Beth St. John

Lost Vampire 3


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damals mit dem Gestaltwandler war. Welche Entscheidung er getroffen hatte. Und wie sehr er diese bereute. Er bat mich, ihn zu unterstützen, dich zu retten. Von daher“, er blickte Ever fest in die Augen, „weiß ich, dass er dich niemals geopfert hätte. Niemals wieder würde er ein einzelnes Leben aufgeben, nur weil irgendwelche Wächter-Berechnungen dies erforderten. Außerdem“, fügte er nach kurzem Zögern hinzu und seine Stimme schien sich wieder zu beruhigen, „warst du immer wie eine Tochter für ihn. Ich glaube nicht, dass ihm schon jemals ein Mensch so viel bedeutet hat wie du.“

      Ever schwieg einen Moment und blickte zu Boden. „Das ist alles trotzdem irgendwie – befremdlich.“

      „Ich verstehe dich“, George klang deutlich sanfter als noch vor wenigen Minuten. „Aber ich glaube James. Und ich vertraue ihm. Er hätte dich immer und vor jeglicher Gefahr geschützt, da bin ich sicher. Und ich sage dir das“, er lächelte kurz auf, „obwohl ich Wächter normalerweise so gar nicht mag. Aber James ist anders.“

      „Hm.“ Ever kaute auf ihrer Unterlippe. Georges Worte beruhigten sie tatsächlich – auch wenn sie die Erinnerung an das Gelesene und daran, wie es sie aufgewühlt hatte, noch nicht vollständig beseitigen konnten. Sie würde noch ein wenig mehr Zeit brauchen – Zeit, um darüber nachzudenken; Zeit, um die neuen Informationen zu verdauen. „Ich hoffe, ich sehe ihn eines Tages wieder. Ich würde gern selbst mit ihm darüber reden.“

      „Der Wächterrat kann erbarmungslos sein, wenn er mit den Entscheidungen seiner Wächter nicht einverstanden ist“, brummte George. „Aber ich bin sicher, James wird einen Weg finden, zurückzukommen.“

      „Sicher hast du Recht.“ Ever riss ihre Gedanken von James los und nahm zum ersten Mal wahr, dass George bereits die ganze Zeit in der Küche herum hantierte. „Sag mal, was treibst du da eigentlich?“, fragte sie mit einem irritierten Lächeln.

      „Oh“, antwortete George vergnügt, „ist das denn nicht offensichtlich? Ich koche. Italienisch.“ Er trat einen Schritt zurück und deutete auf ein Brett mit Tomaten, die er gerade zerkleinert hatte. „Du magst doch Spaghetti Napoli, oder?“

      Ever schaute völlig verblüfft auf das Schneidbrett. „Ja, aber du nicht. Du isst doch gar nicht …“

      „Nein, deshalb mache ich das hier auch nur für dich“, antwortete George mit einem zärtlichen Lächeln, drehte sich wieder um und warf die Spaghetti ins kochende Wasser.

      Ever war tief berührt. Sie stand auf, trat zu ihm und umschlang George von hinten mit ihren Armen. „Das ist unglaublich süß von dir. Ich liebe dich, weißt du das eigentlich?“, fragte sie, die Wange an seiner Schulter liegend.

      „Ich weiß. Und ich liebe dich auch“, antwortete George leise und drehte sich in ihren Armen herum, sodass er ihr Gesicht sehen konnte. „Mehr als alles andere auf der Welt.“ Langsam senkte er den Kopf und berührte ihre Lippen mit den seinen. Evers Herz pochte noch unregelmäßiger als sonst und es fühlte sich an, als wolle es vor Glück fast zerspringen.

      „So“, murmelte George dann und richtete sich wieder zu voller Größe auf. „Und jetzt muss ich weiterkochen. Nicht, dass du mir noch verhungerst.“

      Ever lachte, trat zurück und nahm wieder auf dem Stuhl Platz, auf dem sie schon zuvor gesessen hatte, während George die geschnittenen Tomaten mit einem Schuss Wein in einen Topf gab.

      „Ich wusste gar nicht, dass du überhaupt kochen kannst“, überlegte sie amüsiert.

      „Hast du vergessen, dass ich auch einmal ein Mensch war?“

      „Du willst mir jetzt aber nicht erzählen, dass du in deinen menschlichen Jahren gekocht hast, oder?“, fragte Ever mit skeptischem Blick. „Ich meine, das war eine ganz andere Zeit …“

      George lachte. „Das stimmt wohl“, meinte er, „aber“, er tippte auf ein aufgeschlagenes Kochbuch, das auf der Küchenzeile lag, „es gibt ja schließlich Rezepte. Auf meinen Geschmackssinn möchte ich mich bei menschlichem Essen lieber nicht verlassen.“

      Ever war zutiefst gerührt. Beeindruckend genug, dass George überhaupt für sie kochte – dass er es in der Tat nur für sie machte, gab der Sache eine noch größere Bedeutung. Ein Gefühl wohliger Wärme durchströmte sie.

      „Was meinst du, was wollen wir nach dem Essen machen? Wir könnten uns einen Film ansehen …“ George konzentrierte sich angestrengt auf den Topf mit den kochenden Tomaten.

      „Ja“, stimmte Ever zu, „das könnten wir.“

      „Wir machen es uns gemütlich, trinken ein Glas Wein …“

      „Klingt perfekt. Wir könnten natürlich auch ...“ Evers Stimme klang tiefer als sonst – und sehr verführerisch. Verdammt sexy. Ein Schauer lief George über den Rücken.

      George wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als ein nachdrückliches Klopfen von der Eingangstür her zu ihnen drang. Ever und George sahen sich fragend an. „Erwartest du noch Besuch?“, wollte sie überrascht wissen.

      George schüttelte den Kopf. „Ich will nicht hoffen, dass Sam seinen Schlüssel vergessen hat und uns den Abend mit seiner Gesellschaft versüßen will“, antwortet George voller Ironie. Obwohl Sam anfangs nur für eine Weile ein Dach über dem Kopf suchte, war er noch immer hier. Nach Georges Geschmack wohnte der Engel schon viel zu lange bei ihm, aber er konnte ihn einfach nicht hinauswerfen. Zum einen hinderte ihn ihre gemeinsame Vergangenheit – Sam war die einzige Familie, die der Vampir je hatte – andererseits befürchtete George, mit einer solchen Aktion Ever zu verärgern. Sie konnte den Chaoten mittlerweile ganz gut leiden. Er schob den Topf von der heißen Herdplatte und ging in den Flur, um dem unangemeldeten Besucher zu öffnen.

      „Guten Abend. Ich hoffe, ich störe nicht“, sagte Lukas Drake mit einem halbherzigen Lächeln, das seine Augen nicht widerspiegelten.

      Kapitel 4

       21. September. Zur selben Zeit im Haus der Familie Boyle.

      Sam stellte seinen Wagen vor der Einfahrt ab. Einen Moment lang rang er noch mit sich, ob er das wirklich machen sollte – aber jetzt gab es kein Zurück mehr, er hatte es Ever versprochen. Verärgert über sich selbst, weil er sich hatte breitschlagen lassen, knallte er die Autotür seines nachtschwarzen Mustangs zu. Was hatte diese Frau nur an sich, dass sie ihn derart um den kleinen Finger wickeln konnte?

      Nun, die Antwort auf diese Frage war Sam nur allzu klar. Er hatte sich in Ever verliebt. Anfangs hatte Sam nicht verstehen können, was George an diesem Mädchen fand. Natürlich war sie hübsch. Und sicherlich etwas Besonderes, da Gestaltwandler selten sind – aber gleich eine feste Beziehung? Es hatte nicht lange gedauert, bis Sam begriff, was der Vampir an ihr fand. Ever war zwar manchmal trotzig, stur und frech, aber auch ebenso charakterstark, loyal und warmherzig. Und sie war mutig. Verdammt mutig. All das bewunderte Sam an ihr und so hatte es nicht lange gedauert, bis er mehr in ihr sah als die Freundin seines besten Freundes.

      Mit hochgezogenen Schultern stapfte er den hellen Kiesweg hinauf zur Haustür und klopfte an. Es war Issy, die die Tür öffnete.

      „Sam“, sie schien überrascht, dass er so spät noch bei ihr auftauchte.

      „Ich, äh …“, druckste Sam herum, „ich wollte zu Peter.“

      Issy zog fragend eine Augenbraue hoch. „Ever hat dich geschickt. Hat sie gesagt, es sei dringend?“

      Sam schnaubte. „Hör zu, ich kann auch wieder gehen“, brummte er übellaunig. „Dann könnt ihr euch um euren eigenen Scheiß kümmern.“

      „Nein, bitte, komm rein. Tut mir leid“, erwiderte Issy schnell und öffnete die Tür ein Stück weiter, um ihn hereinzulassen. Es war kein Geheimnis, dass sie nicht allzu große Stücke auf den gefallenen Engel hielt. Unabhängig davon, dass sie Sam seit sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte nicht besonders mochte, war er ihr noch suspekter, seit Wächter Lukas Drake seine Erinnerungen mit ihr geteilt hatte. Sie konnte förmlich miterleben, wie Drake