Beth St. John

Lost Vampire 3


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Peter hergekommen war. Issy wusste, dass Peter zu ihm aufsah – und womöglich konnte nur er ihrem Bruder den Kopf waschen. Wenn überhaupt jemand auf ihn Einfluss nehmen konnte, dann war das Sam.

      Der Engel trat über die Schwelle und blickte sich neugierig um. Das Haus der Boyles war nicht besonders groß, aber offensichtlich mit viel Liebe eingerichtet worden. Der Eingangsbereich war hell gefliest und mit Teppichen in warmen Farben ausgelegt. An der linken Wand stand ein Garderobenständer aus dunklem Kirschbaumholz sowie eine dazu passenden Kommode. Die Wände waren in Vanilletönen gehalten und mit Familienfotos geschmückt.

      Issy waren die Blicke, mit denen Sam ihr Zuhause musterte, unangenehm. Es fühlte sich an, als würde er auf seltsam unanständige Weise in ihrer Privatsphäre stöbern, obwohl das natürlich ein alberner Gedanke war. Normalerweise freute sie sich über Besucher, aber Sam war ihr unheimlich. Sie schüttelte sich unmerklich, um diese verwirrenden Gedanken zu verscheuchen und ging voraus den kurzen Flur entlang.

      „Die Treppe rauf und dann die zweite Tür“, erklärte sie und wies mit dem Arm in die entsprechende Richtung. „Du wirst wahrscheinlich laut klopfen müssen. Jede Wette, dass er Kopfhörer auf den Ohren hat, bei einer Lautstärke, die ihm fast das Hirn wegbläst. Wenn er nicht aufmacht, geh einfach rein.“ Nach kurzem Zögern und einem Blick auf Sams irritierten Gesichtsausdruck fügte sie hinzu: „Keine Sorge, dir wird er das nicht krumm nehmen. Würde ich bei ihm reinlatschen, wäre das was anderes.“

      „Aha.“ Sam war offensichtlich nicht überzeugt. Trotzdem stieg er die Stufen in den ersten Stock hinauf und klopfte dann, so laut wie möglich, an Peters Tür. Als sich nichts regte, klopfte er erneut, länger diesmal. Er legte das Ohr an die Holztür und lauschte. Er hörte Peter summen; ziemlich unmelodisch, wenn er ehrlich war. Mit Sicherheit stimmte Issys Vermutung, dass er Musik hörte und sein Klopfen nicht mitbekam. Mit einem Ruck schob er die Tür auf.

      Peter hockte mit angezogenen Knien auf seinem Bett, dicke Kopfhörer auf den Ohren und wippte im Takt zur Musik vor sich hin, während er in einem Buch blätterte. Als er aus dem Augenwinkel den Besucher wahrnahm, zuckte er erschrocken zusammen und riss sich die Hörer vom Kopf.

      „Sam, verdammt!“, rief er aus. „Du hast mich fast zu Tode erschreckt! Kannst du nicht anklopfen, Mann?“

      „Das habe ich“, entgegnete Sam unbeeindruckt und schloss die Tür hinter sich. „Mehrmals.“

      „Oh“, bemerkte Peter und blickte schuldbewusst auf sein Smartphone, das noch immer die Playlist abspielte. Er stand auf und reichte dem Engel die Hand zur Begrüßung. „Was machst du hier?“

      „Warum fragen mich das eigentlich alle?“, brummte Sam unverständlich. Er zog sich den Stuhl heran, der vor Peters unordentlichem Schreibtisch stand, und setzte sich.

      „Was?“

      „Nichts. Schon gut“, meinte Sam und suchte nach den richtigen Worten, um ein lockeres Gespräch zu beginnen. „Ich hab dich schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen, da wollte ich einfach mal vorbei schauen und Hallo sagen.“

      „Cool“, erwiderte Peter mit einem breiten Grinsen. Er bewunderte Sam – und dass dieser Quell seiner Bewunderung ihn sogar besuchte, erfüllte ihn unverhohlen mit einer ordentlichen Portion Stolz. Normalerweise behandelten ihn die älteren immer wie einen kleinen Jungen – aber Sam war da anders.

      „Wie läuft's denn in der Schule?", frage der Engel mit einem Wink zu dem chaotischen Schreibtisch.

      „Ach, ganz okay." Peter zuckte mit den Schultern. „Ich komme klar."

      „Wie ist es so, jetzt da Issy und Ever nicht mehr an der Highschool sind?“

      „Naja, ist ja nicht so, dass ich dauernd mit den Leuten meiner Schwester abgehangen habe“, stellte Peter mit einem erneuten Schulterzucken klar. „Ich habe schließlich meine eigenen Freunde.“

      Sam witterte eine Chance, das Thema aufzugreifen, über das er mit Peter sprechen wollte. „Du meinst die Leute, aus deiner Klasse?“

      Peter winkte ab. „Glaub mir, die sind alle todsterbenslangweilig.“

      „Echt?“ Sam hob erstaunt die Augenbrauen. „Aber ich dachte, es gibt da ein paar Kumpels, mit denen du öfter mal abhängst … Waren die nicht auch mit auf Evers Geburtstagsparty?“

      Peters Miene erhellte sich. „Du meinst Colin und seine Jungs. Die sind doch nicht auf meiner Schule!“ Er schnaubte abfällig, als sei allein schon die Tatsache, die Torch Creek High zu besuchen, der Beweis für ein Dasein als Loser. „Die vier sind voll cool. Colin, sein Bruder Deacon und ihre Cousins Marc und Kevin wohnen zusammen mit ihrem Onkel und ihrer Tante in einem Wohnwagen. Ein Stück draußen vor der Stadt. Das sind echte Freunde, Mann!“ Er nickte mit dem Kopf, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. „Die halten immer zusammen.“

      Sam lächelte. „Das ist gut“, bestätigte er. „Echte Freunde sind was Seltenes. Aber … Die vier sind doch etwa in deinem Alter. Gehen sie denn nicht mehr zur Schule?“

      Peter lachte. „Nee, die haben geschmissen. Reparieren Autos und Klimaanlagen und so. Da hab ich sie kennengelernt – haben die Klimaanlage in Mr. Forges Laden repariert.“ Der Laden von Mr. Forges lag in der Nähe der Highschool und viele Schüler gingen in den Pausen oder nach Schulschluss dort vorbei, um sich Snacks oder Cola zu kaufen.

      Peter verzog den Mund und wurde ernst. „Manchmal möchte ich auch hinschmeißen. Der ganze Schulkram … Das bringt doch nichts! Ich will eh nicht aufs College, also wozu der ganze Mist?“

      Sam hatte nicht im geringsten Lust, sich mit Peter auf eine Diskussion über die Wichtigkeit eines Schulabschlusses einzulassen. Allerdings konnte er förmlich Evers entsetzt aufgerissene Augen beim letzten Kommentar des Jungen vor sich sehen und antwortete entsprechend: „Naja, du hast ja nicht mehr lang. Bloß noch ein Jahr. Und vielleicht würdest du dich irgendwann ärgern, wenn du vorzeitig alles hinschmeißt.“ Er machte ein nachdenkliches Gesicht. „Dinge ändern sich manchmal. Oder Ziele und Pläne. Und ich denke, du solltest dir einfach alle Optionen offen halten.“

      Peter ließ die Schultern hängen. „Mom und Dad würden das eh nicht zulassen. Ich meine ja nur … Das kommt mir halt so sinnlos vor.“

      „Und was macht ihr so?“, fragte Sam, um das Gespräch wieder in die richtige Richtung zu lenken. „Ich meine, du und die Jungs. In Torch Creek ist doch tote Hose … Oder habt ihr einen Geheimtipp?“

      „Ach, meistens hängen wir einfach so ab“, antwortete Peter. „Wir sitzen beim Wohnwagen zusammen, grillen, hören Musik und reden über Jungskram.“ Er zuckte wieder mit den Schultern und Sam fragte sich unwillkürlich, ob Peter das überhaupt bewusst war – ob er seiner Körpersprache damit mehr Lässigkeit verleihen wollte oder ob es unbewusster Ausdruck seiner inneren Haltung war, die im Moment wirklich dem ist-mir-doch-egal-Prinzip folgte.

      „Das habe ich früher auch total oft gemacht“, erwähnte Sam und tat, als schwelge er in Erinnerungen an seine Teenager-Zeit. „Das waren die besten Tage meines Lebens. Was meinst du“, er schaute Peter mit funkelnd blauen Augen an, „ob ich wohl mal mitkommen könnte?“

      Peter runzelte verunsichert die Stirn. „Wozu?“

      „Naja, ich würde die vier echt gerne mal kennenlernen. Ich glaube, das sind klasse Typen.“

      „Issy und meine Eltern sind da anderer Meinung.“ Peter seufzte.

      „Ich bin aber nicht Issy, und auch nicht dein Dad.“ Sam grinste frech und jungenhaft. „Komm schon. Was ist schon dabei?“

      „Wärst du auf Evers Party nicht erst so spät gekommen, hättest du sie kennengelernt.“

      Peter wand sich sichtlich und Sam fragte sich wieso. Hatten die vier Peter verboten, andere Leute mit zu bringen? „Naja“, entschuldigte Sam sich mit einem breiten Grinsen, „ich war etwas abgelenkt an dem Abend.“ Er schnalzte mit der Zunge. „Du weißt schon – die Mädels aus Flagstaff.“

      Peter errötete leicht, denn natürlich hatte Issy ihm nach