Peter Beuthner

Außer Gefecht gesetzt


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      Peter Beuthner

      Außer Gefecht gesetzt

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Dienstag

       Mittwoch

       Donnerstag

       Freitag

       Samstag

       Montag

       Dienstag

       Mittwoch

       Donnerstag

       Freitag

       Impressum neobooks

      Dienstag

      Plötzlich lag er da, regungslos. Leute eilten herbei – manche aus Besorgnis um den Gestürzten, andere aus reiner Neugier. Schnell stand eine Menschenansammlung um den auf dem Bauch liegenden Mann im Kreis herum.

      „Was ist passiert?“ „Was hat er denn?“ „Ist er tot?“ Fragen, die keiner beantworten konnte. Zwei Männer knieten zu ihm nieder, drehten ihn in die Rückenlage, prüften seinen Puls, spürten sein Atmen, klatschten ihm auf seine linke und rechte Wange, aber der Liegende zeigte keinerlei Regung. Sein Gesicht war blutverschmiert, die Augen geöffnet, der Blick starr.

      „Ruft doch endlich mal jemand einen Krankenwagen“, erregte sich eine Frau in der Menge laut und fordernd. „Ja, ruft einen Arzt, schnell“, stimmte eine andere Frau ein. Mehrere der Umstehenden zogen ihr Handy heraus und telefonierten, andere fotografierten den Liegenden und wieder andere machten gleich ein Video von der ganzen Szenerie.

      Zehn Minuten mochten bereits vergangen sein, die Menge der Schaulustigen war inzwischen deutlich angewachsen. Jetzt überwogen offenbar die Neugierigen, die Gaffer, die von jeder Menschenansammlung magisch angezogen werden. Mit Ellenbogeneinsatz drängelten sich mehrere durch die dichter gewordenen Reihen, um das Objekt der Begierde endlich zu Gesicht zu bekommen.

      Plötzlich hörte man Martinshörner und sah auch schon das Blaulicht. Ein Notarzt- und ein Krankenwagen kamen angebraust. Die Sanitäter sprangen aus dem Wagen und versuchten eine Gasse durch die Menschenmenge aufzumachen, der Arzt folgte. Er beugte sich runter zu dem Liegenden, prüfte Puls und Atem, dann leuchtete er mit einer Taschenlampe in die weit geöffneten Augen. Keine Reaktion. Der Puls war äußerst schwach. Aber immerhin, der Mann lebte noch.

      „Der muss sofort ins Krankenhaus, Notaufnahme“, sagte er zu den Sanitätern. Diese hoben ihn auf eine Trage und bugsierten sie in den Krankenwagen.

      „Kennt jemand von Ihnen diesen Mann?“ fragte der Arzt noch die Umstehenden. Doch er sah nur allgemeines Kopfschütteln. Dann fuhren sie in großer Eile mit Blaulicht und Horn davon.

      In der Notaufnahme herrschte gerade reger Betrieb. Zwei Patienten, die sich bei einem Verkehrsunfall verletzt hatten, warteten bereits im Vorraum auf ärztliche Behandlung, und der diensthabende Oberarzt war im OP mit einem anderen Notfall beschäftigt. Ein junger, noch nicht sehr erfahrener Assistenzarzt, Doktor Lambrecht, wollte sich soeben den beiden Unfallopfern zuwenden, als der neue Patient eingeliefert wurde, von dem man bisher lediglich wusste, dass er auf der Straße zusammengebrochen und seitdem bewusstlos war. Deshalb musste dieser Fall selbstverständlich vorrangig behandelt werden.

      Zwei Schwestern kümmerten sich bereits um ihn, halfen den Sanitätern beim Umbetten des Patienten und schoben das Bett in eine der Notaufnahmekabinen. Dort entkleideten sie ihn, zogen ihm ein Krankenhaushemd über und legten ihm eine Decke über Unterleib und Beine. Schwester Anne legte ihm die Blutdruckmessmanschette und die Kontakte für die Elektrokardiographie an, während die andere Schwester ihm ein Pulsoximeter zur Messung und Überwachung der Sauerstoffsättigung und des Pulses auf den Finger steckte, als Dr. Lambrecht eintrat.

      Dr. Lambrecht schaute sich als erstes die Messwerte auf dem Monitor an, bevor er sich dem Patienten zuwendete. „Oh, das ist ja eine ziemlich große Platzwunde an der Stirn“, bemerkte er, während er der Schwester Anne dabei zusah, wie sie dem Patienten das Blut aus dem Gesicht wischte. „Der ist offenbar voll aufgeschlagen und hat jetzt garantiert auch eine Gehirnerschütterung“, kombinierte er.

      Er schaute noch einmal auf den Überwachungsmonitor und vergewisserte sich, dass die dargestellten Messwerte keine Unregelmäßigkeiten aufwiesen. Dann untersuchte er den Patienten näher. Beiläufig fragte er Schwester Anne, die gerade die Wunde gesäubert und mit einem großen Pflaster versehen hatte: „Mit wem haben wir es denn hier eigentlich zu tun? Haben Sie schon einen Ausweis oder ähnliches gefunden?“

      „Nein!“ antwortete die zweite Schwester, die gerade dessen Kleidung durchsuchte. „Er hat ja auch gar keine Jacke oder Tasche dabei. Das ist schon komisch, denn so warm ist es ja nun auch nicht gerade.“

      „Das ist schlecht, sehr schlecht“, sagte Lambrecht nachdenklich und kratzte sich dabei am Kopf.

      „Was soll ich denn da in unsere Dokumentation schreiben?“ fragte die Schwester.

      „Schreiben Sie halt erst mal ‚Unbekannte männliche Person‘“, schlug Lambrecht vor und richtete seine Blicke wieder auf Schwester Anne, die dem Patienten gerade Blut entnahm. Anne hatte sehr wohl bemerkt, dass Lambrecht sie immer wieder anschaute und offenbar Gefallen an ihr zu haben schien. Aber sie mochte diese Blicke nicht, denn sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass er sie damit förmlich auszuziehen versuchte. Wortlos drehte sie sich um und brachte die Blutprobe ins Labor.

      Lambrecht wendete sich wieder dem Patienten zu und leuchtete mit einer Taschenlampe in dessen weit geöffnete Augen. Der Patient zeigte keinerlei Reaktion. Komisch, dachte sich Lambrecht schließlich, Blutdruck und Puls sind zwar relativ niedrig, aber die Werte sind alle noch im grünen Bereich. Und auch die Herzstromkurve zeigt keine Rhythmusstörungen oder andere Unregelmäßigkeiten. Wieso taucht der aus seiner Bewusstlosigkeit nicht wieder auf? Er schien ratlos.

      Als Schwester Anne wieder eintrat, sagte er zu ihr: „Schauen Sie mal, Anne, er hat die Augen weit geöffnet, aber sie zeigen keinerlei Regung. Haben Sie so etwas schon mal gesehen?“

      Zögernd folgte Schwester Anne seiner Aufforderung und ging zu ihm, um die Augen des Patienten zu betrachten. Lambrecht nutzte die Gelegenheit, trat ganz dicht an sie heran, schaute ihr tief in die Augen und sagte: „Nicht mal so ein bildschönes Gesicht wie Ihres, Anne, bewirkt bei ihm eine Regung. Ganz anders als bei mir.“ Anne errötete leicht und trat einen Schritt zurück. Sie war unsicher, wie sie darauf reagieren sollte und wie sie sich am besten dieser Situation entziehen konnte, ohne unhöflich zu werden oder gar ihn zu verletzen. Sie mochte diesen Typ einfach nicht, und diese plumpe Anmache schon gar nicht. Aber sie musste ja auch weiterhin mit ihm zusammenarbeiten. „Ich hab´ noch etwas zu erledigen“, sagte sie schließlich und verließ den Raum. Er schaute ihr, sie von oben bis unten musternd, hinterher. Dann setzte er seine Untersuchungen fort, fand aber keine Möglichkeit, auch nur geringste Regungen des Patienten, selbst kleinste körperliche