Siri Lindberg

Lilienwinter


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erworben hatte. Doch er starb früh, getötet von einem fremden Lindwurm, und nach diesem Verlust drehte Koriónas durch, wurde ein Abtrünniger unter seinesgleichen. Es berührt ihn tief, eine Nachfahrin seines einstigen Freundes zu treffen, er wird ein wertvoller Verbündeter und schützt sie bei weiteren Angriffen der Skraelings. Nur gegen Darios Verschlagenheit kann er nichts ausrichten. Als Dario das Gerücht verbreitet, Jerusha und Kiéran seien gefährliche Schwarzmagier, wird ihnen das Haus über dem Kopf angezündet, sie müssen aus Cyr fliehen.

      Für Jerusha wird die Begegnung mit dem Drachen zum Wendepunkt. Denn Koriónas weiß, wer Aláes ist – er ist ein Elis aus Khorat. Die Eliscan sind schöne, unsterbliche Wesen, die seit Jahrtausenden mit den Menschen in Fehde leben und schon mehrere große Kriege mit ihnen ausgefochten haben. Es gibt verschiedene Eliscan-Völker, und wie Koriónas erzählt, ist Aláes eine hohe Persönlichkeit bei den Elis Aénor, dem Volk des Mondes.

      Der Drache ist bereit, sie zu ihm zu bringen, denn der Fluch kann nur von seinem Urheber selbst zurückgenommen werden. Jerusha weiß, dass die Reise nach Khorat gefährlich wird, selbst mit einem Begleiter wie Kiéran. Sie wagt es dennoch. Leider muss Grísho, der Schattenspringer, zurückbleiben, denn Ko­riónas kann es nicht ausstehen, wenn er seinem Schatten auch nur nahe kommt.

      In Khorat begegnen Jerusha und Kiéran als erstes dem arroganten, eitlen jungen Elis Silmar und seinem etwas netteren Freund Colmarél. Silmar, der sich als Aláes Neffe herausstellt, ist vom Tod fasziniert und fordert Kiéran unter einem Vorwand zum Kampf auf, um ihn zu töten und den Moment des Todes mitzuerleben. Kiéran merkt schnell, dass der Elis ihm weit überlegen ist, und kämpft trotz seiner Verletzungen wie niemals zuvor. Silmar ist fassungslos, als das Gefecht unentschieden ausgeht. Dennoch ist er nicht bereit, ihnen wie vereinbart eine Audienz bei seinem Onkel zu verschaffen. Es scheint keinen Weg zu geben, Aláes zu treffen.

      Jerusha wird freundlicher aufgenommen, als „Drachenschwester“ genießt sie Respekt, zudem stellt sich heraus, dass ihre Nachtlilien Blumen der Eliscan sind und starke Erinnerungen bewahren. Als die Eliscan-Königin Célafiora spürt, dass ein Schatten über der „Hüterin der Nachtlilien“ liegt, verspricht sie ihr Hilfe und führt sie durch ein Ritual, um die Last von Jerushas Erinnerungen zu lindern. Es hilft tatsächlich, und das verändert auch ihre Beziehung zu Kiéran – zum ersten Mal verbringen sie eine Nacht miteinander. Nur trifft Kiéran hier bei den Eliscan auch die Kurierreiterin wieder, die sich ihm in der Quellenveste hingegeben hat. Sie vagabundiert in Ouenda und Khorat gleichermaßen herum, obwohl sie ein Mensch ist, und heißt angeblich Charis. Kiéran befürchtet, dass sie Anprüche auf ihn erheben und seiner Liebe zu Jerusha schaden will, und liegt damit nicht ganz falsch.

      Mehr Sorgen macht es ihm, dass er in Khorat immer mehr Anzeichen entdeckt, die auf Kriegsvorbereitungen hindeuten. Und tatsächlich, die Elis Aénor planen, das Nachbarreich Ouenda in Besitz zu nehmen. Angeblich, weil dort Stimmung gegen die Eliscan gemacht wird und die Menschen planen, ihre Nachbarn in Khorat anzugreifen. Doch der wahre Grund ist ein anderer: Aláes hasst die Menschen, seit in einem der Eliscan­kriege sein Vater getötet wurde, und will Vergeltung. Noch einen zweiten Grund hat er für den Feldzug: Irgendwo in Ouenda ruht – am Ort einer Schlacht zwischen Menschen und Eliscan, die vor langer Zeit stattfand – der magische Rubin Aélwelhor im Boden. Er ist dort im Laufe der Jahrtausende gewachsen, an einem Ort, an dem einmal das Blut eines Eliscan-Herrschers vergossen wurde. Laut einer Prophezeihung soll und darf nur derjenige über die Elis Aénor herrschen, der diesen Rubin in seinem Besitz hat. Aláes reist immer wieder unerkannt in die Menschenreiche, um den Rubin zu suchen, jedoch bisher erfolglos. Ouenda einzunehmen war seine Idee, und er treibt diese Pläne unablässig voran.

      Das alles weiß Jerusha noch nicht. Als sie Aláes zufällig begegnet, braucht sie all ihren Mut und ihre Entschlossenheit, um ihn zu konfrontieren. An seinen Fluch erinnert er sich kaum, doch er hat nicht die Absicht, ihn zurückzunehmen. Jerusha lässt nicht locker, und schließlich dämmert Aláes, dass diese Frau ihm von Nutzen sein könnte. Er schlägt ihr etwas vor: Wenn sie den Rubin finden und zu ihm bringen könne, dann werde er den Fluch von ihrem Clan nehmen. Dann sei es auch nicht mehr nötig, Ouenda einzunehmen, sie könne gleichzeitig einen Krieg abwenden. Jerusha stimmt zu – sie ahnt nicht, dass Aláes keineswegs die Absicht hat, seine Angriffspläne aufzugeben.

      Kiéran unterstützt sie bei den Eliscan, er bleibt neben ihr wie ein Leibwächter und lässt sich nicht einschüchtern. Erstaunlicherweise findet er sich in dieser neuen, fremden Welt gut zurecht, respektvoll nennen die Eliscan ihn Lin´tháresh, „Tiefseher“. Doch dann bekommt Aláes Wind davon, dass Kiéran derjenige ist, der Fürst AoWesta vor Aláes Spionen bei Hofe gewarnt und dadurch die Eroberungspläne behindert hat. Die Rachsucht des Elis ist geweckt.

      Aláes arrangiert, dass Jerusha Kiéran tatsächlich verraten muss, so wie sie es die ganze Zeit befürchtet hat. Der Elis droht ihr unter vier Augen, Kiéran zu töten, wenn sie nicht verrät, woher dessen magische Sehfähigkeit stammt. Jerusha ringt lange mit sich, doch dann willigt sie aus Angst um Kiéran ein und erzählt von seinem Aufenthalt im Tempel der Schwarzen Spiegel, von dem Amulett. Doch mit dieser Information hat sie Aláes eine gefährliche Waffe gegen Kiéran in die Hand gegeben. Und Kiéran weiß es nicht, denn Aláes zwingt Jerusha, über die Erpressung zu schweigen – wenn sie darüber spricht, wird er sie beide töten.

      Ohne zu ahnen, welche Gefahren ihm drohen, reist Kiéran mit Jerusha, Aláes Neffen Silmar und Charis los, um nach dem Rubin zu forschen. Der Drache Koriónas hilft seinen Freunden bei ihrer gefahrvollen Mission, den Rubin heimlich an sich zu bringen, indem er ihnen einen verschlüsselten Hinweis darauf gibt, wo sie suchen müssen – was er nach den Gesetzen der Drachen eigentlich nicht hätte tun dürfen.

      Sie finden das Juwel in den Ruinen der Festung Qirwen Cerak, tappen jedoch in eine Falle. Über den magischen Handspiegel hat Dario erfahren, was Jerusha für die Eliscan tun soll, und hat die Priester des Schwarzen Spiegels alarmiert. Sie können nicht dulden, dass ein magisches Objekt von solcher Kraft Ouenda verlässt und wollen den Rubin selbst in ihre Obhut nehmen. Es kommt zu einem heftigen Gefecht, bei dem einige von Kiérans Freunden aus seiner ehemaligen Escadron Blau zu Hilfe kommen.

      Es ist sehr schwer für Kiéran, gegen die Priester zu kämpfen, von denen viele geholfen haben, ihn damals gesund zu pflegen. Doch dann wird ausgerechnet der junge Elitekrieger Santiago, Kiérans Schützling und bester Freund, von einem der Priester getötet. In seiner Trauer verliert Kiéran die Beherrschung und richtet ein Blutbad an – es ist ein bitterer Tag für beide Seiten. Und selbst der einst so arrogant wirkende, vom Tod faszinierte Silmar ist erschüttert von dem Leid, das er miterlebt hat.

      Den Gefährten gelingt es, den Rubin aus Ouenda hinauszuschaffen, und Jerusha gibt ihn Aláes. Damit ist der Fluch gelöst. Doch sie kann sich nicht darüber freuen, zu schwer wiegt die Schuld. Für sie selbst ist es zu spät, die Prophezeihung hat sich an ihr und Kiéran schon erfüllt. Denn jetzt wird klar, dass Aláes nur mit ihr gespielt hat – er hat zwar versprochen, keinen Tropfen von Kiérans Blut zu vergießen, doch er reißt ihm das Amulett vom Hals und zerstört es, nimmt ihm mit grausamer Beiläufigkeit die magische Sehkraft. Jetzt ist Kiéran wahrhaftig blind. Und Aláes berichtet ihm auch genüsslich, woher er die Bedeutung des Amuletts kennt.

      Kiéran kann kaum fassen, dass Jerusha ihn verraten hat. Und das, nachdem er bei dem Versuch, ihr zu helfen, schon Santiágo verloren hat. Er fühlt sich wie betäubt, und zudem ist er nun als völlig Blinder wieder so hilflos wie ganz zu Anfang. Voller Wut und Trauer verlässt er Jerusha und sagt ihr, dass er sie nie wiedersehen will. Tarxas, einer seiner Freunde und Kampfgefährten, hilft ihm gemeinsam mit Charis, nach Ouenda zurückzukehren; Tarxas bringt ihn auf dem ehemaligen Hof seiner Eltern unter. Doch Kiéran will nicht, dass Charis längere Zeit mit ihm dort bleibt und sich Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft macht, er bittet sie, seinen Hengst Reyn aus Cyr zurückzuholen, und ist froh, als sie den Hof verlässt.

      Jerusha ist ebenfalls völlig am Ende, sie weiß, dass sie den Mann, den sie liebt, verloren hat. Sie musste einen hohen Preis dafür zahlen, dass sie ihm das Leben gerettet hat. Ist seine Liebe nun in Hass umgeschlagen? Verzweifelt macht sie sich auf den Rückweg zu ihrem Clan. Ihr ist inzwischen klar, dass ihre Gefühle für Dario nie sehr stark waren; leider sind sie offiziell noch immer verlobt, dieser Verpflichtung muss sie sich