.«

      »Ach, wirklich? Ich weiß nicht, ob Du gerade der Richtige bist, um das zu beurteilen.«

      Ryan schmunzelte, gab ihr einen 10-Euro-Schein Trinkgeld und verabschiedete sich von ihr und Giannis, mit dem Versprechen, schon morgen wieder zu kommen. Er blickte noch einmal zu Maria und Chin Lee, die sich nach vorne gebeugt miteinander unterhielten.

      »Ernsthaft, Milliarden? Dann hat er wohl wirklich Recht und spielt in einer anderen Liga. Aber in einer für mich sehr interessanten«, konnte Ryan von Marias Lippen ablesen. Chin Lee sprach zu ihr. Sie schüttelte den Kopf und blickte für einen Moment zu Ryan.

      Als sich ihre Blicke trafen, blickte Maria schnell wieder zu Chin Lee, ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. Ihre Körpersprache verriet ihm, dass sie zumindest neugierig geworden war.

      »Nein, ich werde alleine mit ihm fahren. Ich kann schon auf mich aufpassen«, sagte Maria.

      Sehr gut, dann läuft ja alles nach Plan, freute sich Ryan und verließ die Bar. Für heute hatte er genug erreicht.

      Im Zimmer angekommen zog er umgehend die für ihn untypischen Klamotten aus und legte die Brille ab, an die er sich noch immer nicht wirklich gewöhnt hatte. Danach ging er mit seiner Kamera auf den Balkon und spionierte die Villa aus. Er musste einige Zeit warten, bis im Haus Lichter angingen. Im Erdgeschoss wurde es nur hell, im Obergeschoss blieben zwei Zimmer beleuchtet. Ryan holte sich eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank und wartete, um herauszufinden, wo Marias Zimmer lag. Er musste mehrere Minuten warten, bis er Erfolg hatte. Durch das Objektiv seiner Kamera sah er deutlich, wie Maria im Bademantel in ihr Zimmer kam. Soweit Ryan sehen konnte, war das Zimmer mit weißen Möbeln eingerichtet. Zwei Kästen, ein Schreibtisch mit einem Laptop und ein Bett konnte er erkennen. Ryan sah zu, wie die junge Frau ihren Bademantel abstreifte und splitternackt vor dem Spiegel des Schreibtisches stand.

      Maria hatte einen sehr anziehenden Körper, schlank aber nicht zu dünn und auch ohne Make-up eine äußerst hübsche Frau. Ryan erkannte sogar ihr Piercing, das ihren Schamhügel zierte. Er ging davon aus, dass der kleine glänzende Stein ein Edelstein war. Sie kämmte sich ihre blonden, noch nassen Haare mehrere Minuten lang glatt und war scheinbar tief in Gedanken versunken.

      So ansprechend sie auch war, Ryan kannte das alles schon von den eindeutigen Fotos, die er von ihrer Festplatte kopiert hatte. Als sich Maria ins Bett legte, konnte er nur noch die Füße sehen. Das Licht erlosch und die Vorstellung war vorüber.

      Nachdenklich lehnte er sich zurück und sah zu den Sternen am wolkenlosen Himmel.

      Einen Tag hatte er nun frei, bevor das Lügenspiel weiterging. Er hoffte, dass Maria sich wirklich melden würde, damit seine Chancen bei ihr stiegen. Soweit er erkannt hatte, war sie neugierig geworden, ein sehr guter Anfang.

      Kapitel 3

      Jeden Moment würde die Sonne über dem Meer aufgehen, der Horizont war in Rosa und blau getaucht, das Dorf lag noch im Halbdunkeln. Die Aussicht vom Strand über die Felsen und das Meer zu dieser Uhrzeit glich einer