Joachim Koller

Bittersüßer Rakomelo


Скачать книгу

      »Und da kommt mein Bruder Ryan in das Spiel«, warf Tákis ein.

      »So ungefähr. Ich habe nur das Angebot gemacht, über Granats Tochter vielleicht etwas über die Geschäfte von Victor Granat in Erfahrung zu bringen. Von unserem eigentlichen Plan, es der Familie heimzuzahlen, habe ich nichts erwähnt.«

      »Ich glaube, ich habe einen Punkt in der Geschichte versäumt. Wieso bist Du Dir so sicher, dass es damals kein Unfall war?«, wollte Despina wissen.

      »Weil genau dasselbe noch einmal geschah. Wieder wurden einige Männer angeheuert, um eine große Ladung von Rethymnon zur Villa von Granat zu bringen. Die Männer aus Asteri kamen nie in ihrem Dorf an, einige Tage später fand man einen ausgebrannten Wagen auf einer abgelegenen Straße, unweit des Dorfes.«

      »Und nun willst Du über die Tochter dieses Manns herausfinden, was in der Villa vor sich geht und nebenbei einen vermeintlichen Schwerverbrecher hochgehen lassen?«

      »So ungefähr, mein wilder Lockenkopf. Wenn Victor Granat Kreta verlässt, wird er niemals zurückkehren und er kommt mit allem durch, was er gemacht hat. Das werden wir nicht zulassen. Er wird dafür bezahlen, was er Tákis, was er meiner zweiten Familie angetan hat.«

      Ryans Blick verriet, wie ernst es ihm war.

      Kapitel 2

      Drei Tage später saßen Despina und Ryan an der Strandbar ‚Porto Paradiso‘, direkt am kleinen Sandstrand von Bali. Die nach allen Seiten offene Bar hatte für sie eine besondere Bedeutung. Es war die Strandbar, in der sich Despina und Tákis das erste Mal über den Weg liefen und ihr gemeinsames Leben begann. Nebenbei war die Bar auch für Ryan und Tákis schon immer ihr liebstes Lokal gewesen. Inzwischen kannten sie den Besitzer Giannis, der seit fast zwanzig Jahren mit seiner Familie und einigen Freunden die Bar führte, sehr gut. Unzählige Nächte hatten sie an der Bar verbracht und nicht immer hatten sie das Lokal nüchtern verlassen.

      Von der Frontseite der Strandbar aus konnte man den gesamten Strandabschnitt überblicken, der nur durch eine wenig befahrene Zufahrtsstraße von der Bar getrennt war. Zum ‚Porto Paradiso‘ gehörte auch das angeschlossene Restaurant, welches neben den griechischen Speisen für seine großen und vorzüglichen Pizzen bekannt war. Dort saß man auf gemütlichen Holzstühlen, während die Bar mit Rattansesseln, in die man sich richtig hineinfallen lassen konnte, und niedrigen Tischen ausgestattet war. Es gab auch einige sehr einladende Couches, die Platz für zwei boten. Das Herzstück der Strandbar war die kreisrunde Theke, das Reich von Giannis und seinem Freund Theo. Unter einem Bambusdach standen rund um die mittlere Säule alle möglichen Getränke. Von unterschiedlichen Whiskeys, mehreren Sorten Tequila und jede Menge Schnäpse bis zu Fruchtsäften fand sich alles hier. Rund um die Theke waren unterschiedlichste Dekorationen aufgebaut. Eine hölzerne Schildkröte mit einem Stößel im Maul, mehrere Shaker, ein Skelett auf einem Motorrad und eine Nachbildung des Fußball-Europameister-Pokals, den Griechenland gewonnen hatte, waren nur einige der Dinge. In einer Hängematte ruhte ein riesiger Plüschaffe mit einer überdimensionalen, aufgeblasenen Banane und blickte auf die Massen an Touristen, die den ganzen Sommer über vorbeikamen.

      Kaum hatten es sich Despina und Ryan in einem der grünen Rattansessel bequem gemacht, brachte Giannis ihnen beiden je ein großes 'Mythos', das bekannteste, griechische Bier auf Kreta.

      Ryan hatte sich von seiner langen Jeans verabschiedet und trug nun knielange Badeshorts. Im Gegensatz zur durchgehend braun gebrannten Despina war Ryans Körper noch recht blass. Despina trug einen sehr stoffarmen Bikini, das dunkelblaue Oberteil verdeckte nahezu nichts. Sie bemerkte Ryans Blicke und lächelte ihn süffisant an.

      »Gefallen sie Dir? Wenn Du nicht Tákis bester Freund wärst …«

      »Ich weiß, Du und Tákis habt eine sehr …, sagen wir, offene Beziehung. Tákis hat mir einige nette Details geschrieben. Ich muss schon sagen, ich kenne meinen Freund schon so lange, aber Dank Dir, erfahre ich immer neue Seiten an ihm.«

      »Wir machen einfach, was uns Spaß macht. Ich glaube, dagegen kann niemand etwas einwenden, oder?«

      »Garantiert nicht.« Ryan hob sein gekühltes Glas.

      »Auf Tákis, Dich und Eure wirklich einzigartige Beziehung.«

      »Das klingt fast, als wärst Du ein klein wenig neidisch, Ryan.«

      Ryan antwortete ihr nicht und blickte auf den Strand hinaus. Einige Sekunden später sah er wieder zu Despina.

      »Vorerst dreht sich alles um den Plan«, meinte er entschlossen.

      Sie stießen mit ihren Biergläsern an und nahmen beide einen großen Schluck.

      »Glaubst Du wirklich, es wird so leicht, an diese Maria heranzukommen?«, fragte Despina.

      »Den ersten Schritt macht Tákis gerade am Flughafen, danach werde ich mein Bestes geben. Ein paar Kleinigkeiten werden auch auf Dich zukommen, Lockenkopf.«

      »Keine Sorge, ich bin voll und ganz dabei«, versicherte Despina ihm.

      Unterdessen hatte Tákis am Flughafen den Mann ausfindig gemacht, der Victor Granats Tochter abholen sollte. Es war einer von Granats Bodyguards, ein russischer Koloss, der trotz der Hitze im Anzug in der Ankunftshalle stand. Tákis sah sich etwas um, unter seinem Arm hielt er eine Tafel mit einem erfundenen Namen. Er selbst war nicht wieder zu erkennen. Er trug Ryans Jeans, ein langes, viel zu großes Hemd, das er bis zum Hals zugeknöpft hatte und eine Krawatte. Seine langen Haare waren rotblond gefärbt, zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und eine schwarze Sonnenbrille verdeckte seine Augen. Sogar sein Paracord-Armband hatte er abgelegt.

      Scheinbar gelangweilt schlenderte er herum, blickte immer wieder auf die Anzeigetafel und kam dabei dem russischen Mann näher. Die Uhr an der Wand zeigte zwei Minuten vor vierzehn Uhr. Tákis griff in seine Hosentasche und fischte eine kleine längliche Glasphiole heraus, die in seiner Handfläche verschwand. Aus einer Seitentür erschienen mehrere Polizisten mit Spürhunden. Genau wie von Eleni versprochen, bereiteten sich die Drogenspürhunde für ihre routinemäßige Runde vor. Den Männern war anzusehen, dass sie gelangweilt von der Patrouille waren. Bislang hatten ihre Hunde nur bei selbst versteckten Drogenpäckchen Erfolge verzeichnen können. Im Gegensatz zur Drogenabteilung am Hafen war es am Flughafen relativ ruhig.

      Tákis machte einen Schritt auf den Bodyguard zu, stand dicht an seinem Rücken und blickte sich noch einmal um. Blitzschnell öffnete er die Phiole, sehr darauf bedacht, nicht mit der Flüssigkeit darin in Kontakt zu kommen. Im Vorbeigehen schüttete er die klare Flüssigkeit auf den Anzug des Mannes. Gleich beim nächsten Mülleimer warf er die Phiole fest verschlossen weg und stellte sich zum Ausgang.

      Tákis blickte zwischen dem russischen Mann, der nichts mitbekommen hatte, und der kleinen Hundestaffel hin und her. Plötzlich erkannte er, wie der erste Hund die Witterung aufnahm, gleich darauf der nächste.

      »Überraschung!«, flüsterte Tákis triumphierend.

      Die Hundeführer reagierten zuerst überrascht, einer fragte, ob es eine Übung sei. Als diese Frage verneint wurde, wurde es hektisch.

      Drei Hunde wurden von der Leine gelassen, gleichzeitig zogen die Polizisten ihre Waffen. Alle drei Schäferhunde stürmten auf den Bodyguard zu, der immer noch nichts bemerkte. Erst als der erste Hund ihn ansprang, schreckte er hoch und griff nach dem vierbeinigen Angreifer. Im nächsten Moment biss der zweite Hund in das Bein des Mannes. Er fluchte laut auf Russisch. Durch den Hundeangriff auf die Knie gezwungen sah er sich plötzlich vier bewaffneten Polizisten gegenüber, die ihre Dienstwaffen auf ihn richteten.

      »Keine Bewegung, Hände hoch!«, schrien sie ihn an.

      Der Mann wusste nicht, wie ihm geschah, und fluchte weiterhin, auch als zwei Männer ihn festhielten und ihm die Hände am Rücken mit Handschellen fixiert wurden. Binnen einer Minute war das Schauspiel vorüber und der russische Bodyguard verschwand in einem der Hinterräume.

      Tákis sah erneut zur Anzeigetafel. Das Flugzeug aus Wien mit Maria Granat an Bord würde in zehn Minuten