Bärbel Junker

Jagd auf Cosima


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das nicht möglich war.

      Der Wissenschaftler bemühte sich den aufgebrachten Hans zu beruhigen. Von der Verdoppelung der Wanze hatte er noch nichts bemerkt. Tanja beobachtete weiter. Plötzlich zogen sich die Körper der beiden Insekten zusammen, dehnten sich, zogen sich erneut zusammen, teilten sich. Jetzt befanden sich bereits VIER! Insekten in der Flasche und es wurde langsam eng.

      „Vier! Sie teilen sich!“, stieß Tanja gleichermaßen fasziniert wie abgestoßen hervor.

      „Was sagten Sie?“, fragte van Cliff.

      „Sie teilen sich. Jetzt sind es schon vier.“

      Der Wissenschaftler starrte auf die Flasche in seiner Hand. „Tatsächlich“, flüsterte er.

      „Und was bedeutet das alles?“, fragte Bruno verständnislos.

      „Ich muss zurück und einige Tests vornehmen“, sagte van Cliff aufgeregt.

      „Das können Sie sich sparen“, stieß Tanja hervor. „Diese Viecher sind es. Sie machen aus Wasser Sand!“

      Alle starrten auf die Flasche. Die vier Insekten vermehrten sich nicht mehr. Sie hockten regungslos in der Flasche und saugten das Wasser in sich hinein; aus einer Öffnung am hinteren Ende ihres Körpers kam es als Sand wieder heraus. Die fünf Menschen sahen bestürzt zu.

      Kurz darauf war die Flasche mit Sand gefüllt, und die vier unheimlichen Lebewesen hatten sich aufgelöst. Nur vier kirschgroße, dunkelrote Kugeln waren von ihnen übrig geblieben.

      „Mein Gott!“, flüsterte Tanja. „Was würde wohl passieren, sollten diese Viecher in die Wasserversorgungssysteme gelangen?“

      Van Cliff antwortete nicht, sondern starrte auf die mit Sand gefüllte Flasche in seiner Hand.

      „Das ist ja schrecklich“, stöhnte Hans. „Jetzt wissen wir, wo der Badesee geblieben ist und was mit dem Baggersee geschieht. Und was wird aus meinen Forellen?!“, brüllte er plötzlich hysterisch. „Unternehmen Sie doch was! Vernichten Sie dieses eklige Zeug!“, schrie er van Cliff an.

      „Das kann ich nicht. Ich weiß doch ebenso wenig wie Sie, woher diese sonderbaren Lebewesen kommen und was man dagegen unternehmen kann.“

      „Die Gesundheitsbehörden müssen verständigt werden. Und ich muss sofort meine Redaktion anrufen“, sagte Tanja aufgeregt, die nun doch noch eine richtige Story witterte.

      „Woher kommen diese Viecher so plötzlich?“, meinte Bruno nachdenklich. „Sie müssen doch irgendwie hierhergekommen sein.“

      „Falls sie nur hier, in Harsefeld, vorkommen und sich auf die Teiche und Seen beschränken die keinen Zufluss zu anderen Gewässern haben, können wir sie wohl unter Kontrolle halten, aber wenn sie auf andere Gewässer oder auf die Versorgungssysteme übergreifen ...“ Er verstummte.

      „Sobald kein Wasser mehr da ist, sterben die Wasserkiller anscheinend“, sagte Tanja. „Der Badesee wurde bereits zu Sand und dem Forellenteich und dem Baggersee wird wohl dasselbe Schicksal beschieden sein. Damit dürfte sich dieses Problem doch von selbst erledigen.“

      „Wenn diese Wasserkiller, übrigens ein sehr treffender Name“, lächelte van Cliff, „nur hier auftreten, könnten Sie recht haben.“

      „Aber woher kommen diese gemeinen Viecher?“, fragte Bruno noch einmal.

      „Ich weiß es nicht, aber wir sollten es auf jeden Fall herausfinden. Zuerst einmal müssen die betroffenen Gebiete sofort isoliert werden. Noch lässt sich der Schaden vielleicht begrenzen, aber wehe diese Brut breitet sich aus, dann gnade uns Gott!“

      „Schrecklich“, murmelte Bruno bestürzt.

      Sie kamen überein, die gefährdeten Gebiete zu überwachen, bis offizielle Stellen diese Aufgabe übernehmen würden.

      Hans blieb bei seinem Forellenteich. Bruno kümmerte sich um den Baggersee. Und Alfons würde ein Auge auf den ehemaligen Badesee haben. Der Wissenschaftler erklärte sich bereit die Behörden von Harsefeld aus telefonisch zu mobilisieren. Und Tanja arbeitete bereits gedanklich an ihrem Artikel.

      Entweder Bartels gab ihr die Story oder sie würde sich an eine andere Zeitung wenden, dachte Tanja. Wegnehmen ließ sie sich diese Chance jedenfalls nicht! Plötzlich hatte sie es eilig nach Harsefeld zurückzukommen. Sie verabschiedete sich von Hans und seinen beiden Freunden und eilte gefolgt von dem Wissenschaftler zu ihrem Wagen.

      ERPRESSUNG

      Die ersten Takte des Boleros von Ravel vermischen sich mit dem leisen Rauschen eines Flusses. Der großformatige Flachbildschirm zeigt das Panorama des im milden Abendlicht glitzernden Bodensees. Späte Sonnenstrahlen überziehen das Wasser mit diamantenem Schimmer. Die weißen Segel der schnittigen Boote erglühen orangerot, faszinierend schön wie auf einem exquisiten Ölgemälde.

      Ravels Bolero gewinnt an Substanz. Die Musik schwillt an. Das idyllische Bild des Bodensees vergeht.

      Farbige, sich ekstatisch windende Kreise huschen über den Bildschirm. Die Musik spielt Fortissimo. Ein Tusch und ... ein Entsetzensschrei aus rauen Männerkehlen.

      „Mein Gott! Was ist das?!“, stöhnt der Innenminister Randolph Stein.

      Ravels Bolero verklingt, das Entsetzen bleibt, manifestiert sich in dem Bild auf dem Monitor.

      Ein INSEKT!

      Doch was für eine Scheußlichkeit! Größer als zwei Riesenschildkröten zusammen, aber chitingepanzert wie ein Insekt. Und dann der abscheuliche Kopf, auf dem die nach allen Seiten beweglichen Augen auf Stielen sitzen. Und das bizarre Geschöpf bewegt sich behände auf sechs stämmigen Beinen.

      „Und das ist C O S I M A!“,

      sagt eine elektronisch verzerrte Stimme in die atemlose Stille hinein. „Sie ist die Mutter meiner Wasservernichtungswanzen, die Sie gleich sehen werden. Danach gebe ich Ihnen meine Forderungen bekannt. Und nun viel Vergnügen, meine Herren.“

      Wieder Cosima. Doch diesmal hockt sie in einem riesigen Aquarium. Eine behandschuhte Hand schiebt sich ins Bild und stellt eine Schale gefüllt mit einem undefinierbaren Brei vor das Insekt. Cosima macht sich darüber her und noch während sie frisst, werden aus ihrem Hinterteil wie am Fließband wallnussgroße Insekten gedrückt. Nachdem sie die Schale leer gefressen hat, schließt Cosima die Augen und schläft ein.

      Eine Glasscheibe senkt sich zwischen sie und die walnussgroßen Insekten herunter die munter werden, als Wasser in ihre Aquariumhälfte sprudelt. Sie saugen es ein und stoßen es als Sand aus einer Öffnung am hinteren Ende ihres Körpers wieder aus.

      Und sie arbeiten schnell! Sehr schnell!

      Die Zuschauer sehen sprachlos zu wie sich Leben spendendes Wasser vor ihren Augen in Sand verwandelt.

      Abrupter Szenenwechsel.

      Das zauberhafte Panorama des Bodensees vertreibt die Wasser vertilgenden Scheußlichkeiten vom Monitor. Die Insel Mainau in ihrer ganzen Schönheit nimmt ihre Stelle ein. Sanft sich wiegende Palmenwedel im lauen Wind; Sonnenstrahlen vergolden das sich sanft kräuselnde Wasser. „Wie schön“, flüstert eine Stimme. Im Hintergrund ertönt leise Musik.

      Ein gewaltiger Paukenschlag beendet jäh die Idylle! Gläser fallen aus zitternden Händen und zerschellen am Boden. Eine erschreckende Computersimulation vertreibt die eben noch dargebotene heile Welt.

      Sandhügel schieben sich auf die Mitte des Sees zu, nehmen die Insel in Besitz, die jetzt inmitten mumifizierter Felchen und Forellen, Hechte und Barben liegt.

      Abgestorbene Palmenwedel bewegen sich raschelnd wie altes Pergament im heißen Luftstrom des Windes. Birken und Eichen, Akazien und Linden, Ulmen und Eiben strecken ihre verdorrten Äste anklagend dem Himmel entgegen. Aus vertrocknetem Laub ist der Teppich, der die trockene, rissige Erde bedeckt.

      Die sechs Männer