Joachim Koller

Bittersüßer Rakomelo


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Minuten. Tákis hatte inzwischen versucht, Despina zu erreichen, die aber nicht ans Telefon ging. Er vermutete, dass sie zusammen mit Ryan im Meer schwamm und damit lag er auch richtig. Sein Schild hatte er inzwischen ausgetauscht, nun stand darauf »Ms. Maria Granat«.

      Als Maria die Ankunftshalle betrat, erkannte Tákis sie sofort. Er kannte die Bilder, die Ryan von ihrer Festplatte kopiert hatte.

      Die junge Frau sah noch jünger aus, als ihre eigentlich sechsundzwanzig Jahre. Sie trug ihre langen blonden Haare offen und war geschminkt, auffällig aber dennoch nicht übertrieben. Sowohl die weiße eng anliegende Hose als auch ihr blumiges Oberteil schienen wie zugeschnitten zu sein und betonten ihre dünne Figur und ihre, für Tákis Geschmack viel zu kleine, Brust. Ihr makelloses Gesicht und ihre gesamte Ausstrahlung sorgten dafür, dass sich einige Männer in der Halle nach ihr umdrehten und mehr als nur einen schnellen Blick riskierten. An den Finger waren zwei Ringe mit funkelnden Steinen zu erkennen, eine goldene Armbanduhr glänzte auffällig am Handgelenk. Sie sah sich mit ihren graugrünen Augen um und versuchte ein vertrautes Gesicht zu finden. Als sie Tákis und die Tafel mit ihrem Namen sah, spazierte sie auf Stöckelschuhen zu ihm.

      »Sie sind mein Chauffeur, der mich zu meinem Vater bringt?«, fragte sie mit heller, bestimmender Tonlage. Ohne auf eine Antwort zu warten, stellte sie die Koffer vor Tákis und musterte ihn leicht herablassend.

      Ein reiches, verzogenes Mädchen, genau wie erwartet, dachte Tákis.

      »Jawohl Fräulein Granat. Wenn Sie mir bitte folgen würden und ich ihren Koffer tragen darf?«, antwortete er, wie er es die letzten Tage gelernt hatte. Er griff nach ihren beiden großen, sichtlich vollgestopften Koffern und ging voran aus der Halle in Richtung seiner ausgeborgten Limousine. Zu seinem Glück hatten beide Koffer Räder, da sie richtig schwer waren, sogar für einen durchtrainierten, kräftigen Mann wie Tákis. Ohne weitere Worte folgte Maria ihm, ließ sich die Tür aufhalten und setzte sich auf die Rückbank der großen Limousine. Tákis verstaute die Koffer und fuhr sofort los.

      Despina und Ryan hatten unterdessen ihren Spaß im Meer. Sie schwammen, redeten und alberten ausgelassen herum. Als Unwissender musste man glauben, dass es sich hier um ein glückliches Pärchen auf Urlaub handelte.

      Despina fragte Ryan weiter aus, warum er lieber alleine war, als eine ernsthafte Beziehung zu wagen.

      »Du bist doch ein guter Fang, also wo liegt das Problem?«

      »Ich genieße einfach meine Freiheit und solange nicht die richtige Frau für mich...«

      »Ich glaube, damit suchst Du nur eine Ausrede, um flüchten zu können, wenn es Dir zu ernst wird«, konterte Despina.

      »Willst Du jetzt die Psychologin spielen? Das ist eigentlich meine Aufgabe hier.«

      Despina blickte auf ihre Uhr.

      »Apropos Aufgabe, wir sollten uns auf den Weg machen. Wenn alles wie geplant geklappt hat, sind mein Schatz und diese Maria schon unterwegs.«

      Hinter der Strandbar zog sich Ryan bei seinem Mietwagen um. Dass Despina ihm dabei zusah, störte ihn nicht. Als er ihren Blick bemerkte, grinste Ryan sie an.

      »Gefällt Dir, was Du siehst?«, fragte er sie spöttisch.

      »Ein sehr nettes, gut gebautes Spielzeug. Es wird eindeutig Zeit, dass ich meinen Schatz wieder in die Finger bekomme, ich bin schon sehr …«, sie überlegte, wie das richtige Wort auf Deutsch hieß, »läufig?«

      Ryan lachte auf.

      »Läufig heißt es eigentlich nur bei Tieren, aber ich weiß schon, was Du meinst, lüsterner Lockenkopf.«

      »Neidisch?«

      »Um ehrlich zu sein, vielleicht etwas. Es kommt nicht oft vor, dass sich zwei Menschen finden, die so perfekt zusammenpassen, wie Tákis und Du.«

      Mit trockener Kleidung am Körper spazierten sie in Richtung des Aparthotels, wo sie in Ryans Zimmer auf Tákis warten wollten.

      Tákis fuhr die Küstenstraße entlang und blickte mehrmals im Rückspiegel zurück zu Maria. Sie sah gedankenverloren hinaus auf die Berge auf der einen Seite und die Klippen und das Meer rechts von ihr.

      »Ist das ihre erste Besuch auf Kreta, Miss?«, fragte er nach.

      »Ja, und dass obwohl mein Vater schon seit Jahren hier ein Haus besitzt. Aber bislang habe ich meine Urlaube lieber an anderen Orten genossen. Was kann man denn in so einem kleinen Ort wie Bali erwarten?«

      Kurz huschte ein Schmunzeln über Tákis Gesicht.

      »Bali ist kein Ort für Partymenschen, …«

      »Party machen ist nicht mein Ding, ich suche schon etwas Niveauvolleres«, fiel sie ihm ins Wort.

      »Aber es gibt einige nette Lokale und Möglichkeiten, gut essen zu gehen. Wenn ich Ihnen ein Lokal besonders empfehlen darf, das ‚Porto Paradiso‘.«

      Maria zuckte zusammen und blickte erstaunt auf. In ihr kam die Erinnerung an den Chat vor einigen Wochen hoch.

      »Es liegt direkt am Strand, hat einen Teil als Restaurant und eine Strandbar. Sehr gemütlich mit angenehme Musik…«

      »Angenehmer Musik heißt das«, besserte Maria ihn aus.

      »Es tut mir leid, Miss. Angenehmer Musik und sehr guten Cocktails. Diese Bar kann ich ihnen wirklich empfehlen.«

      »Ich werde sicherlich vorbeischauen, immerhin bin ich einige Zeit hier.«

      Maria blickte hinaus auf das tiefblaue Meer und war in Gedanken bei ihrem nächtlichen Chat. Bis heute wunderte sie sich, woher die unbekannte Person ihren Namen gewusst hatte.

      »Darf ich fragen, wie lange sie bleiben werden?«, unterbrach Tákis ihr Nachdenken.

      »Soweit ich weiß, drei Wochen, aber das werde ich noch mit meinem Vater besprechen.«

      »Wenn Sie Interesse haben, die Insel zu erkunden …«

      »Dann werde ich meinem Vater Bescheid geben und mit einem seiner Leute fahren«, unterbrach sie ihn.

      Tákis krampfte seine Finger um das Lenkrad. Zu gerne hätte er mehr gesagt oder dieser hochnäsigen Person ordentlich die Meinung gesagt. Aber er unterdrückte seine Wut und dachte an Despina und Ryan, mit denen er Maria und ihrem Vater das Leben zur Hölle machen wollte.

      Eine halbe Stunde später bog Tákis von der Hauptstraße ab. Ein großes Hinweisschild mit einigen Einschuss-löchern wies auf den Ort Mpali hin, die griechische Schreibweise von Bali.

      »Das scheint eine gefährliche Gegend zu sein«, mutmaßte Maria beim Blick auf die Tafel.

      »Nein, Miss. Das sind meistens Jugendliche, die mit den Gewehren ihrer Väter üben oder angeben wollen. Die wilden Zeiten auf Kreta sind schon lange vorbei.«

      Als sie durch den Ort fuhren, sah Tákis, wie Maria wenig begeistert aus dem Fenster blickte. Die verlassenen Rohbauten und die karge Landschaft machten auf sie keinen attraktiven Eindruck. Bei den Touristenshops und Bekleidungsgeschäften wiederum hellte sich ihre Miene etwas auf. Die Straße ging in mehreren Kurven durch den Ort und schlängelte sich bergauf, bergab an Hotels, Geschäften und Lokalen vorbei.

      Bali war ein kleiner Ort, der aufgrund seiner Lage nicht zu sehr verbaut war. Außer einer größeren Hotelanlage befanden sich fast nur kleinere Hotels und Appartmentanlagen im Ort.

      »Wie sieht es hier mit dem Strand aus?«, fragte Maria neugierig.

      »Sie haben hier Sandstrände, unterbrochen von mehreren Felsen. Am Ortsanfang wäre der größte Strand, hier vor uns kommen sie zu dem Varkotopos Strand. Dort finden Sie auch Strandbar Porto Paradiso.«

      Wieder zuckte Maria zusammen, was Tákis ein Lächeln entlockte. Er fuhr mehrere Kurven hinauf und an einer kleinen Kirche vorbei, bog ab und entfernte sich vom Meer. Tákis konnte die Villa von Victor Granat sehen, die einsam am Berghang stand. In der näheren Umgebung waren nur ein paar Unterstände zu sehen, die von den Bauern benutzt wurden, wenn sie ihre Schafe