Joachim Koller

Bittersüßer Rakomelo


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die Arme und das Gesicht eincremte, unterdessen lenkte er das Boot immer weiter weg von Bali. Weit und breit waren keine anderen Schiffe. Inzwischen waren sie näher an den Klippen, die neben der Küstenstraße lagen. Ryan sah auf seine Uhr, das Imitat der Breitling. Sie würde den Tag wohl nicht überstehen, dachte er sich, dafür kam sie nun viel deutlicher zum Vorschein.

      »Hast Du den Rakí gekostet?«, fragte er und fixierte dabei Marias wohlgeformte Oberweite.

      »Oh ja. Obwohl ich normalerweise keine harten Getränke bevorzuge, dieser Honigschnaps war sehr lecker. Er brennt zwar etwas, schmeckt aber gut. Wenn wir das nächste Mal in diese Stadt fahren, dann werden wir neben dem Juwelier auch noch eine Flasche von dem Schnaps mitnehmen. Mein Vater wird sich darüber freuen.«

      »Genau genommen nennt sich dieser Schnaps Rakomelo, eine Variation von Rakí mit Honig. Wenn Du einen wirklich gut gebrannten Rakí möchtest, werde ich Dir ein Geschäft direkt in Bali zeigen.« Ryan löste sich von Marias Körper und blickte wieder gerade aus. Aus den Augenwinkeln konnte er aber feststellen, wie sie von seinen Blicken geschmeichelt war.

      Einige Zeit später stellte Ryan den Motor ab. Inzwischen waren sie auf offener See, bis zum nächstgelegenen Felsen, der nahe der Küstenstraße aus dem Meer ragte, war es ein weiter Weg.

      »Ist es hier ideal für Dich zum Baden?«, fragte er. Inzwischen war es kurz vor halb elf, Ryan hoffte darauf, dass Tákis bereits in Position war.

      Maria stand auf und sah sich um. Das Meer schimmerte tiefblau. Leise war der Verkehr von der Küstenstraße zu vernehmen, ansonsten waren Maria und Ryan ungestört.

      »Mir gefällt es hier«, entschied Maria und zog sich ihre Hotpants hinunter. Zum Vorschein kam ihr rotes Bikinihöschen. Als sie über den Sitz auf die hintere Fläche des Boots kletterte, konnte Ryan nicht anders, als ihr nachzusehen.

      »Bleibst Du an Bord, Ryan?«

      »Vorerst ja. Aber gleich leiste ich Dir Gesellschaft«, meinte er, wobei er ganz andere Gründe hatte.

      Maria lächelte Ryan an und sprang dann mit einem Kopfsprung ins Wasser. Kaum war sie untergetaucht, richtete Ryan den Blick zum Berg hinauf, wo Tákis ihn sehen sollte.

      »Jetzt, mein Freund, liegt es an Dir. Ich baue voll auf Dich«, murmelte Ryan. Maria tauchte neben dem Boot auf.

      »Das Wasser ist herrlich. Etwas kühl, aber so erfrischend und … was soll ich sagen, einfach traumhaft. Willst Du nicht auch einen Sprung riskieren?«, meinte sie begeistert.

      »Warum nicht? Wenn Du möchtest, ich habe noch eine Schwimmbrille für Dich.«

      Das Angebot nahm Maria gerne an und ließ sich eine von Ryan reichen. Er selbst zog sein Shirt aus und kramte nach der zweiten Schwimmbrille.

      Ryan blickte zu Maria, die es sichtlich genoss, ungestört im Meer zu schwimmen. Ein kurzes Aufblitzen vom Berggipfel entlockte ihm ein breites Grinsen. Auf seinen besten Freund war Verlass. Ryan sprang ins Wasser und gesellte sich zu Maria.

      Anita, die Vermieterin vom Hafen, kannte Tákis schon seit Kindheitstagen. Die fast 50-jährige Frau war schon immer am Hafen tätig. Neben der Bootsvermietung bot sie auch einige geführte Ausflüge an, organisierte aus Wunsch spezielle Fischlieferungen für die Restaurants und manchmal war sie auch als Taxiunternehmen tätig. Denn ihr Prunkstück, ein blau-weißes Schnellboot, durfte nur von ihr gesteuert werden. Sie hatte vor Längerem schon mit Tákis gesprochen, da sie eines der Elektroboote loswerden wollte, aber keinen Käufer fand. Bei einem Unfall würde wenigstens ein kleiner Betrag von der Versicherung gezahlt werden, mehr als ihr bislang für das Boot geboten worden war. Tákis galt als verschwiegen und verlässlich und hatte sofort zugestimmt. Anita hatte noch einen Vorteil auf ihrer Seite. Die Untersuchung nach der Ursache würde nichts Auffälliges ergeben, dafür würde ihr Mann schon sorgen. Es war praktisch einen Polizisten als Ehemann zu haben. Ihre einzige Bedingung war, dass niemand zu Schaden kommen dürfe, was Tákis ihr versichern konnte.

      Nun kniete Tákis auf dem Berggipfel und hatte Ryan genau um Visier.

      Er hatte nicht lange suchen müssen, um Maria und Ryan ausfindig zu machen. Tákis wusste, mit welchem Boot sie unterwegs waren und wohin Ryan steuern würde.

      Das Scharfschützengewehr hatte eine hervorragende Zielvorrichtung. Tákis konnte erkennen, wie Maria etwas abseits des Bootes schwamm und Ryan sich bereit machte, ihr zu folgen. Tákis holte einen runden Spiegel hervor und schwenkte ihn gegen die Sonne. Ryan hob kurz die Hand, Daumen hoch. Nun lag es an ihm.

      In Griechenland galt die allgemeine Wehrpflicht, neun Monate lang hatte Tákis den Militärdienst absolviert. Dabei war er mit verschiedenen Waffen vertraut geworden, darunter auch Scharfschützengewehre. Obwohl es schon einige Zeit zurücklag, die Handhabung hatte er nicht verlernt.

      Kaum war das Boot verlassen suchte er auf der Ladefläche eine vorpräparierte Stelle. Anita hatte keine genauen Informationen, was Tákis‘ Plan war und wollte auch nichts Näheres wissen. Aber sie kannte ihre Boote in und auswendig, vor allem die Schwachstellen. Genau eine dieser Schwachstellen visierte Tákis nun an.

      Entspannt paddelte Ryan mit den Beinen unter Wasser und drehte sich dabei, dass Maria dem Boot den Rücken zukehrte.

      »Du hast recht, Schönheit. Herrlich erfrischend. Wie ist die Aussicht unter Wasser?«

      »Hol tief Luft und finde es mit mir heraus«, forderte Maria ihn auf und tauchte vor ihm hinab. Ryan blickte noch einmal hinauf zu der Position, wo er Tákis vermutete. Plötzlich traf ein Schuss das Boot, gleich darauf folgte ein weiterer. Damit ist Dein Teil auch schon wieder erledigt, Bruder, dachte Ryan und tauchte ebenfalls ab.

      Das Wasser war klar, mit ihren Schwimmbrillen konnten sie bis zum Meeresgrund hinab sehen. Ungefähr sieben Meter tief war das Wasser an dieser Stelle, unter ihnen war der Meeresboden sandig mit vielen großen Steinen. Einige Fischschwärme zogen vorbei, kein Fisch größer als zwanzig Zentimeter. Elegant und ruhig schwamm Maria im Wasser und sah sich um. Ryan tauchte in Richtung Boot und erkannte die Stellen, an denen das Wasser ins Boot eindrang.

      Wieder an der Wasseroberfläche schwammen sie näher an ihr Elektroboot. Ryan erkannte Marias Augen durch die Schwimmbrille nur verschwommen, aber trotzdem war deutlich zu sehen, wie ihr der Ausflug gefiel.

      »Ich habe eine Luftmatratze im Rucksack, wenn Du noch etwas hier heraußen entspannen willst«, schlug er ihr vor.

      »Gute Idee«, plötzlich sah sie ihn überrascht an, »Deine Uhr!«

      »Ups, na hoffentlich ist sie wasserdicht«, meinte er nur lapidar.

      Maria entschied sich, noch im Wasser zu bleiben, während Ryan wieder ins Boot stieg und die Luftmatratze auspackte. Ein kurzer Blick auf den Boden reichte aus, um zu erkennen, dass das Wasser langsam anstieg. Noch war es nur eine kleine Pfütze.

      Es dauerte mehrere Minuten, bis Ryan die leuchtend gelbe Luftmatratze aufgeblasen hatte. Maria hing mit den Händen an der Leiter, die den Einstieg in das Boot erleichterte, und sah ihm zu.

      »Na Du hast wohl viel Luft in Deinen Lungen«, meinte sie anerkennend.

      »Einer der Gründe, warum ich Nichtraucher bin.« Und wieder ein Pluspunkt bei Dir, fügte er ihn Gedanken hinzu.

      Maria stieg zurück ins Boot und holte eine Wasserflasche aus ihrem Rucksack.

      »Ganz schön nass hier im Boot«, stellte sie fest. Als sie die Luftmatratze etwas anhob, sprang sie erschrocken zurück.

      »Ryan!«, kreischte sie auf.

      »Was ist denn, Schönheit?«

      »Ein Loch! Wir haben hier ein Loch!«, schrie sie voll Entsetzen auf.

      Ryan legte die Luftmatratze zur Seite und sah den Einschuss von Tákis aus der Nähe. Durch das kleine, ausgefranste Loch sprudelte langsam Wasser herein.

      »Das stand nicht auf dem Programm. Wir werden wohl den Ausflug abbrechen müssen und zurückfahren.«

      »Gute Idee, am besten so schnell wie möglich.«

      Ryan