Bärbel Junker

Jagd auf Cosima


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die Zeit unter den Nägeln“, drängte Hans.

      Tanja setzte die Baseballmütze wieder auf und hängte sich ihre Tasche über die Schulter. „Wenn Sie wollen, können Sie mit mir fahren, Herr van Cliff“, bot sie dem Wissenschaftler an.

      In dem Golf war es so heiß, dass Tanja hastig die Scheibe runter drehte. Van Cliff stieg ohne mit der Wimper zu zucken ein und stellte seine lederne Aktentasche zwischen seine Füße. „Von mir aus kann es losgehen“, sagte er.

      Hans klemmte sich hinters Lenkrad eines alten Geländewagens Marke Eigenbau. Alfons und der grobschlächtige Bruno stiegen in einen dunkelblauen Ford, dessen linker Kotflügel ein großflächiger, dottergelber Fleck zierte.

      Ratternd setzten sich die beiden Fahrzeuge in Bewegung, gefolgt von Tanjas weißem Golf.

      BEVOR ALLES BEGANN

      Eine Woche bevor in Harsefeld alles begann!

      Endlich war es soweit! Fasziniert starrte der hochgewachsene Mann in das riesige Aquarium, welches fast den gesamten Raum einnahm. In den Scheiben spiegelte sich sein sympathisches Gesicht, in dem tief empfundenes Leid seine unauslöschlichen Spuren hinterlassen hatte.

      „Ich werde die Menschheit das Fürchten lehren, werde sie vor mir im Staub kriechen und um Gnade winseln sehen“, flüsterte er in die ihn umgebende Stille und es klang nach viel mehr, als nur einem Versprechen.

      Er drehte sich um und ging zu seinem Schreibtisch hinüber, auf dem ein Foto in einem silbernen Rahmen stand. Vorsichtig nahm er es in seine langgliedrigen, sehnigen Hände.

      „Elvira!“, murmelte er, und seine eisblauen Augen liebkosten das reizende Frauengesicht auf dem Bild. „Ich werde dich rächen, Geliebte, werde sie bestrafen für das, was sie dir angetan haben“, flüsterte der einsame Mann und Hass verzerrte sein Gesicht.

      „Bald kehre ich reich und mächtig zu dir zurück, bis dahin hilft mir mein Hass dieses Leben ohne dich zu ertragen. Er treibt mich voran und richtet mich auf, wenn ich verzweifelt nach dir rufe und doch keine Antwort erhalte.

      Rache! singt es dann in mir. Rache!, für meine geliebte Elvira!

      Sie alleine treibt mich an und lässt mich planen und hoffen. Du schaffst es, singt es dann in mir. Und mein Glaube wurde wahr, erfüllte sich hier und jetzt. Endlich! ist die Zeit der Abrechnung gekommen, Elvira! Und ich werde sie genießen! Werde sie mit jeder Faser meines Seins genießen!“, schrie der Mann von plötzlichem Zorn übermannt in die Stille des Raumes.

      Aber trotz seines Jähzorns stellte er den silbernen Rahmen mit Elviras Foto sanft auf den Schreibtisch zurück. Er drehte sich mit einem Ruck um und ging zurück zum Aquarium.

      „Ja, so ist es richtig, Cosima, meine Kleine“, flüsterte er und beobachtete mit glänzenden Augen das rege Treiben seiner unglaublichen Kreatur.

      SIE TEILEN SICH!

      Sie verließen Harsefeld und fuhren in Richtung Hollenbeck weiter.

      „Wie kommt ein Wissenschaftler nach Harsefeld?“, versuchte Tanja ein Gespräch in Gange zu bringen.

      „Zufall. Purer Zufall“, erwiderte van Cliff. „Ich suchte nach einem ruhigen Ort, um an einer schwierigen Abhandlung zu arbeiten und kam dabei nach Harsefeld. Als ich dann von der angeblichen Wasserumwandlung hörte, wurde ich neugierig und beschloss zu bleiben. Mir gefällt die Gegend. Vielleicht lasse ich mich sogar hier nieder.“

      „Und Ihre Frau?“

      „Meine Frau? Wieso? Was soll mit meiner Frau sein?“

      „Ist sie auch hier? Na ja, Sie tragen einen Ehering und da dachte ich, ihre Frau hätte Sie vielleicht begleitet.“

      „Meine Frau ist tot. Ich bin schon seit mehreren Jahren Witwer.“

      „Oh! Entschuldigen Sie bitte“, sagte Tanja verlegen.

      „Schon gut. Das konnten Sie ja nicht wissen“, erwiderte van Cliff freundlich.

      Vor ihnen leuchteten plötzlich die Blinker und Bremsleuchten grell auf, als die beiden Fahrzeuge in einen schmalen Feldweg einbogen. Tanja folgte ihnen.

      Die dicken Stämme der alten Eichen zu beiden Seiten des Weges ließen nur wenig Platz. Tanja musste sehr vorsichtig fahren, um eine Kollision zu vermeiden. Das dichte Blätterdach über ihnen warf bizarre Schatten auf den sich wie eine Schlange darunter hindurch windenden Weg und verwandelte den lichten Tag in ein diffuses Halbdunkel.

      Es war still, jedes Geräusch verstummt, außer dem Brummen der Motoren. Ein Gefühl kommenden Unheils beschlich die junge Frau und ließ sie frösteln. Da wurde der Weg breiter. Kurz darauf fuhren sie auf ein weites, mit Büschen und Gras bewachsenes Areal zu, in dessen Mitte eine sich weitflächig ausdehnende Sandwüste zu sehen war, die zur Mitte hin kontinuierlich zu einem beachtlichen Berg anwuchs.

      Sie hatten ihr Ziel erreicht.

      Tanja stieg aus und ging zusammen mit dem Wissenschaftler auf den Sandberg zu, der einmal ein Badesee gewesen sein sollte. „Und hier soll Wasser gewesen sein?“, fragte sie skeptisch.

      „Dies hier war bis vor kurzem noch ein See“, sagte van Cliff. „Aber wieso ist es so schnell gegangen?“

      „Wie meinen Sie das?“

      „Na ja, falls unbekannte Mikroben Schuld an dieser Umwandlung von Wasser in Sand waren, dann ist das aber verdammt schnell gegangen. Da müssten ja ungeheure Mengen am Werk gewesen sein.“

      „Sie glauben den Unsinn doch nicht, oder?“, fragte Tanja verblüfft.

      „Weshalb sollten die Männer lügen? Das würde doch sehr schnell herauskommen“, erwiderte van Cliff. „Kommen Sie. Wir sehen uns mal den Forellenteich an.“

      Sie fuhren Hans hinterher zu dem Teich, der nicht weit vom Badesee entfernt lag. Als sie dort ankamen stoppte Hans abrupt, sprang aus seinem Wagen und rannte laut schreiend darauf zu.

      Alfons, Bruno und Tanja rannten ihm hinterher.

      Die großzügig angelegte Anlage lag inmitten weiter Wiesenflächen, eingerahmt von dichtem Gebüsch. Das gegenüberliegende Ufer war so weit entfernt, dass es mit bloßem Auge kaum zu erkennen war.

      Die reinste Idylle, dachte Tanja, musste jedoch beim Näherkommen feststellen, dass dieses Arkadien einen Makel besaß. Einstmals reichten die Wiesenflächen wohl bis an den Wasserrand. Jetzt wurde der weitläufige Teich von einem etwa zwei Meter breiten Sandgürtel eingefasst, auf dem sich wie mumifiziert aussehende Fischkadaver stapelten.

      „Meine Forellen!“, schrie Hans und hüpfte wie ein verrückt gewordener Kobold aufgeregt hin und her.

      Der Wissenschaftler bückte sich und nahm eine tote Forelle in seine Hand, die ein dünner Handschuh schützte. „Dem Fisch wurde die Flüssigkeit entzogen, dadurch wirkt er wie mumifiziert“, flüsterte er heiser.

      „Was ist mit dem Wasser?“, fragte Tanja. „Es müsste ein stilles Gewässer sein, doch es brodelt und bewegt sich immerzu.“

      „Ich werde eine Wasserprobe entnehmen und sie untersuchen“, sagte van Cliff. Er nahm eine bauchige Flasche aus seiner Aktentasche und ging zum Wasser.

      „Was ist?“, fragte Tanja als er zurückkam. „Sie machen so ein besorgtes Gesicht?“

      „Sehen Sie selbst“, sagte van Cliff und hielt die Flasche hoch. Tanja und Alfons traten näher.

      Hinter dem Glas bewegte sich ein etwa walnussgroßes Insekt!

      „Was ist das?“, fragte Tanja.

      „Es ähnelt einer zu groß geratenen Wanze. Mehr kann ich im Moment nicht sagen. Ich muss es erst untersuchen“, erwiderte van Cliff zurückhaltend.

      Die