Norman Dark

Im Schatten der Hexe


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Wissen Sie. Wie schön diese Tiere sind?«

      Janet schüttelte den Kopf. »Ich kenne mich mit Vö …diesen Tieren nicht aus.«

      »Oh, obwohl er gezähmt ist, umgibt ihn immer noch so etwas wie ein Geheimnis, etwas Gefährliches. Wir haben einige Gemeinsamkeiten. Auch ihm liegt die Unmittelbarkeit fern. Er fasst nur schwer Vertrauen und enthält sich jeder Sicherheit, nach der das Gemüt oft strebt. Und wir haben beide eine Sehnsucht, die geradezu himmelstürmend ist. Ein Verlangen nach Halt und Bindung und gleichzeitig die Abscheu vor dem Erdenschweren, Erdhaften. Ich glaube nicht, dass ich dazu fähig bin, einen einzelnen Menschen zu lieben, eher die Menschheit im Allgemeinen. Gleichzeitig lehne ich die Menschen ab, wegen des unsagbaren Leids, dass sie über ihresgleichen und die Welt bringen. Selbst Kinder sind schon Qualen und Unrecht ausgesetzt.« Yve hielt erschrocken inne. »Können Sie noch folgen?«

      »Doch, ja, Ihre Ausführungen sind sehr interessant.«

      »Wissen Sie, ich bin sonst der schweigsame, intellektuelle Typ. Ich glaube, so viel habe ich schon länger nicht geredet. Was ich an Percy mag, ist seine geradezu wollüstige Triebhaftigkeit und seine Sehnsucht nach einer ozeanischen Weite. Velle gestattet sich all das nicht, aus Angst, es könnte ihn beherrschen. Ein Wunder, dass er nicht in ein Kloster gegangen oder Pfarrer geworden ist.«

      »Was denn, es gibt noch einen dritten Bruder, der Wal heißt?«, fragte Janet entgeistert. »Sagen Sie bloß, er sieht auch wie Sie beide aus.«

      »In der Tat. Mit leichten Abweichungen. Das ist nämlich das versprochene Geheimnis. Wir sind Drillinge. Das kommt in unserer Gegend nicht oft vor, aber wir bilden uns nichts darauf ein. Velle ist Religionslehrer an der Forgandenny Primary School. Auch er lebt allein. Und ich möchte nicht so genau wissen, was er treibt. Womöglich geißelt er sich mit Dornenruten, oder Schlimmeres.«

      »Warum hat mir Percy das verschwiegen? Ich meine nicht die von Ihnen vermuteten Gelüste Ihres zweiten Bruders, sondern dass es noch zwei Brüder gibt, und Sie sogar Drillinge sind.«

      »Keine Ahnung. Vielleicht war ihm das zu intim. Da wir räumlich getrennt leben, war es eher unwahrscheinlich, dass sie uns beiden anderen begegnen.«

      »Seltsam, Percy habe ich unter ebensolchen Umständen kennengelernt wie Sie.«

      »Das Leben geht oft eigenartige Wege. Aber viel hat es Ihnen ja nun nicht gebracht, wenn ich Sie richtig verstanden habe.«

      »Ja, scheint so. Trotzdem bin ich froh, Sie getroffen zu haben.«

      »Ganz meinerseits. Auch wenn es so schnell nicht wieder vorkommen wird.«

      Leslee machte große Augen, als Janet von ihrer Begegnung berichtete. »Jetzt wird mir so Manches klar«, sagte sie hintergründig.

      »Wie meinst das?«

      »Na, schon bei Zwillingen sagt man oft, dass einer allein nicht so blöd sein kann. Was das für Drillinge bedeutet, muss ich wohl nicht näher erläutern.«

      »Du bist unmöglich. Außerdem bringst du da etwas durcheinander, glaube ich. Der Spruch bezieht sich auf das Sternzeichen, und nicht auf Geschwister.«

      »Egal, bei den Sutherland-Brüdern scheint er sich zu bewahrheiten.«

      »Dieser Yve könnte schon einen leichten Sprung in der Schüssel haben, wer hält sich schon einen Adler als Haustier? Aber über diesen Wal möchte ich mir kein Urteil erlauben, bevor ich ihn nicht getroffen habe. Ich meine, als Religionslehrer, der mit Kindern zu tun hat …«

      »Gerade die, das ist so ähnlich wie mit den Therapeuten, die selbst eine Therapie nötig haben. Den Kindern predigt er womöglich heile Welt und Keuschheit, aber in ihm gärt es nur so vor aufgestauter Leidenschaft. Da könnte dieser Yve schon Recht haben, vielleicht peitscht sich sein Bruder nachts im Kämmerlein wirklich selber aus. Der kennt ihn schließlich besser.«

      Janet lachte herzhaft. »Du und deine Fantasie. Wir leben nicht mehr im Mittelalter, wo sich Mönche und Nonnen in ihren Zellen gegeißelt haben. Vielleicht ist dieser Wal ein ganz moderner junger Mann, und sein Theologiestudium hat ihm dabei geholfen, jungen Menschen etwas weiterzugeben, sie auf den Weg zu bringen. Deshalb muss er doch nicht sexuell verklemmt sein.«

      »Hm«, machte Leslee. »Die Alte würde mich viel mehr interessieren. Zwei ihrer Söhne haben das Weite gesucht, und nur einer ist geblieben. Der muss jetzt all das aushalten, was sich sonst durch drei geteilt hätte. Ich kenne diese Art von Frauen. Sie sind die Güte in Person und bemuttern ihre Kinder bis zum Exzess. Auf der anderen Seite sind sie despotisch und unbeugsam. Wehe, jemand ist anderer Meinung als sie. Dann kriegen sie auf Bestellung Herzanfälle oder Migräne, damit der Sohn ein schlechtes Gewissen bekommt. Ein wahrer Teufelskreis von Abhängigkeit, Liebe und Hass.«

      »Wenn du meinst, du Hobbypsychologin.«

      »Sag mal, und du hast wirklich zuerst geglaubt, Percy stünde vor dir? So ähnlich sind sie sich?«

      »Ja, bis auf die Augenfarbe und die unterschiedliche Frisur, aber sonst …«

      »Davon würde ich mich gerne selber überzeugen. Was hältst du davon, wenn wir uns heute Abend die Räder schnappen und dem Hof einen kleinen Besuch abstatten?«

      »Ich lasse Mitch ungern allein.«

      »Er ist doch kein Baby mehr. Wir warten, bis er eingeschlafen ist.«

      »Und was soll das bringen? Ich weiß doch gar nicht, wo dieser Yve wohnt.«

      »Dann lass uns zu der Alten fahren. Vielleicht hat sie gerade Besuch von ihm, wo er doch schon in Kinross war ...«

      Gesagt, getan, als Mitch tief und fest schlief, fuhren Janet und Leslee zum Anwesen der Sutherlands. Kurz davor bekam Janet sprichwörtlich kalte Füße, wurde immer langsamer und hielt schließlich an.

      »Was ist, kannst du nicht mehr?«, fragte Leslee.

      »Ich habe so ein komisches Gefühl. Was machen wir, wenn Percy uns entdeckt? Er hat gesagt, ich soll nie wieder kommen. Nicht dass er noch rabiat wird.«

      »Und mit so einem Mann wolltest du deine Zukunft verbringen.«

      »Da kannte ich ihn noch nicht von seiner anderen Seite.«

      »Sei froh, dass du es rechtzeitig gemerkt hast. Die Sache ist ganz einfach. Mir hat er ja schließlich nicht das Haus verboten. Und falls er uns wirklich entdeckt, werde ich die Gelegenheit nutzen, um ihm mal tüchtig die Meinung zu sagen.«

      »Ich weiß nicht …«

      »Aber ich, los komm!«

      Vor dem Grundstück der Sutherlands verbargen die beiden Frauen ihre Räder im Gebüsch und schlichen vorsichtig zum Haus. In der Küche brannte Licht, und man sah eine etwas korpulente Frau geschäftig hin und her laufen. Am Küchentisch saß Yve, wie Janet auf den ersten Blick erkannte.

      »Siehst du, da ist dieser Yve«, flüsterte Janet, »dass Percy nicht zu sehen ist, halte ich für kein gutes Zeichen. Wir sollten lieber gehen.«

      »Jetzt mach dich nicht nass. Wir gehen wie besprochen vor.« Leslee brannte vor Abenteuerlust und ließ sich nicht abhalten. Sie gab ihre Deckung auf und lugte über das Fensterbrett. »Den könnte man wirklich mit Percy verwechseln«, sagte sie leise. »Ich verstehe deine Irritation. Hoffentlich hat er seinen Adler nicht irgendwo geparkt.«

      »Hör auf, ich bin schon froh, dass es keinen Hofhund gibt. Was machen Sie jetzt?«

      »Die Alte bückt sich gerade zu ihm herunter und fummelt ihm im Gesicht herum. Das passt ihm gar nicht. Er wehrt sie ständig ab.«

      »Wenn Percy nicht dabei ist, schleicht er vielleicht hier draußen herum.«

      »Dann werden wir unseren ganzen Charme aufbieten und ihm das Händchen schütteln. Nein, Quatsch. Du hast doch gesagt, dass die Brüder sich nicht besonders mögen. Also wird Percy auf seinem Zimmer sein, während seine Mutter Yve bemuttert.«

      »Du hast ihn jetzt gesehen, somit gibt es keinen Grund, noch länger hierzubleiben. Also, ich gehe