Günter Billy Hollenbach

Berkamp - Ein langer schwarzer Schatten


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nichts für ungut, Mann. Wie Sie das eben gemacht haben. Wie kann jemand so schnell ziehen!? Wie heißen Sie?“

      „Clint Eastwood. Ich dachte, das hätten Sie längst gemerkt.“

      Brückner schaut mich verständnislos an; der Name sagt ihm wohl nichts. Vor allem; er mag den Fall nicht, wer weiß warum. Jetzt mag er auch mich nicht, sagen seine Augen. Ich gebe ihm wortlos seine Pistole und das Magazin zurück. Er nickt flüchtig, gibt mir einen verlegenen Klaps auf den Arm und folgt nach unten.

      Vera steht immer noch vor der Kommode, hält sich beide Hände wie betend vor den Mund, um nicht in lautes Lachen auszubrechen. Als wir allein sind, prustet sie los.

      „Nein, wie treffend! Drachentöter Clint Eastwood! Auch wenn es Nerven kostet; warum können Dienstbesprechungen nicht immer so filmreif vonstatten gehen?!“

      Ihre strahlende Heiterkeit und die Helligkeit in ihrer Stimme helfen, die Anspannung von eben zu mindern.

      „Menschenskind. Ich fasse es nicht; in welcher frauenfeindlichen Ecke hat der denn überwintert?; Brückner meine ich. Prostituierte, na und? Sind das keine Menschen? Nebenbei, ich kenne einige hochgebildete Frauen darunter, gerade aus Osteuropa. Sag mal, Du bist Amerikaner, stimmt das, Robert?

      „Wie man es nimmt. Nach Geburt bin ich Deutscher. Aber drüben habe ich die Staatsbürgerschaft eines Auslandsamerikaners; ist kaum geläufig, gibt es aber. Wie Du siehst, manchmal ist der Doppelpack ganz praktisch.“

      „Und das Ziehen eben, oh Mann?! Erst dachte ich, sie übertreibt. Corinna hat mir davon erzählt; Du bist verblüffend schnell mit der Pistole. Kannst Du mir das beibringen?“

      „Es braucht ziemlich viel Übung.“

      „Um so besser!“

      Dazu ihr süßes, verschmitztes Lächeln. Ich mag Vera.

      „Gut, gut, Vera, mein Schatz. Wir üben demnächst, hemmungslos.“

      „Vorsicht, ich nehme dich beim Wort. Kommst Du mit runter?“

      „Ne, muss ich mir nicht antun. Lass den Herrn Doktor seines Amtes walten. Jedenfalls war das nicht gut eben.“

      „Wie kommst Du darauf? Mir hat es Spaß gemacht. Ich kenne doch deine Jacke und ihre Vorgeschichte.“

      „Vergiss es, Vera. Ich rede vom vergeigten Einstieg in eine gute Zusammenarbeit mit Hofheim. Ein Lehrbuchbeispiel für die Zuspitzung einer Auseinandersetzung aus nichtigem Anlass.“

      „Na hör mal, hat Brückner sich doch selbst eingebrockt.“

      „Und wenn schon. Es beeinträchtigt den weiteren Gang der Dinge. Zumindest sollten wir damit rechnen.“

      „Lass das mal unsere Sorge sein. Zunächst brauchen wir den medizinischen Befund. Du, ich will unten dabei sein. Bleib hier, verstanden?!“

      „Natürlich. Ich folge dir unauffällig.“

      Sie verschwindet durch die Tür und geht nach unten.

      *

      Sandra Aschauer sitzt im Wohnzimmer in einem der wulstigen, dunkelgrünen Ledersessel und liest in einem Buch. Obwohl es schon sieben Uhr abends sein dürfte, wirft die Sonne noch reichlich Licht in den Raum. Als sie mich hört, legt sie das Buch zur Seite, schaut mich entgeistert an.

      „Ich habe das nicht mehr ausgehalten, die erbärmliche, lieblose Art von diesem Brückner.“

      Sie macht eine einladende Handbewegung. Ich setze mich in den Sessel gegenüber, ziehe ihn etwas näher.

      „Habe ich etwas verpasst?“

      Sie klingt nicht wirklich interessiert.

      „Weiß nicht, den Auftritt von Hauptkommissarin Sandner vielleicht.“

      Sie schüttelt den Kopf, entschließt sich nach eine Weile zum Reden.

      „Ja, doch; den habe ich noch mitbekommen. Im ersten Moment habe ich befürchtet ...; sie sah ziemlich ... wie soll ich sagen ... auf mich wirkte sie recht ... angriffslustig. Als dieser Brückner Sie aufgefordert hat, die Hände hochzunehmen. Ich habe einen Schrecken gekriegt, dachte schon ... gleich kracht es hier! Ich dachte, die Sandner muss unverzüglich eingreifen, vermitteln, verstehen Sie? Statt dessen hat sie mich zur Seite gewinkt und still zugeschaut, ... als ob ihr das Vergnügen bereitet. Das fand ich reichlich seltsam. Haben Sie denn keine Angst gehabt?“

      „Nein, ehrlich gesagt, ich war innerlich darauf vorbereitet. Corinna weiß, dass ich keinen Blödsinn mache.“

      „Merkwürdige Umgangsformen in Polizeikreisen.“

      Ihr Blick wandert hinab zu den Händen in ihrem Schoß.

      „Dass Sie beide eine nervenaufreibende Privatbeziehung haben, wundert mich nicht. ... Nach dem, was ich eben beobachten durfte. Entschuldigung, das geht zwar nur Sie etwas an. ... Aber es betrifft mich vielleicht.“

      „Schon gut. Man gewöhnt sich dran; rau aber herzlich. Corinna hat weiterhin mein uneingeschränktes Vertrauen.“

      „Und dann diese Wende. Als wenn Brückner ihr liebster Kollege wäre. Macht sie das immer so? Ich frage nur, weil ... kann man ihr das abnehmen? Ich meine, dass sie unvoreingenommen ermittelt.“

      „Keine Sorge, Frau Aschauer. Meine Oma Anna würde dazu sagen: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. In ihrer Arbeit ist Corinna ein Erfolgs- und Wahrheitsfanatiker.“

      „Nutzt mir erst mal wenig. Eins habe ich inzwischen begriffen: An diesem unerträglichen Oberkommissar führt kein Weg vorbei, richtig?“

      „Ja, so sieht es aus. Was Sie betrifft, Frau Aschauer, wenn Sie befragt werden, Sie brauchen überhaupt nichts zu sagen. Auch später, bei einer förmlichen Vernehmung; Sie können eisern schweigen, sollten dann aber einen Rechtsanwalt dabeihaben, der für sie spricht.“

      „Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen.“

      „Das weiß ich. Ich sage das bloß, falls Brückner Sie anspricht und Sie sich dem entziehen möchten.“

      „Danke. Bleiben Sie noch?“

      „Nur, wenn ich noch einen Tee, einen Joghurt oder eine Banane kriege. Darf ich vorher mal auf Toilette.“

      „Im Bad, da neben dem Schlafzimmer.“

      Kurz darauf in der Küche fällt mir noch ein Hinweis ein.

      „Anschließend, wenn der Amtsarzt gegangen ist, wie ich Corinna kenne, lässt die sich von Brückner nicht einfach abwimmeln. Wahrscheinlich schlägt sie eine erste Fallbesprechung vor. Wir sollten dabei sein. Ich sowieso. Wenn Sie sich das zutrauen; aber das müssen Sie wissen. Vielleicht Petra zuliebe. Oder falls Sie glauben, es könnte Ihnen bei der Bewältigung ... es könnte für Sie selbst hilfreich sein.“

      Gut zehn Minuten später erscheinen drei Kriminaltechniker der Station Hofheim an der Haustür. Ich weise ihnen den Weg zu den Beamten hinab in den Keller.

      Kurz darauf kommt Vera zu Frau Aschauer und mir in die große Küche. Bis auf die in blinkendem Edelstahl gearbeiteten Geräte wie Herd und Spüle herrscht ein warmes Gelb vor, dazwischen Farbtupfer in hellem und dunklem Grün an Schubläden sowie Handtüchern und den seitlich gerafften Fenstervorhängen.

      „Kann ich einen Tee haben? Da unten stehe ich nur dumm rum,“ erklärt Vera. Sie wirkt in sich gekehrt, nippt stumm an ihrer Tasse.

      Frau Aschauer steht verlegen gegen den Herd gelehnt, bewegt sich verhalten, wie auf der Stelle tretend. Die innere Unruhe ist ihr anzumerken.

      Nach einer Weile gesellt sich Corinna zu uns, blasser im Gesicht als vorher, und bittet ebenfalls um einen Tee. Der Tod der Frau geht ihr nahe. Als Frau Aschauer sich ihr